Zeitschrift
werk, bauen + wohnen 09-18
Ersatzwohnbau
Zürich baut sich neu: In den Wohnquartieren sind Siedlungen zu Dutzenden abgebrochen und – in oft herausragender Qualität – neu erstellt worden; das ganze Stadtgebiet ist mittlerweile gesprenkelt mit Ersatzneubauten jeder Grösse. Der Ersatzwohnbau beschleunigt die soziale Umwälzung in der Stadt: Die Bevölkerung wird jünger und kinderreicher; sozial schwächere Gruppen haben das Nachsehen.
Eine ganze Wohnsiedlung neu konzipieren zu können, ist eine Herausforderung von städtebaulicher Dimension, die im Vergleich zu kleinteiligerem Immobilienbesitz einmalige Potenziale bietet. Dieser Planungsspielraum wird in Zürich jedoch noch zu wenig genutzt, denn bislang macht die Planung fast immer an der Arealgrenze Halt. Die Strasse, und damit die Stadt, liegt in dieser Perspektive am Rand des Perimeters – aus städtebaulicher Sicht müsste es gerade umgekehrt sein! Doch für einen Blick, der Verdichtung auch als Verstädterung akzeptieren würde, fehlen die bau- und planungsrechtlichen Voraussetzungen. Solange jede neue Siedlung als Insel in einem unüberschaubaren Archipel geplant wird, kann sich an der Vernachlässigung des grösseren Ganzen nichts ändern.
Wir plädieren dafür, den planerischen Horizont künftig massiv zu erweitern: Warum werden für Quartiere im Wandel nicht Planungszonen erlassen, die eine gewisse Koordination der Einzelprojekte ermöglichen? Und sind all die Bauvorschriften aus der Epoche des Gartenstadtdenkens – Vorgartenbaulinien, Abstandsregeln, Mehrlängenzuschläge – heute noch zeitgemäss? Beengen sie die Spielräume bei den geforderten Dichten nicht zu sehr auf Kosten brauchbarer Freiräume? Und was wäre, wenn Quartierstrassen von Fassade zu Fassade, mit Einschluss der heutigen Vorgärten, als öffentliche Freiräume gestaltet würden? In den kommenden zwanzig Jahren sollte es darum gehen, nicht nur starke Siedlungen, sondern starke Stadtquartiere entstehen zu lassen. Da bleibt noch viel zu tun.
Und wir erinnern: Ein grosser Teil der alten, inzwischen preiswerten Wohnungsbestände wird auch längerfristig dringend benötigt. Damit junge und ältere Menschen oder Kleinverdiener weiterhin in der Stadt Platz finden. Es ist zu wünschen, dass sanfte Instandsetzungen ohne Komfortverbesserung wieder häufiger ernsthaft geprüft werden – sonst verliert die Stadt allmählich ihre Diversität und damit ihre Seele.
Halbherzige Verstädterung
20 Jahre Ersatzneubau in Zürich: Eine Zwischenbilanz
Daniel Kurz
Jung und gebildet
Wohnersatzbau fördert den Bevölkerungswandel
Urs Rey, Stefanie Jörg, Statistik Stadt Zürich (Zahlen und Grafiken)
Ersatzneubauten seit 2000
Schlucht in der Stadt
Triemli 1 von HLS Architekten
Der feine Unterschied
Eyhof von Adrian Streich Architekten
Kopf am Platz
Bombach von Steib & Geschwentner Architekten
Grosshof statt Landizeilen
Buchegg von Duplex Architekten
Umgekehrter Mäander
Schönauring von Knapkiewicz Fickert Architekten
Zudem:
werk-notiz: Ein junges Team hat in Zürich den Wettbewerb Guggach 3 gewonnen – werk, bauen + wohnen verliert dadurch Tanja Reimer als freie Mitarbeiterin für die Rubrik Wettbewerb.
Debatte: Alois Diethelm kritisiert anhand der Erneuerung eines Geschäftshauses am Zürcher Bleicherweg durch Meier Hug einen irritierenden Drang von Architekten, Stadtreparatur zu betreiben. Beim Umbau von Altbauten werde mit Neubaumethoden entworfen und an den Ort gedacht, aber nicht das Haus befragt.
Wettbewerb: Rolf Mühlethaler gewinnt mit Christoph Schläppi den Wettbewerb für die Entwicklung des Areals Industriestrasse in Luzern. Sein Erfolgsrezept, das kurz zuvor auch bei der Arealentwicklung «Weyermannshaus West» in Bern stach, heisst: «Die sanierte Stadt».
Recht: Die neue SIA-Schiedsordnung verspricht eine zeitliche Straffung, eine effizientere Vergleichsfindung und weniger Aufwand für die Parteien, erklärt Patrick Middendorf.
Bücher: Die Schweiz liebt ihren Beton, und die Welt beneidet uns um die Kunstfertigkeit, mit der er hierzulande verbaut wird. Mit ihrem Buch Made of Beton legen die ETH-Dozenten Daniel Mettler und Daniel Studer ein neues Standardwerk zum Betonkult vor. Dazu der Hinweis auf den letzten Paukenschlag vor der Emeritierung des ETHStadtplanungsprofessors Kees Christiaanse: Noise Landscape widmet sich dem Thema der Stadtentwicklung rund um Flughäfen.
Ausstellungen: Als eine Schule der analytischen Wahrnehmung beschreibt Urs Primas in seiner überaus lesenswerten Kritik die Ausstellung über André Corboz in Mendrisio.
Kolumne: Architektur ist ... abgeschminkt
Kunst der kleinen Differenz: Mit dem neuen Musikhaus haben Giuliani Hönger auf dem Berner vonRoll-Areal einen weiteren Umbau realisiert. Ihre Eingriffe erzeugen mit dem Bestand einen Zusammenklang der feinen Differenzen.
Hochseeschifffahrt in der Altstadt: Mit der Wiederherstellung des historischen Werkhofs in der Freiburger Unterstadt erzählen Bakker Blanc Architekten eine Geschichte von Werften und der Schifffahrt, die weit hergeholt scheint, aber tatsächlich viel mit der Geschichte des Baus zu tun hat. Entstanden ist ein Bau von hoher atmosphärischer Intensität.
werk-material: Campus Schwarzsee von 0815 Architekten, Freiburg
werk-material: Jugendherberge Bern von Aebi & Vincent Architekten, Bern
Eine ganze Wohnsiedlung neu konzipieren zu können, ist eine Herausforderung von städtebaulicher Dimension, die im Vergleich zu kleinteiligerem Immobilienbesitz einmalige Potenziale bietet. Dieser Planungsspielraum wird in Zürich jedoch noch zu wenig genutzt, denn bislang macht die Planung fast immer an der Arealgrenze Halt. Die Strasse, und damit die Stadt, liegt in dieser Perspektive am Rand des Perimeters – aus städtebaulicher Sicht müsste es gerade umgekehrt sein! Doch für einen Blick, der Verdichtung auch als Verstädterung akzeptieren würde, fehlen die bau- und planungsrechtlichen Voraussetzungen. Solange jede neue Siedlung als Insel in einem unüberschaubaren Archipel geplant wird, kann sich an der Vernachlässigung des grösseren Ganzen nichts ändern.
Wir plädieren dafür, den planerischen Horizont künftig massiv zu erweitern: Warum werden für Quartiere im Wandel nicht Planungszonen erlassen, die eine gewisse Koordination der Einzelprojekte ermöglichen? Und sind all die Bauvorschriften aus der Epoche des Gartenstadtdenkens – Vorgartenbaulinien, Abstandsregeln, Mehrlängenzuschläge – heute noch zeitgemäss? Beengen sie die Spielräume bei den geforderten Dichten nicht zu sehr auf Kosten brauchbarer Freiräume? Und was wäre, wenn Quartierstrassen von Fassade zu Fassade, mit Einschluss der heutigen Vorgärten, als öffentliche Freiräume gestaltet würden? In den kommenden zwanzig Jahren sollte es darum gehen, nicht nur starke Siedlungen, sondern starke Stadtquartiere entstehen zu lassen. Da bleibt noch viel zu tun.
Und wir erinnern: Ein grosser Teil der alten, inzwischen preiswerten Wohnungsbestände wird auch längerfristig dringend benötigt. Damit junge und ältere Menschen oder Kleinverdiener weiterhin in der Stadt Platz finden. Es ist zu wünschen, dass sanfte Instandsetzungen ohne Komfortverbesserung wieder häufiger ernsthaft geprüft werden – sonst verliert die Stadt allmählich ihre Diversität und damit ihre Seele.
Halbherzige Verstädterung
20 Jahre Ersatzneubau in Zürich: Eine Zwischenbilanz
Daniel Kurz
Jung und gebildet
Wohnersatzbau fördert den Bevölkerungswandel
Urs Rey, Stefanie Jörg, Statistik Stadt Zürich (Zahlen und Grafiken)
Ersatzneubauten seit 2000
Schlucht in der Stadt
Triemli 1 von HLS Architekten
Der feine Unterschied
Eyhof von Adrian Streich Architekten
Kopf am Platz
Bombach von Steib & Geschwentner Architekten
Grosshof statt Landizeilen
Buchegg von Duplex Architekten
Umgekehrter Mäander
Schönauring von Knapkiewicz Fickert Architekten
Zudem:
werk-notiz: Ein junges Team hat in Zürich den Wettbewerb Guggach 3 gewonnen – werk, bauen + wohnen verliert dadurch Tanja Reimer als freie Mitarbeiterin für die Rubrik Wettbewerb.
Debatte: Alois Diethelm kritisiert anhand der Erneuerung eines Geschäftshauses am Zürcher Bleicherweg durch Meier Hug einen irritierenden Drang von Architekten, Stadtreparatur zu betreiben. Beim Umbau von Altbauten werde mit Neubaumethoden entworfen und an den Ort gedacht, aber nicht das Haus befragt.
Wettbewerb: Rolf Mühlethaler gewinnt mit Christoph Schläppi den Wettbewerb für die Entwicklung des Areals Industriestrasse in Luzern. Sein Erfolgsrezept, das kurz zuvor auch bei der Arealentwicklung «Weyermannshaus West» in Bern stach, heisst: «Die sanierte Stadt».
Recht: Die neue SIA-Schiedsordnung verspricht eine zeitliche Straffung, eine effizientere Vergleichsfindung und weniger Aufwand für die Parteien, erklärt Patrick Middendorf.
Bücher: Die Schweiz liebt ihren Beton, und die Welt beneidet uns um die Kunstfertigkeit, mit der er hierzulande verbaut wird. Mit ihrem Buch Made of Beton legen die ETH-Dozenten Daniel Mettler und Daniel Studer ein neues Standardwerk zum Betonkult vor. Dazu der Hinweis auf den letzten Paukenschlag vor der Emeritierung des ETHStadtplanungsprofessors Kees Christiaanse: Noise Landscape widmet sich dem Thema der Stadtentwicklung rund um Flughäfen.
Ausstellungen: Als eine Schule der analytischen Wahrnehmung beschreibt Urs Primas in seiner überaus lesenswerten Kritik die Ausstellung über André Corboz in Mendrisio.
Kolumne: Architektur ist ... abgeschminkt
Kunst der kleinen Differenz: Mit dem neuen Musikhaus haben Giuliani Hönger auf dem Berner vonRoll-Areal einen weiteren Umbau realisiert. Ihre Eingriffe erzeugen mit dem Bestand einen Zusammenklang der feinen Differenzen.
Hochseeschifffahrt in der Altstadt: Mit der Wiederherstellung des historischen Werkhofs in der Freiburger Unterstadt erzählen Bakker Blanc Architekten eine Geschichte von Werften und der Schifffahrt, die weit hergeholt scheint, aber tatsächlich viel mit der Geschichte des Baus zu tun hat. Entstanden ist ein Bau von hoher atmosphärischer Intensität.
werk-material: Campus Schwarzsee von 0815 Architekten, Freiburg
werk-material: Jugendherberge Bern von Aebi & Vincent Architekten, Bern
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