Zeitschrift
werk, bauen + wohnen 09-24
Mitten im Dorf
Auf dem Dorf, da ist die Welt in Ordnung. Man kennt sich, man grüsst sich und wenn nötig, hilft man sich. So lautet der weit verbreitete Tenor über den Unterschied zum anonymen Leben in der Stadt. Das Leben im Dorf bringt Gemeinschaft und Nähe, ob man will oder nicht.
Doch um sich zu kennen und zu grüssen, muss man sich begegnen können. Auch auf dem Dorf ist das nicht mehr so einfach. Vielerorts verschwinden die dörflichen Treffpunkte von früher – die Dorfbeiz, der Dorfladen oder der Postschalter. Sie verschieben sich in grössere Ortschaften oder gleich ins Digitale. Die neuen Wege führen aus dem Dorf hinaus, Pendlerinnen und Pendler strömen in die Städte, zur Arbeit oder in die Schule, nur um abends am Dorfrand in ihren Häuschen zu verschwinden. Der Weg ins Dorf wird seltener in Angriff genommen, die Mitte leidet und bedarf der Zuwendung. Das Oberwalliser Dorf Stalden (S. 6) und das hochsavoyische Scionzier (S. 19) gehen hier mit gutem Beispiel voran. Ihre Zentren statten sie mit neuen Qualitäten aus, sie schaffen Raum für Begegnungen im Grossen und im Kleinen: am rauschenden Fest, aber auch beim spontanen Schwatz in der Nachbarschaft.
Ausserdem bestätigt die Recherche zu diesem Heft: Das Dorf gibt es nicht. Obwohl vielerorts ähnliche Kräfte wirken, unterscheiden sich die Dorf realitäten und damit auch die Handlungsfelder. Im Freiburgerland warten leerstehende Landwirtschaftsbauten auf neue Nutzungen. Das junge Büro Bard Yersin verwandelt sie in Wohnungen, im Örtchen Romanens erweitern sie eine Käserei, die die Landwirtschaft im Ort sichtbar macht und weiterhin zum Kauf lokaler Produkte einlädt (S. 12). In Berlingen kollidiert der Wille zu verdichten mit dem schützenswerten Ortsbild, regelmässig scheitern Bauanträge an ISOSVorgaben. Wir baten den Gemeindepräsidenten zum Erfahrungsaustausch mit der Ressortleiterin Bau der Wakkerpreis Gemeinde Sempach an einen Tisch (S. 30). Im Gespräch erfuhren wir vom Berlinger Sonderweg und dass aus den strikten Vorgaben neue Lösungen entstehen können, die trotz aller Unterschiede für viele Dörfer wegweisend werden könnten.
Den Dorfkern neu erfinden
Dorfzentrum in Stalden von Atelier Summermatter Ritz
Jasmin Kunst, Phil Bucher (Bilder)
Moitié-moitié
Ein Ausflug ins Freiburgerland zu Bauten von Bard Yersin architectes
François Esquivié, David Bard (Bilder)
Markt, Musik und Memoiren
Platzgestaltung und zwei öffentliche Bauten im französischen Scionzier von Archiplein
Rahel Hartmann Schweizer, 11h45, Aurélien Poulat (Bilder)
Mitten ins Herz
Weiterbauen an der dörflichen Dichte in Sachseln von Seiler Linhart mit Freiraumarchitektur
Gerold Kunz, Rasmus Norlander (Bilder)
Entwickeln, was schon gut ist
Erfahrungsaustausch zwischen Sempach und Berlingen
Mary Sidler und Ueli Oswald im Gespräch mit Christoph Ramisch und Roland Züger
Zudem:
werk-notiz: Der Dresdner Semperpreis geht in die Schweiz. Die Jury würdigt den Architekten Roger Boltshauser: seine Widerstandskraft gegen kurzlebige Trends, seine innovativen Energiekonzepte und seine Verwendung nachhaltiger Baumaterialien auch in grossen und komplexen Projekten.
Debatte: Grundrissgeneratoren, Bild und Städtebausoftwares – die künstliche Intelligenz ist auch in der Architektur angekommen. In der Praxis bewähren sich aber erst ganz wenige Programme. Lukas Gruntz hat sie mit Studierenden an der FHNW getestet und zieht ein erstes Fazit.
Wettbewerb: Viele SAC-Hütten entsprechen heutigen Hygiene-, Sicherheits- und Brandschutzanforderungen nicht mehr. Allein 2023 schrieb der Alpen-Club deshalb neun Verfahren für Sanierungen und Erweiterungen aus. Sonja Huber bespricht anhand zweier Wettbewerbe – zur Cabane de Susanfe und zur Oberaletschhütte – die schwierige Gratwanderung zwischen Landschaftsschutz und Komfortansprüchen.
Ausstellungen: Mit der Schau Design für alle? Vielfalt als Norm widmet sich das Museum für Gestaltung in Zürich dem inklusiven Design. Wer in Berlin weilt, kann in der Tchoban Foundation Zeichnungen von Lina Bo Bardi bestaunen, am Genfersee eröffnete die Ausstellung Lausanne Jardins 2024.
Bücher: Die beiden Autoren der Reihe Besser – Weniger – Anders Bauen zeigen echte Handlungsalternativen fürs Bauen auf. Marc Angélil las begeistert. Die Redaktion empfiehlt zudem zwei weitere Bücher: zum Weiterbauen von Albert Kirchengast und über Malans von Köbi Gantenbein.
Junge Architektur Schweiz: Steiger Spielmann: Es muss nicht immer ein Ersatzneubau sein. Mit der sorgfältigen Analyse eines bestehenden Einfamilienhauses aus den 1970er Jahren überzeugten Steiger Spielmann ihre Bauherrschaft von einem Umbau.
Entrückt und haptisch zugleich: Der Bau der neuen Halle 1 für die Olma in St. Gallen erforderte ingenieurtechnische Agilität, denn sie steht über der Autobahn. Von aussen wirkt der Baukörper, entworfen von Ilg Santer, nüchtern und abstrakt, im Innern öffnet sich dennoch ein beeindruckendes Raumerlebnis.
In Resonanz mit der Stadt: Viele Köpfe wurden zusammengesteckt für den Entwurf der Architekturschule Institut Méditerranéen de la Ville et des Territoires in Marseille. NP2F, Marion Bernard, Point Supreme und Jacques Lucan entwickelten eine offene Struktur, die nicht nur mitten in der Stadt steht, sondern auch selbst ein Stück Stadt bildet.
werk-material: Ferme de la Gavotte in Grand-Lancy GE von BCR architectes
werk-material: Weingut Obrecht in Jenins GR von Bearth & Deplazes
Doch um sich zu kennen und zu grüssen, muss man sich begegnen können. Auch auf dem Dorf ist das nicht mehr so einfach. Vielerorts verschwinden die dörflichen Treffpunkte von früher – die Dorfbeiz, der Dorfladen oder der Postschalter. Sie verschieben sich in grössere Ortschaften oder gleich ins Digitale. Die neuen Wege führen aus dem Dorf hinaus, Pendlerinnen und Pendler strömen in die Städte, zur Arbeit oder in die Schule, nur um abends am Dorfrand in ihren Häuschen zu verschwinden. Der Weg ins Dorf wird seltener in Angriff genommen, die Mitte leidet und bedarf der Zuwendung. Das Oberwalliser Dorf Stalden (S. 6) und das hochsavoyische Scionzier (S. 19) gehen hier mit gutem Beispiel voran. Ihre Zentren statten sie mit neuen Qualitäten aus, sie schaffen Raum für Begegnungen im Grossen und im Kleinen: am rauschenden Fest, aber auch beim spontanen Schwatz in der Nachbarschaft.
Ausserdem bestätigt die Recherche zu diesem Heft: Das Dorf gibt es nicht. Obwohl vielerorts ähnliche Kräfte wirken, unterscheiden sich die Dorf realitäten und damit auch die Handlungsfelder. Im Freiburgerland warten leerstehende Landwirtschaftsbauten auf neue Nutzungen. Das junge Büro Bard Yersin verwandelt sie in Wohnungen, im Örtchen Romanens erweitern sie eine Käserei, die die Landwirtschaft im Ort sichtbar macht und weiterhin zum Kauf lokaler Produkte einlädt (S. 12). In Berlingen kollidiert der Wille zu verdichten mit dem schützenswerten Ortsbild, regelmässig scheitern Bauanträge an ISOSVorgaben. Wir baten den Gemeindepräsidenten zum Erfahrungsaustausch mit der Ressortleiterin Bau der Wakkerpreis Gemeinde Sempach an einen Tisch (S. 30). Im Gespräch erfuhren wir vom Berlinger Sonderweg und dass aus den strikten Vorgaben neue Lösungen entstehen können, die trotz aller Unterschiede für viele Dörfer wegweisend werden könnten.
Den Dorfkern neu erfinden
Dorfzentrum in Stalden von Atelier Summermatter Ritz
Jasmin Kunst, Phil Bucher (Bilder)
Moitié-moitié
Ein Ausflug ins Freiburgerland zu Bauten von Bard Yersin architectes
François Esquivié, David Bard (Bilder)
Markt, Musik und Memoiren
Platzgestaltung und zwei öffentliche Bauten im französischen Scionzier von Archiplein
Rahel Hartmann Schweizer, 11h45, Aurélien Poulat (Bilder)
Mitten ins Herz
Weiterbauen an der dörflichen Dichte in Sachseln von Seiler Linhart mit Freiraumarchitektur
Gerold Kunz, Rasmus Norlander (Bilder)
Entwickeln, was schon gut ist
Erfahrungsaustausch zwischen Sempach und Berlingen
Mary Sidler und Ueli Oswald im Gespräch mit Christoph Ramisch und Roland Züger
Zudem:
werk-notiz: Der Dresdner Semperpreis geht in die Schweiz. Die Jury würdigt den Architekten Roger Boltshauser: seine Widerstandskraft gegen kurzlebige Trends, seine innovativen Energiekonzepte und seine Verwendung nachhaltiger Baumaterialien auch in grossen und komplexen Projekten.
Debatte: Grundrissgeneratoren, Bild und Städtebausoftwares – die künstliche Intelligenz ist auch in der Architektur angekommen. In der Praxis bewähren sich aber erst ganz wenige Programme. Lukas Gruntz hat sie mit Studierenden an der FHNW getestet und zieht ein erstes Fazit.
Wettbewerb: Viele SAC-Hütten entsprechen heutigen Hygiene-, Sicherheits- und Brandschutzanforderungen nicht mehr. Allein 2023 schrieb der Alpen-Club deshalb neun Verfahren für Sanierungen und Erweiterungen aus. Sonja Huber bespricht anhand zweier Wettbewerbe – zur Cabane de Susanfe und zur Oberaletschhütte – die schwierige Gratwanderung zwischen Landschaftsschutz und Komfortansprüchen.
Ausstellungen: Mit der Schau Design für alle? Vielfalt als Norm widmet sich das Museum für Gestaltung in Zürich dem inklusiven Design. Wer in Berlin weilt, kann in der Tchoban Foundation Zeichnungen von Lina Bo Bardi bestaunen, am Genfersee eröffnete die Ausstellung Lausanne Jardins 2024.
Bücher: Die beiden Autoren der Reihe Besser – Weniger – Anders Bauen zeigen echte Handlungsalternativen fürs Bauen auf. Marc Angélil las begeistert. Die Redaktion empfiehlt zudem zwei weitere Bücher: zum Weiterbauen von Albert Kirchengast und über Malans von Köbi Gantenbein.
Junge Architektur Schweiz: Steiger Spielmann: Es muss nicht immer ein Ersatzneubau sein. Mit der sorgfältigen Analyse eines bestehenden Einfamilienhauses aus den 1970er Jahren überzeugten Steiger Spielmann ihre Bauherrschaft von einem Umbau.
Entrückt und haptisch zugleich: Der Bau der neuen Halle 1 für die Olma in St. Gallen erforderte ingenieurtechnische Agilität, denn sie steht über der Autobahn. Von aussen wirkt der Baukörper, entworfen von Ilg Santer, nüchtern und abstrakt, im Innern öffnet sich dennoch ein beeindruckendes Raumerlebnis.
In Resonanz mit der Stadt: Viele Köpfe wurden zusammengesteckt für den Entwurf der Architekturschule Institut Méditerranéen de la Ville et des Territoires in Marseille. NP2F, Marion Bernard, Point Supreme und Jacques Lucan entwickelten eine offene Struktur, die nicht nur mitten in der Stadt steht, sondern auch selbst ein Stück Stadt bildet.
werk-material: Ferme de la Gavotte in Grand-Lancy GE von BCR architectes
werk-material: Weingut Obrecht in Jenins GR von Bearth & Deplazes