Zeitschrift

tec21 2006|29-30
China
tec21 2006|29-30
zur Zeitschrift: TEC21
Verlag: Verlags-AG
Chinesische Dynamik

Als ich 1978 zum ersten Mal nach China kam, war Beijing für mich das grösste Dorf der Welt. Viele kleine ein- oder zweigeschossige Häuschen prägten das Bild der Stadt. Doch wie Bambussprossen nach dem Frühlingsregen sind nach 1980 die Hochhäuser aus dem Boden geschossen. Viele der Hutongs sind verschwunden, haben einer moderneren Urbanität Platz gemacht.

Jede Person, die mit China zu tun hat, ist mit diesen Veränderungen der letzten Jahrzehnte konfrontiert. Ich sage bewusst «konfrontiert», denn darauf läuft die persönliche Auseinandersetzung bei einem derart rasanten Wechsel letztlich hinaus. Wo bleibt das Althergebrachte? Wo das Gefühl für die alte chinesische Kultur?

Die Frage zielt an der Antwort vorbei. Es sind die Gesellschaftsstruktur und die dieser Gesellschaft inhärente Dynamik, welche diese Entwicklung ermöglicht haben. Chinesischer könnte sie somit gar nicht sein. Der starke gesellschaftsinterne Wettbewerb, die grossen Eigeninteressen jeder chinesischen Gruppe und der tagtägliche Kampf um ein besseres Dasein ermöglichten eine Entwicklung, die in dieser Tiefe und Breite wohl kaum vorhersehbar war. Bedingung war allerdings eine politische Öffnung, die von Deng Xiaoping in der Dezembersession des Nationalen Volkskongresses von 1978 eingeleitet worden war. Damit wurde eine gesellschaftliche Dynamik frei, in welcher der eigene Gestaltungswillen im künstlerischen und architektonischen Bereich lediglich durch die Grenzen der persönlichen Ästhetik bestimmt wird.

Dies allein würde jedoch nicht die Vielfalt erklären, mit der uns China heute in diesen Gebieten konfrontiert. Eine andere Wahrnehmung in einer sehr engen Gesellschaft, das Fehlen letztlich auch eines eigenen «Standpunktes», hat bis heute die Entwicklung einer zentralperspektivischen Sicht verhindert. Damit konzentriert sich China auf das Hier und Heute.

Ein Gebäude muss deshalb nicht irgendwo «hineinpassen», es wird nie in einem Zusammenhang gesehen. Importiertes kann problemlos neben Eigenem stehen, wie die neuen Satellitenstädte um Schanghai zeigen, welche im deutschen, französischen und in fast jedem anderen Stil geplant werden. Modernisierung wird hier mit Internationalisierung verbunden, eine Sicht, die sich mit wachsendem chinesischem Selbstverständnis wohl doch noch etwas verändern dürfte.

Ein Gebäude muss auch nicht für die Ewigkeit geplant und gebaut sein. Die Wirklichkeit wird hier als Fluss verstanden – was heute gut ist, kann morgen seine Existenzberechtigung verlieren. Da dieses Denken mit Visionen arbeitet und weniger einem westlichen Planungsprozess unterliegt, kann es durchaus geschehen, dass schon in der Bauphase gewisse Bauten wieder abgerissen werden, weil sie einer Weiterentwicklung des Projektes im Wege stehen. Auch im Bauen wird ersichtlich, was ich als Diplomat im innen- und im aussenpolitischen Bereich sehe: eine Nation auf der Suche nach sich selbst. Dass auf dieser Suche auch Fehler gemacht werden, ist wohl kaum vermeidbar. Im Grossen und Ganzen hingegen ist das Resultat mehr als sehenswert. Visionen werden hier zu einem grossen Teil verwirklicht, während sie mir in der Schweiz sehr fehlen. Und von denen, die wir haben, erblicken leider zu wenige das Licht der Welt.

Dr. Hans J. Roth, Schweizer Generalkonsul Schanghai

Karawanserei
Rahel Hartmann Schweizer
Wegen einer Umfahrungsstrasse ins Abseits gedrängt, wurde das Shaxi-Tal weder vom Bauboom heimgesucht, noch drohte ihm „Disneylandisierung“. In Sideng, einst Karawanenstation, hat sich viel traditionelle Architektur erhalten: ein Bijou seit ein Team um den NSL-Raumplaner Jacques Feiner das Juwel entdeckt hat, erst recht.

Neue „deutsche Stadt“
Lilian Pfaff
Um Schanghai enstehen neun neue Satellitenstädte, um das Stadtzentrum zu entlasten. Anting New Town wurde als deutsche Stadt für 70000 Einwohner von AS&P Albert Speer & Partner GmbH als Teil der International Automobile Industry City aus dem Boden gestampft. Bisher ist erst ein Drittel realisiert und kaum jemand eingezogen.

Blickpunkt Wettbewerb
Neue Ausschreibungen und Preise / Zwei Auszeichnungen für gute Bauten: Luzerner und Ostschweizer Baukultur

Magazin
Publikationen zu China / Halle der Harmonie wird renoviert / Das Bild der Schweiz in China / Umweltzerstörung nicht im Griff / Chinas langer Schatten in Afrika / Swiss Tunnel Congress 06 / Stiftung Klimarappen startet Auktionen / Andengletscher und Klima

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