Zeitschrift
tec21 2006|17-18
Wohnen im Alter
Die neue Grossmutter
Blümchentapeten, Häkeldeckchen, altrosa Polstergruppe, in der Sofaecke eine schwarze Katze: das Wohnzimmer eines strickenden Grosis mit Dutt und unendlich viel Zeit, den Enkeln von früher zu erzählen, vorzulesen, ihnen den Lieblingskuchen zu backen, kurz: für sie da zu sein. Wer unser Titelbild so oder ähnlich wahrgenommen hat, ist doppelt hereingefallen: auf die hintersinnige Puppenstubenwelt aus «12 rooms» von Irina Polin1 sowie auf die eigenen Projektionen, die mit unseren Familienstrukturen und der Alterswirklichkeit kaum mehr etwas gemein haben.
Denn die heutige Grossmutter ist eine viel beschäftigte, vielleicht gar noch berufstätige. Sie wohnt selten gleich um die Ecke, wo sie von den Enkeln spontan besucht werden könnte. Und wenn, ist sie möglicherweise da gar nicht anzutreffen – sie geht in die Ferien, ins Kino, zum Tanz, besucht die Volkshochschule: Ihr Alter ist finanziell abgesichert, sie kann einen gewissen Komfort und Unabhängigkeit geniessen. Und wenn der Moment kommt, wo ihr Körper nicht mehr mitmacht, der Verstand anfängt, ihr Streiche zu spielen, zügelt die Grossmutter (oder sie wird gezügelt) ins Alters- oder ins Pflegeheim, eine oft völlig fremde Umgebung. Jetzt hätte sie Zeit. Aber diese braucht niemand.
Derweil wachsen jeweils ein bis zwei Kinder in – oft überforderten – Klein(st)familien auf. Der Kontakt zu Grosseltern oder weiteren Familienmitgliedern beschränkt sich auf Feiertage und den einen oder andern Sonntag. Kaum ausreichend für eine tragende Beziehung. Nicht genug, um die Kinderwelt um jene der Grosseltern, deren Erfahrungen zu erweitern. Viel zu wenig, um dem Tod begegnen zu können und zu lernen, wie damit umzugehen wäre.
Aber der Soziologe und Altersforscher François Höpflinger ist überzeugt: Wer als älterer Mensch sein Interesse an den jüngeren Generationen aufrechterhält, bleibt im Geist länger jung. Und viele Kinder jeglichen Alters wünschen sich und brauchen Grosseltern (NZZ vom 29.2.2006).
Müssen es denn unbedingt die leiblichen sein? Und wie könnte ein vermehrtes, auch ausserfamiliäres Miteinander der Lebenswelten von Jungen und Alten aussehen? Welche baulichen Voraussetzungen sind zu berücksichtigen, dass Menschen in ihrer Wohnumgebung bleiben können, wenn sie alt und allenfalls pflegebedürftig werden? Auf den Seiten 5 bis 13 werden drei Projekte zum Miteinander der Generationen beschrieben. Ergänzt werden die Beiträge durch ein Planungsbeispiel zum Alterswohnen, das die Pflege mit einbezieht und bezüglich Kosten auf erstaunliche Ergebnisse kommt (Seite 14). Und schliesslich stellen wir ab Seite 16 ein Modell vor, das ermöglicht, Wohnen mit Blick auf eine bestimmte Nutzergruppe oder Bauten zu simulieren.
Katharina Möschinger
Barrierefrei und wandelbar
Martin Josephy
Anpassbare Wohnungen und ein Miteinander von Jung und Alt: die mit dem Age Award 2005 ausgezeichnete Genossenschaftssiedlung Steinacker in Zürich.
„Etwas langsamer rennen“
Uta Kranz
Im deutschen Halle an der Saale verknüpft das «Haus der Generationen» ein Alterspflegeheim, eine Schule und eine Beratungsstelle für Familien.
Jassrunde und Kindergeburtstag
Sibylle Hahner, Katinka Corts
Seit 2002 verbindet das Berner «Domicil Schönegg» die Senioren des Altersheimes und die Kinder der Tagesstätte unter einem Dach.
Dezentral heisst nicht teurer
Jürgen Wiegand
Zunehmende Pflegebedürftigkeit muss nicht zwingend Umsiedlung ins Altersheim bedeuten. Dezentrale Lösungen sind sinnvoll - und finanzierbar.
Alterswohnen simulieren
Heinz J. Bernegger
Die Hochschule Wädenswil simuliert die Entwicklung des Wohnens im Alter anhand einer Benutzergruppe und eines fiktiven Gebäudes.
Blickpunkt Wettbewerb
Neue Ausschreibungen und Preise / Kongresshaus Zürich: Das Projekt von Diener&Diener, das nicht gewonnen hat, aber das bestehenden Kongresshaus stehen lässt
Magazin
SANAA: Ausstellung zum Werk von Kazuyo Sejima und Ryue Nishizawa an der HTW Chur / Korrigenda / Leserbrief / ETH-Bibliothek sucht Jahrgänge von tec21/SI+A und Tracés/IAS
Aus dem SIA
Beitritte zum SIA im 1.Quartal 2006 / Gefährdungspotenzial bei Bauten, Anlagen und Industrieerzeugnissen / Qualitätskontrolle von Zement / Kurse
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Impressum
Veranstaltungen
Blümchentapeten, Häkeldeckchen, altrosa Polstergruppe, in der Sofaecke eine schwarze Katze: das Wohnzimmer eines strickenden Grosis mit Dutt und unendlich viel Zeit, den Enkeln von früher zu erzählen, vorzulesen, ihnen den Lieblingskuchen zu backen, kurz: für sie da zu sein. Wer unser Titelbild so oder ähnlich wahrgenommen hat, ist doppelt hereingefallen: auf die hintersinnige Puppenstubenwelt aus «12 rooms» von Irina Polin1 sowie auf die eigenen Projektionen, die mit unseren Familienstrukturen und der Alterswirklichkeit kaum mehr etwas gemein haben.
Denn die heutige Grossmutter ist eine viel beschäftigte, vielleicht gar noch berufstätige. Sie wohnt selten gleich um die Ecke, wo sie von den Enkeln spontan besucht werden könnte. Und wenn, ist sie möglicherweise da gar nicht anzutreffen – sie geht in die Ferien, ins Kino, zum Tanz, besucht die Volkshochschule: Ihr Alter ist finanziell abgesichert, sie kann einen gewissen Komfort und Unabhängigkeit geniessen. Und wenn der Moment kommt, wo ihr Körper nicht mehr mitmacht, der Verstand anfängt, ihr Streiche zu spielen, zügelt die Grossmutter (oder sie wird gezügelt) ins Alters- oder ins Pflegeheim, eine oft völlig fremde Umgebung. Jetzt hätte sie Zeit. Aber diese braucht niemand.
Derweil wachsen jeweils ein bis zwei Kinder in – oft überforderten – Klein(st)familien auf. Der Kontakt zu Grosseltern oder weiteren Familienmitgliedern beschränkt sich auf Feiertage und den einen oder andern Sonntag. Kaum ausreichend für eine tragende Beziehung. Nicht genug, um die Kinderwelt um jene der Grosseltern, deren Erfahrungen zu erweitern. Viel zu wenig, um dem Tod begegnen zu können und zu lernen, wie damit umzugehen wäre.
Aber der Soziologe und Altersforscher François Höpflinger ist überzeugt: Wer als älterer Mensch sein Interesse an den jüngeren Generationen aufrechterhält, bleibt im Geist länger jung. Und viele Kinder jeglichen Alters wünschen sich und brauchen Grosseltern (NZZ vom 29.2.2006).
Müssen es denn unbedingt die leiblichen sein? Und wie könnte ein vermehrtes, auch ausserfamiliäres Miteinander der Lebenswelten von Jungen und Alten aussehen? Welche baulichen Voraussetzungen sind zu berücksichtigen, dass Menschen in ihrer Wohnumgebung bleiben können, wenn sie alt und allenfalls pflegebedürftig werden? Auf den Seiten 5 bis 13 werden drei Projekte zum Miteinander der Generationen beschrieben. Ergänzt werden die Beiträge durch ein Planungsbeispiel zum Alterswohnen, das die Pflege mit einbezieht und bezüglich Kosten auf erstaunliche Ergebnisse kommt (Seite 14). Und schliesslich stellen wir ab Seite 16 ein Modell vor, das ermöglicht, Wohnen mit Blick auf eine bestimmte Nutzergruppe oder Bauten zu simulieren.
Katharina Möschinger
Barrierefrei und wandelbar
Martin Josephy
Anpassbare Wohnungen und ein Miteinander von Jung und Alt: die mit dem Age Award 2005 ausgezeichnete Genossenschaftssiedlung Steinacker in Zürich.
„Etwas langsamer rennen“
Uta Kranz
Im deutschen Halle an der Saale verknüpft das «Haus der Generationen» ein Alterspflegeheim, eine Schule und eine Beratungsstelle für Familien.
Jassrunde und Kindergeburtstag
Sibylle Hahner, Katinka Corts
Seit 2002 verbindet das Berner «Domicil Schönegg» die Senioren des Altersheimes und die Kinder der Tagesstätte unter einem Dach.
Dezentral heisst nicht teurer
Jürgen Wiegand
Zunehmende Pflegebedürftigkeit muss nicht zwingend Umsiedlung ins Altersheim bedeuten. Dezentrale Lösungen sind sinnvoll - und finanzierbar.
Alterswohnen simulieren
Heinz J. Bernegger
Die Hochschule Wädenswil simuliert die Entwicklung des Wohnens im Alter anhand einer Benutzergruppe und eines fiktiven Gebäudes.
Blickpunkt Wettbewerb
Neue Ausschreibungen und Preise / Kongresshaus Zürich: Das Projekt von Diener&Diener, das nicht gewonnen hat, aber das bestehenden Kongresshaus stehen lässt
Magazin
SANAA: Ausstellung zum Werk von Kazuyo Sejima und Ryue Nishizawa an der HTW Chur / Korrigenda / Leserbrief / ETH-Bibliothek sucht Jahrgänge von tec21/SI+A und Tracés/IAS
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