Zeitschrift

TEC21 2009|47
Norm versus Innovation?
TEC21 2009|47
zur Zeitschrift: TEC21
Verlag: Verlags-AG
Minergie ist weltweit einer der erfolgreichsten Baustandards für energieeffiziente Gebäude.[1] Diesen Erfolg verdankt das Label zum einen seinen klar umrissenen und relativ einfach umsetzbaren Anforderungen. Zum anderen konnte es die Banken überzeugen, von denen heute viele vergünstigte Hypotheken für Minergie-Bauten anbieten.

Und nicht zuletzt setzte Minergie von Anfang an auf professionelles Marketing. Der Erfolg zeigt sich nicht nur in der Zahl zertifizierter Gebäude – aktuell mehr als 14 500 –, sondern auch im grossen Bekanntheitsgrad, den das Label in breiten Bevölkerungskreisen erlangt hat. Auch die private Bauherrschaft macht sich heute Gedanken über energieeffizientes Bauen. Dem Minergie-Label als Vorreiter ist es auch zu verdanken, dass nun die kantonalen Mustervorschriften verschärft worden sind.

So positiv dieser Erfolg ist, so sehr werden durch die allseitige Förderung des Standards Minergie alternative und innovativere Möglichkeiten energieeffizienten Bauens an den Rand gedrängt. Wir haben daher mit diesem Heft einen Blick zur Seite und nach vorn geworfen. Drei Fachleute, die in diesem Heft als kritische Stimmen zu Wort kommen, plädieren dafür, differenzierte Herangehensweisen zuzulassen, und geben zu bedenken, dass jede Norm dem wissenschaftlich-technischen Entwicklungsstand um Jahrzehnte hinterherhinkt. Werner Waldhauser und Kurt Hildebrand erkennen im Interview mit TEC21 (vgl. S. 50) die Bedeutung des Minergie-Labels für die breite Masse der Gebäude durchaus an, stellen aber klar, dass nicht a priori das Label, sondern ein nachhaltiges Gebäude das Ziel sein sollte. Ein Beispiel für dieses Denken ist der neue Wohnungsbau auf dem Merker-Areal in Baden (vgl. S. 42), der zwar in puncto Energieverbrauch die Anforderungen des Labels Minergie-P erfüllt, bei der Gebäudehülle aber zugunsten der architektonischen Qualität darauf verzichtete. Ebenso erhielt der sanierte Altbau auf dem gleichen Gelände kein Label, weil er auf natürliche statt kontrollierte Lüftung setzte. Ulrich Pfammatter plädiert zudem dafür, den Blick zur Seite auch auf andere Kulturregionen auszudehnen, die nachhaltiges Bauen teilweise ganz anders definieren (vgl. S. 38). Dies zeigt sich auch in anderen nationalen Labels , von denen einige ein viel breiteres Spektrum an Kriterien berücksichtigen als das Minergie-Label, beispielsweise den Landverbrauch oder den Anteil erneuerbarer Energiequellen. Eines davon, das Zertifizierungssystem der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen, soll nun auch in der Schweiz etabliert werden, wie Anfang November bekannt wurde(vgl. S. 26) – vielleicht ist das ein Impuls, der breitere Kreise zum Hinterfragen des lieb und bequem gewordenen Weges motiviert.
Claudia Carle

Anmerkung:
[01] Ernst & Young Real Estate: Green Building – Ist Zertifzierung für Sie ein Thema?, 2008

05 WETTBEWERBE
Designpreis Schweiz 2009 | Zwischen Hof und Garten

18 MAGAZIN
Potenzial von Werkstoffkombinationen | Holzcontainer als mobile Minihäuser | Publikationen | Neue Holzhäuser energetisch top | Kontrollierte Fensterlüftung im Test

30 PERSÖNLICH
Dolf Schnebli, 1928–2009

38 BAUEN IM KULTUR- UND KLIMAWANDEL
Ulrich Pfammatter
Nachhaltiges Verhalten kann nicht die Verfestigung des Gewohnten und Genormten bedeuten, sondern erfordert transkulturelles Lernen und die Entwicklung mutiger Visionen.

42 VOM HAUS IM HAUS ZUR STADT IM HAUS
Rahel Hartmann Schweizer
Der Merker-Park in Baden von Zulauf & Schmidlin Architekten ist verwinkelt wie eine mittelalterliche Stadt und doch systematisiert. Das Energiekonzept berücksichtigt den Minergie-P-Standard beim Verbrauch, nicht aber bei der Hülle.

50 «JAMMERN AUF HOHEM NIVEAU»
Rahel Hartmann Schweizer, Judit Solt, Claudia Carle
Die Gebäudetechnik-Experten Werner Waldhauser und Kurt Hildebrand diskutieren über Vor- und Nachteile von Labels, alter-native Lösungsansätze und die Aufgabe von Fachpersonen dabei.

57 SIA
Baukulturelle Gleichgültigkeit | Beitritte zum SIA | Harmonisierung durch Baunormen | Vernehmlassung und Besichtigung

62 MESSE
An der diesjährigen «Hausbau- und Energiemesse» stellen gegen 400 Firmen aus.

66 PRODUKTE
Neu: mit Weihnachtsverlosung

89 IMPRESSUM

90 VERANSTALTUNGEN

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Weiterführende Links:
Verlags-AG der akademischen technischen Vereine

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