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werk, bauen + wohnen 05-19
Fügen in Holz
werk, bauen + wohnen 05-19
zur Zeitschrift: werk, bauen + wohnen
Es begegnen sich zwei Menschen: Unter günstigen Umständen fügt sich daraus eine Beziehung, die beide verändert. Oder: Es begegnen sich zwei Fahrzeuge; kommen sie sich zu nahe, entsteht Sachschaden. In der Sprache der Philosophie gesagt: Treten zwei Objekte in Verbindung, so kann ein drittes Objekt entstehen, das wiederum auf die ersten zwei zurückwirkt. Dabei spielt es keine Rolle, ob dieses dritte Objekt materiell ist oder abstrakt. Mit dem Fügen im Holzbau verhält es sich ähnlich: Finden zwei Stäbe zueinander, so werden diese stets verändert, und der resultierende «Knoten» ist mehr als die ihn bestimmenden Elemente. Dies gilt ganz gleich für zimmermanns- wie ingenieurmässige Verbindungen. Selbst wenn ein Knoten nur durch die Bearbeitung der Stabenden entstanden ist, so liegt mit der neuen «Verbindung» eine dritte, neue Einheit vor. Diesem Umstand hat die Moderne nur einseitig zugunsten des Knotens Rechnung getragen. Es scheint fast so, als hätte ihr Interesse am «Gegenständlichen» die Dinge eher voneinander isoliert als einander nähergebracht: Zwischen den Knoten wurde es leer. Natürlich kennt die Moderne auch andere Beispiele. So hat etwa Jean Prouvé, der französische Meister der in Form gepressten Bleche, das obige Prinzip der rückwirkenden Vermehrung verinnerlicht. Seine Entwürfe sind Lehrstücke in Bezug auf die gegenseitige Adaptation und formale Durchdringung von Bauelementen. Es dauerte fast ein halbes Jahrhundert, bis ein so hoher Grad der Integration wieder erreicht werden konnte; an die Stelle von Metallblechen sind allerdings Holzstäbe getreten. Dank CNC-gesteuerter Fertigung und angesichts CO₂-minimierter Budgets fällt auf, dass Holzverbindungen zunehmend plastische Qualitäten annehmen, der handwerklichen Formgebung nicht unähnlich. Es sind neben den Knoten im Baugewebe wieder auch die Stäbe, welche die Aufmerksamkeit der Konstrukteure einfordern. Dass die Kräfte, die in komplexen Verbindungen wirken, auch die Stäbe formen, zeigen sehr schön die verzogenen Querschnitte der Dachbalken im Firmensitz der Max Felchlin AG von Meili, Peter & Partner, der uns zu diesem Heft inspiriert hat. Mitten in der Auseinandersetzung mit diesem Leitbau erreichte uns die Nachricht von Marcel Meilis Tod. Sein Werk würdigen wir in der nächsten Ausgabe.

Japan zwischen Bergen
Firmensitz Max Felchlin in Ibach von Meili, Peter & Partner
Tibor Joanelly, Georg Aerni (Bilder)

Tendenz zur Konzentration
Technische Evolution und architektonische Potenziale
Markus Peter

Fliegende Balken
Hebelstabbrücken in China
Udo Thönnissen

Schönheit der Effizienz
Haus in Morumbí von Hélio Olga und Marcos Acayaba
Annette Spiro, Nelson Kon (Bilder)

Lose geknüpft
Konrad Wachsmanns Grapevine Structure im Realitäts-Test
Tibor Joanelly

Poetik der Verbindung
Wirkungsweisen und Herstellungstechniken im japanischen und europäischen Handwerk
Uli Matthias Herres

Zudem:
werk-notiz: Der Gebäudepark Schweiz ist klimafreundlicher geworden – trotzdem kann die Schweiz ihre CO2-Ziele bei weitem nicht einlösen. Immer wichtiger wird der Anteil des Verkehrs.
Debatte: Die Untersuchung einer Zürcher Siedlung mit zwei Lüftungskonzepten zeigt, dass die Komfortlüftung im Vergleich zur Fensterlüftung sowohl ökologisch wie auch finanziell deutlich schlechter abschneidet.
Wettbewerb: Die Stadt Bern plant auf dem Viererfeld den Bau eines neuen Quartiers. Der städtebauliche Wettbewerb hat ein Projekt hervorgebracht, das die losen Enden der Stadt präzise miteinander verknüpft.
Ausstellungen: Im von Brauen Wälchli umgebauten Musée historique in Lausanne werden das Gebäude und seine Umgebung zu Exponaten. In Zürich bietet eine neue Ausstellung im Landesmuseum Ersatz für ein Stadtmuseum. Und die Materialsammlung der ETH Zürich zeigt Holzverbindungen – Ausdruck tektonischer Kultur.
Bücher: Kann, darf oder muss Architektur politisch sein? Aus einer Diskussion an der Architekturuniversität Luxemburg ist das Buch Architecture between Aesthetics and Politics enstanden, das zum Nachdenken über die eigene Position anregt. Sowie: ein bereichernder Longread von Irénée Scalbert und ein Typologiewälzer von Andreas Lechner.
Nachrufe: François Maurice (1925 – 2019), Irma Noseda (1946 – 2019)
Selbstbewusst dank Grundbesitz: Der dritte Teil dieses Hefts blickt auf Biel. Zum Einstieg eine Velotour durch eine Stadt, in der viel gebaut wird und die sich entlang einem Flussraum neu programmiert.
Zwanzig mal sanfter: Echter als echt: Eine Bieler Architektengruppe hat das 1959 von Max Schlup erbaute Farelhaus erworben, wieder hergestellt und zu einem urbanen Treffpunkt gemacht.
Grüne Nachkriegsmoderne: Jürg Grasers Sanierung des Hochhauses La Champagne von Walter Schwaar beweist, dass Substanzerhalt und energetische Ertüchtigung weder unvereinbar noch unbezahlbar sind.
werk-material: Atelierturm in Biel von 0815 Architekten
werk-material: Wohnsiedlung Wasen in Biel von Joliat Suter und Lars Mischkulnig

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Verlag Werk AG

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