Zeitschrift
werk, bauen + wohnen 01/02-18
Grands Ensembles
Sie werden gehasst, gefürchtet und verachtet, von manchen auch wegen ihres kühnen Anspruchs wieder entdeckt: Grosssiedlungen der 1960er Jahre sind neu ins Blickfeld gerückt, denn manche werden gegenwärtig erneuert.
Grands Ensembles, die Strategie für den Massenwohnungsbau der Nachkriegszeit, blühten in den 1950er bis 1970er Jahren, bei ihrer Planung trafen Hoffnungen auf gesellschaftliche Erneuerung und administrative Technokratie zusammen. Seit den 1970er Jahren gerieten sie in die Kritik: Ihre Planung sei menschenfern; der abstrakte Blick von oben aufs Modell habe ihren Massstab bestimmt, und nicht die Perspektive der Bewohnerinnen und Bewohner, nicht die Ebene der Fussgänger, am wenigsten die der Kinder. Durch die einseitige Belegung mit Sozialwohnungen und den fehlenden Anschluss an die Stadt mutierten Grands Ensembles vielerorts in Europa zu Sonderwelten, eigentlichen Ghettos.
Wie ein Trauma wirken die Erfahrungen bis heute nach. Dabei fällt unter den Tisch, dass viele Grosssiedlungen, zumal in der Schweiz, durchaus mit ganzheitlichem Blick realisiert worden sind – mit Schulen, Läden, Gemeinschaftszentrum – so etwa das Tscharnergut in Bern oder das Telli in Aarau. Innen- und Aussenbild klaffen weit auseinander: Die Bewohner wissen das Wohnen in der Höhe, sogar die Anonymität zu schätzen. Grosssiedlungen sind für viele Menschen Heimat. Ihre Kritiker kennen die «Betonmonster» dagegen meist nur von Ferne. Vor einigen Jahren schlug der Planer Michael Koch vor, die Schlagworte der IBA Berlin 1987 «behutsame Erneuerung » und «kritische Rekonstruktion», als Methode auch auf Grosssiedlungen anzuwenden. Dazu braucht es zivilgesellschaftliche Strategien und urbanistische Massarbeit.
In diesem Heft blicken wir auf den heutigen Umgang mit den grossen Brocken von gestern. Wir bewegen uns zu Fuss durch Novi Beograd, stolze Zeugin der sozialistischen Utopie Jugoslawiens, jetzt weithin privatisiert und dem Zerfall preisgegeben. In der Amsterdamer Neustadt Bijlmermeer gelang eine kluge Instandsetzung unter Einbezug der Bewohner. Und drei Beispiele aus der Schweiz zeigen Potenziale einer Erneuerung – aber auch die Schwierigkeiten, wenn das Eigentum zersplittert ist und die Instandsetzung ebenso teuer wie ein Ersatz durch Neubauten.
Plan für ein besseres Leben
Geschichten aus Novi Beograd
Paula Sansano, Wolfgang Thaler
Stolzer Zeuge
Sanierung der Wohnüberbauung Kleiburg in Amsterdam von NL Architects und XVW architectuur
Paul Vermeulen
Muster oder Komposition?
Über die Aktualität von Grands Ensembles
Markus Peter im Gespräch mit Tibor Joanelly und Roland Züger
Rahmung der Landschaft
Sanierung Telli B und C Aarau durch Meili, Peter & Partner Architekten
Die Breite geht in die Verlängerung
Erweiterung Breite-Hochhäuser in Basel durch Morger Partner
Pilotprojekt im Anflug
Erneuerung der Überbauung Hohrainli Kloten
Gegen Treu und Glauben
Kulturkampf um das Berner Tscharnergut
Zudem:
werk-notiz: Maria Pomiansky stellt für unser Heft dies Jahr ihre Staffelei unter freiem Himmel auf. Hier stellen wir die Malerin vor. Ausserdem: Wir starten eine Leserumfrage – machen Sie mit!
Debatte: In der Peripherie taugen statt Rezepten nur massgeschneiderte Planungsansätze. Winterthurs ehemaliger Stadtbaumeister Michael
Hauser antwortet auf Jürg Sulzers Beitrag Stadtquartiere statt Siedlungen in Heft 11–2017.
Wettbewerb: Die Stadt Genf soll für 260 Millionen Franken einen neuen Konzertsaal erhalten. Städtebauliche Situation und Raumprogramm waren in diesem Verfahren so diffus wie komplex, denn es galt, auch eine Musikschule auf dem Parkgrundstück unterzubringen.
Recht: Kann man Grundeigentümer zum Bauen zwingen? Dominik Bachmann erörtert knifflige Fragen zum neuen Gesetz gegen die «Baulandhortung».
Bücher: Drei Bücher zum Wohnen: Daniel Kurz bespricht drei ganz verschiedene Neuerscheinungen von Dominique Boudet, von Christoph Wieser und Heinz Wirz sowie der Wüstenrot-Stiftung zum jüngeren Wohnungsbau. Dabei geht es um Grundrissinnovation, um soziale und um städtebauliche Praxis.
Ausstellungen: In Nürnberg veranschaulichen Muriel Hladik und Axel Sowa die Bedeutung des Teehauses für die aktuelle japanische Architektur, und in Salzburg zeigt Walter Niedermayr eine fotografische Recherche zu Kultur und Ort im Fleimstal in Trentino-Südtirol.
Nachruf: Hans Peter Baur, 1922 – 2017
Kolumne: Architektur ist ... ein virtueller Horrortrip
Inszenierte Ausblendung: Manuel Herz baute im Garten einer Zürcher Villa im Seefeld ein Wohnhaus gehobenen Standards. Halb Skulptur und halb Maschine, gibt es mit einer beweglichen Fassade den Hintergrund für die umtriebige Kunststiftung in der Nachbarvilla und sichert über seine Rendite deren Betrieb.
Hochschule als Stadtlabor: Im Süden von Paris entsteht zwischen Feldern ein neuer Stadtteil der Forschung. Den zentralen Platz prägen zwei Bauten von OMA / Rem Koolhaas und Gigon / Guyer. Beide verorten das Lernen, Lehren und Experimentieren in einer hyperurbanen Umgebung von ganz unterschiedlichem Zuschnitt.
werk-material 706: Crèche à La Chapelle-Les Sciers in Lancy, GE von Lacroix Chessex SA, Genève
werk-material 707: Crèche Origami in Genève von group8 sàrl, Genf-Sécheron
Grands Ensembles, die Strategie für den Massenwohnungsbau der Nachkriegszeit, blühten in den 1950er bis 1970er Jahren, bei ihrer Planung trafen Hoffnungen auf gesellschaftliche Erneuerung und administrative Technokratie zusammen. Seit den 1970er Jahren gerieten sie in die Kritik: Ihre Planung sei menschenfern; der abstrakte Blick von oben aufs Modell habe ihren Massstab bestimmt, und nicht die Perspektive der Bewohnerinnen und Bewohner, nicht die Ebene der Fussgänger, am wenigsten die der Kinder. Durch die einseitige Belegung mit Sozialwohnungen und den fehlenden Anschluss an die Stadt mutierten Grands Ensembles vielerorts in Europa zu Sonderwelten, eigentlichen Ghettos.
Wie ein Trauma wirken die Erfahrungen bis heute nach. Dabei fällt unter den Tisch, dass viele Grosssiedlungen, zumal in der Schweiz, durchaus mit ganzheitlichem Blick realisiert worden sind – mit Schulen, Läden, Gemeinschaftszentrum – so etwa das Tscharnergut in Bern oder das Telli in Aarau. Innen- und Aussenbild klaffen weit auseinander: Die Bewohner wissen das Wohnen in der Höhe, sogar die Anonymität zu schätzen. Grosssiedlungen sind für viele Menschen Heimat. Ihre Kritiker kennen die «Betonmonster» dagegen meist nur von Ferne. Vor einigen Jahren schlug der Planer Michael Koch vor, die Schlagworte der IBA Berlin 1987 «behutsame Erneuerung » und «kritische Rekonstruktion», als Methode auch auf Grosssiedlungen anzuwenden. Dazu braucht es zivilgesellschaftliche Strategien und urbanistische Massarbeit.
In diesem Heft blicken wir auf den heutigen Umgang mit den grossen Brocken von gestern. Wir bewegen uns zu Fuss durch Novi Beograd, stolze Zeugin der sozialistischen Utopie Jugoslawiens, jetzt weithin privatisiert und dem Zerfall preisgegeben. In der Amsterdamer Neustadt Bijlmermeer gelang eine kluge Instandsetzung unter Einbezug der Bewohner. Und drei Beispiele aus der Schweiz zeigen Potenziale einer Erneuerung – aber auch die Schwierigkeiten, wenn das Eigentum zersplittert ist und die Instandsetzung ebenso teuer wie ein Ersatz durch Neubauten.
Plan für ein besseres Leben
Geschichten aus Novi Beograd
Paula Sansano, Wolfgang Thaler
Stolzer Zeuge
Sanierung der Wohnüberbauung Kleiburg in Amsterdam von NL Architects und XVW architectuur
Paul Vermeulen
Muster oder Komposition?
Über die Aktualität von Grands Ensembles
Markus Peter im Gespräch mit Tibor Joanelly und Roland Züger
Rahmung der Landschaft
Sanierung Telli B und C Aarau durch Meili, Peter & Partner Architekten
Die Breite geht in die Verlängerung
Erweiterung Breite-Hochhäuser in Basel durch Morger Partner
Pilotprojekt im Anflug
Erneuerung der Überbauung Hohrainli Kloten
Gegen Treu und Glauben
Kulturkampf um das Berner Tscharnergut
Zudem:
werk-notiz: Maria Pomiansky stellt für unser Heft dies Jahr ihre Staffelei unter freiem Himmel auf. Hier stellen wir die Malerin vor. Ausserdem: Wir starten eine Leserumfrage – machen Sie mit!
Debatte: In der Peripherie taugen statt Rezepten nur massgeschneiderte Planungsansätze. Winterthurs ehemaliger Stadtbaumeister Michael
Hauser antwortet auf Jürg Sulzers Beitrag Stadtquartiere statt Siedlungen in Heft 11–2017.
Wettbewerb: Die Stadt Genf soll für 260 Millionen Franken einen neuen Konzertsaal erhalten. Städtebauliche Situation und Raumprogramm waren in diesem Verfahren so diffus wie komplex, denn es galt, auch eine Musikschule auf dem Parkgrundstück unterzubringen.
Recht: Kann man Grundeigentümer zum Bauen zwingen? Dominik Bachmann erörtert knifflige Fragen zum neuen Gesetz gegen die «Baulandhortung».
Bücher: Drei Bücher zum Wohnen: Daniel Kurz bespricht drei ganz verschiedene Neuerscheinungen von Dominique Boudet, von Christoph Wieser und Heinz Wirz sowie der Wüstenrot-Stiftung zum jüngeren Wohnungsbau. Dabei geht es um Grundrissinnovation, um soziale und um städtebauliche Praxis.
Ausstellungen: In Nürnberg veranschaulichen Muriel Hladik und Axel Sowa die Bedeutung des Teehauses für die aktuelle japanische Architektur, und in Salzburg zeigt Walter Niedermayr eine fotografische Recherche zu Kultur und Ort im Fleimstal in Trentino-Südtirol.
Nachruf: Hans Peter Baur, 1922 – 2017
Kolumne: Architektur ist ... ein virtueller Horrortrip
Inszenierte Ausblendung: Manuel Herz baute im Garten einer Zürcher Villa im Seefeld ein Wohnhaus gehobenen Standards. Halb Skulptur und halb Maschine, gibt es mit einer beweglichen Fassade den Hintergrund für die umtriebige Kunststiftung in der Nachbarvilla und sichert über seine Rendite deren Betrieb.
Hochschule als Stadtlabor: Im Süden von Paris entsteht zwischen Feldern ein neuer Stadtteil der Forschung. Den zentralen Platz prägen zwei Bauten von OMA / Rem Koolhaas und Gigon / Guyer. Beide verorten das Lernen, Lehren und Experimentieren in einer hyperurbanen Umgebung von ganz unterschiedlichem Zuschnitt.
werk-material 706: Crèche à La Chapelle-Les Sciers in Lancy, GE von Lacroix Chessex SA, Genève
werk-material 707: Crèche Origami in Genève von group8 sàrl, Genf-Sécheron
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