Zeitschrift

TEC21 2010|40
Mülimatt
TEC21 2010|40
zur Zeitschrift: TEC21
Verlag: Verlags-AG
Fährt man im Zug von Brugg in Richtung Zürich, öffnet sich einem linker Hand, kurz nach der Ausfahrt aus dem Bahnhof, der Blick auf die Mülimatt. Nachdem das Gebiet im Mittelalter in den Besitz des Klosters Königsfelden gelangt war, das bis 1716 die namengebende Mühle betrieb, wechselten sich industrielle Nutzungen ab. 1911 etwa wurde das Gaswerk gebaut und 1967 stillgelegt, ein Schlachthof wurde 2008 abgerissen. Heute liegt die Mülimatt inmitten der Industrie von Brugg und den Einfamilienhäusern von Windisch. Obwohl als Land-schaftsschutzzone ausgeschieden, war der Auencharakter des Gebiets nahezu gänzlich verschwunden.

Das nun fertig gestellte Sportausbildungszentrum Mülimatt und der dazugehörige Aaresteg stellen zwar einen erneuten Eingriff dar. Doch bot die Verpflichtung zum ökologischen Ausgleich die Chance, zum ersten Mal eine neue Zone der Nutzungsplanung zu realisieren – «Zone für ökologische Vernetzung, Naturerlebnis und nachhaltige Landwirtschaft» – und das Gebiet naturschützerisch aufzuwerten. Darin eingebunden, überbrückt der Aaresteg den Flusslauf in einer eleganten Wellenbewegung («Spannband über die Aare», S. 27ff.). Die Dachlandschaft der Sporthallen dagegen fügt sich nicht in das Naturkonzept ein und verweist doch auf Naturphänomene. Das aus 27 Rahmeneinheiten bestehende, vorfabrizierte Betonfaltwerk («Faltwerk aus Spannbeton», S. 23ff.) weckt vielfältige Assoziationen zur Na-turgeschichte: Das aussenliegende Skelett erinnert an fossile Krustentiere («Krustentier und Vogel», S.18ff.), die Verwerfungen gemahnen an einen vom Wasser erodierten Gesteinsblock.

Doch das Monolithische, die Einheit der Materie, bezieht sich auch auf das System – im Sinne von Auguste Perrets «abri souverain» –, mit dem sich Räume von immensen Dimensionen überspannen lassen, ob eine Fabrik, eine Kirche oder ein Hangar.[1] Das hat an Aktualität nichts eingebüsst, wie ein Blick auf den Wettbewerb der Bielersee Kraftwerke AG zeigt[2]: Das Maschinenhaus des zweitrangierten Projekts von Könz Molo Architekten und Tajana Fürst Laffranchi Ingegneria überspannte ein Betonfaltwerk, dessen genetischer Code mit jenem der Mülimatt verwandt war...
Rahel Hartmann Schweizer

Anmerkungen
[1] «Avec ce système, il est possible de couvrir des espaces, usines ou églises, [...].» Vgl. Jacques Lucan: Composition, non-composition: architecture et théories, XIXe–XXe siècles, S. 288. «[...] [l›église du Raincy]. Elle démontre l›efficacité de l›unité de matière. Édifier une église comme un hangar, [...].» Joseph Abram, «Auguste Perret, un intellectuel constructeur», Vortrag im Rahmen des Seminars «Auguste Perret: un artiste dans son temps», Hôtel de Ville, Le Havre, vom 28. November 2007
[2] «Wasserkraftwerk Hagneck», TEC21 16-17/2010, S. 14

05 WETTBEWERBE
Sportzentrum in Winterthur

12 MAGAZIN
Temporärer Holzcontainer

18 KRUSTENTIER UND VOGEL
Ein imposantes Betonfaltwerk überspannt die Sportanlage Mülimatt in Brugg/Windisch von Vacchini
Architekten. Die Falten changieren zwischen V- und -förmig und erzeugen ein optisches Paradox, eine Kippfigur. Rahel Hartmann Schweizer

23 FALTWERK AUS SPANNBETON
Fürst Laffranchi Bauingenieure zeichnen für das Faltwerk des neuen Sportausbildungszentrums Mülimatt verantwort-lich. Sie investierten viel in die Detaillierung des markanten Tragwerks, um ihm eine homogene Erscheinung zu geben. Clementine van Rooden

27 SPANNBAND ÜBER DIE AARE
Die Bauingenieure Conzett Bronzini Gartmann realisierten die mehrfeldrige Spannbandbrücke, die Windisch und Brugg über die Aare verbindet. Gianfranco Bronzini

33 SIA
Baukultur = öffentiches Interesse | Besser mit Architekturpolitik

36 PRODUKTE

37 WEITERBILDUNG

39 FIRMEN

45 IMPRESSUM

46 VERANSTALTUNGEN

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