Zeitschrift

TEC21 2011|22
Zeichen und Wunder
TEC21 2011|22
zur Zeitschrift: TEC21
Verlag: Verlags-AG
«Es geschehen noch Zeichen und Wunder» ist ein geflügeltes Wort, das auf biblische Quellen zurückgeht. Durch «Zeichen und Wunder» offenbarte sich Gott seinem Volk Israel. Der brennende Dornbusch, das Fanal zum Exodus, erschien, so wie im Tanach1 erzählt, Mose auf dem Berg Horeb, wo Gott ihm seinen Namen, JHWH, mitteilte.

Wunder bedürfen der Deutung, und diese nimmt die Form von Zeichen an. Das Wunder ist ohne die Zeichen nicht zu verstehen. In der jüdischen Tradition ist die Schrift mehr als nur eine Form des Zeichens, dem willkürlich eine Bedeutung zugeordnet wird. Die Schrift ist selbst das, was sie bezeichnet, die Buchstaben sind reale Objekte, die die Verbindung zu Gott herstellen. Der jüdische, in Serbien geborene Autor David Albahari lässt in «Die Ohrfeige» Menschengruppen auftreten, «die mit ihren Körpern die erforderlichen Gebete schreiben sollten», auf dass sie gerettet würden, «um in einem Prozess, in dem die Buchstaben durch Menschenleiber gebildet werden, einen Verteidigungsschild zu erschaffen»2. Die Schrift und die Thora bilden aber auch einen räumlichen Kontext. Die neue Synagoge in Mainz ist ein Raum, der einen solchen Schritt verkörpert («Symbol und Figuration»). Und sie ist Anschauung dessen, dass wir «ja im Prinzip auch Werke, welche eine semantische Strategie verfolgen, ‹atmosphärisch› erleben (könnten), die Zeichen haben ja auch ihre Materialität» («Zeichen und Atmosphären»). Worte, die nicht ihrer Form nach, sondern ihres Klangs wegen das sind, was sie bezeichnen, sind lautmalerisch. Sie bedürfen keiner Erklärung, evozieren per se eine Atmosphäre. Die meisten Begriffe aber bedürfen einer kulturellen Prägung, um mehr zu sein als Namen. «Madeleine» ist ein solcher Name. Für den Protagonisten in Marcel Prousts «Suche nach der verlorenen Zeit» aber beschwört er eine synästhetische Erinnerung der Stadt Combray in all ihren Einzelheiten herauf.3 Auf diese Weise funktioniert die Ausstellung «Theatergarten Bestiarium», ein Gesamtkunstwerk aus Architektur, Skulptur, Musik, Fotografie, Film und Theater («Multimediale Wunderkammer»). Es versöhnt «die semiotische Deutung der Zeichen und die synästhetische Wahrnehmung der Atmosphären», für die Ákos Moravánszky plädiert.
Rahel Hartmann Schweizer

05 WETTBEWERBE
Neues Stadtarchiv für Luzern | Eingang Agroscope Wädenswil

10 PERSÖNLICH
Rudolf Fässler: «Werte zu erhalten, begleitet mein Leben»

12 MAGAZIN
Umbau Konservatorium Bern | Sanierung und Aufstockung in Baden | Holz – Zwischenlager für CO2 | Geschichte der Denkmalpflege | Glasnost statt Kalter Krieg | Bücher

26 ZEICHEN UND ATMOSPHÄREN
Ákos Moravánszky Bedarf Architektur der interpretatorischen Deutung, oder soll sie rein intuitiv erfasst werden? Ein Plädoyer für eine Ver-söhnung von semiotischer Deutung der Zeichen und synästhetischer Wahrnehmung der Atmosphären.

29 SYMBOL UND FIGURATION
Christian Holl Die neue Synagoge in Mainz von Manuel Herz thematisiert die Beziehung zwischen Form und Inhalt, Symbol und Figuration und verweist auf ein heute oft ungenutztes architektonisches Ausdruckspotenzial.

34 MULTIMEDIALE WUNDERKAMMER
Rahel Hartmann Schweizer Die Ausstellung «Theatergarten Bestiarium» stachelt die Imagination an. Angefüllt mit Architektur, Skulptur, Mu-sik, Fotografie und Film ist sie atmosphärisch dicht und symbolisch verästelt.

42 SIA
Daniel Meyer: «Die Ordnung SIA 144 ist Realpolitik» | Verantwortung der Jury | Stärkere Öffnung des SIA

48 PRODUKTE

50 FIRMEN

51 WEITERBILDUNG

61 IMPRESSUM

62 VERANSTALTUNGEN

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Verlags-AG der akademischen technischen Vereine

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