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tec21 2005|48
Technik für das Passivhaus
tec21 2005|48
zur Zeitschrift: TEC21
Verlag: Verlags-AG

Gemessene Sanierung

Nach der Sanierung von zwei Mehrfamilienhäusern wurden zwei Jahre lang alle energierelevanten Daten erhoben. Die Messungen belegen: Der Minergie-P-Standard ist auch bei Sanierungen erreichbar.

25. November 2005
Die beiden Mehrfamilienhäuser an der Zwinglistrasse 9 und 15 sind Teil einer für den Zürcher Stadtkreis 4 typischen Hofrandbebauung. Mit Baujahr 1881 gehören sie zu den ersten Bauten in diesem Quartier. Über Jahrzehnte wurde deren Unterhalt vernachlässigt; entsprechend desolat war der Zustand. Dieser Bauzustand, aber auch die Grösse der Objekte und die städtebauliche Situation sind exemplarisch für Tausende Häuser in unseren Städten. 2003 wurden die Bauten saniert und die 2.6 m breite Lücke zwischen den beiden Backsteinbauten mit einem dreigeschossigen Neubau teilweise geschlossen (Bilder 2 und 3). Nach wie vor offen ist die Hofeinfahrt, und im Dachgeschoss liegt zwischen den Giebelwänden eine Terrasse.

Ambitioniertes Ziel: Sanierung mit Minergie-P

Minergie-P, ein damals noch völlig neuer Standard, war für das Planungsteam das erklärte Projektziel. Neben neuen Fenstern mit einem U-Wert von 0.9W/m2K wurden die Aussenwände mit Steinwolle gedämmt: die Hoffassade 20cm, das Dach 40cm, der neue Mittelbau 24cm und die Strassenfassade schliesslich 16cm. Diese Unterschiede haben (bei den Wänden) keine bauphysikalischen Gründe, sondern baurechtliche. Bei Sanierungen dürfen nämlich lediglich 15cm des Strassenraumes beansprucht werden. Ganz offenkundig ist Miner- gie-P noch nicht bei den gesetzgebenden Instanzen angekommen!

Die Seitenwände der Lukarnen wurden mit Vakuum-Isolations-Paneelen (VIP) gedämmt. Infrarotaufnahmen weisen für diese Elemente etwa dieselbe innere Oberflächentemperatur aus wie für das Dach.

Die Haustechnik wurde von Grund auf neu konzipiert. 32 m² Sonnenkollektoren sowie ein Gaskessel versorgen beide Bauten über je einen zentralen Speicher mit Wärme. Die Wärmeverteilung erfolgt über die Luft-erneuerungsanlage. Ausserdem steht in jeder Wohnung ein Holzofen, wovon einer auf einen der Speicher arbeitet. Die Wassererwärmung für Küche und Bad erfolgt über Spiralwärmetauscher, die in den Speichern integriert sind.

Mit Unterstützung des Bundesamtes für Energie (BFE) konnten nach der Sanierung zwei Jahre lang Komfort- und Energieverbrauchsdaten erhoben werden. Da sich von einer solchen Messkampagne die ersten zwölf Monate nur bedingt verwerten lassen, beziehen sich die Resultate des Messberichts1 lediglich auf das zweite Jahr, beginnend am 1. Juli 2004. Die Gründe liegen in der anfänglich nur teilweisen Belegung der Häuser, in Fehlfunktionen der Sonnenkollektoren sowie in den Auswirkungen der Bauaustrocknung.

Gut geheizt

Drei zentrale Aussagen lassen sich aus den Messwerten über die eine Heizperiode machen: In den Wohnungen ist es deutlich wärmer, als die Standardnutzung SIA380/1 als Berechnungsgrundlage empfiehlt. Über den Winter ergab sich für beide Häuser ein Mittelwert von 23.2°C. In einzelnen Wohnungen liegen alle Werte über 24°C, viele sogar über 27°C, und zwar von den Bewohnern gewünscht (Bild 1). Die relative Luftfeuchtigkeit liegt häufig unter 30% und damit unter der SIA-Empfehlung.2 Dies ist eine direkte Folge der Raumlufttemperatur und der Belegung. Um die gemessenen Temperaturen zu erreichen, sind hohe Luftwechselzahlen notwendig, was – wohl unbeabsichtigt – wiederum die Luftfeuchte reduziert. Im Mittel beträgt der Aussenluftvolumenstrom je Person 70 m³/h, mehr als das Doppelte der Richtwerte (30 m³/h). Sehr viel geringer als ursprünglich vermutet sind die Wohnungen belegt: Im Durchschnitt sind es 15 Personen, die sich (und auch das nur zeitweise) in den 100 m² bis fast 150 m² grossen Wohnungen aufhalten. Das Temperaturprofil belegt hohen Komfort. Der (gemessene) Temperaturgradient über die Stehhöhe eines Menschen beträgt lediglich 2K, weit unter dem Grenzwert nach SIA-Norm 180.

Gute Noten erhalten die Häuser von den Bewohnern. Sowohl Temperatur als auch Feuchte entsprechen deren Wünschen, was nicht erstaunt, denn beide Komfortmerkmale können durch die Bewohner beeinflusst werden (Luftbefeuchter, Holzofen, Luftheizung). Gleiches gilt für den sommerlichen Wärmeschutz. Offensichtlich lässt sich durch die Markisen und den individuellen Lüftungsmodus eine Überhitzung vermeiden.

SIA-Standardnutzungen revisionsbedürftig?

Mit 36.9kWh/m2 liegt die gewichtete Energiekennzahl Wärme um den Faktor 1.5 über dem Planungswert und um 23% über der Minergie-P-Anforderung (Tabelle 5). Der Hauptgrund ist, dass die Standardnutzungen des SIA3 stark von der häuslichen Realität an der Zwinglistrasse abweichen. Ein Vergleich illustriert diesen Sachverhalt: Der gemessene Heizwärmebedarf beträgt 24.5kWh/m2, während der auf die Normparameter Belegung, Raumlufttemperatur und Klima modifizierte Wert mit 11.9kWh/m2 weniger als die Hälfte beträgt. Damit läge der Heizwärmebedarf nur noch geringfügig über der Minergie-P-Limite von 10kWh/m2. Diese Differenz ist nach Einschätzung der Planer auf die für Sanierungen typischen Wärmebrücken sowie auf die Leckverluste im sanierten Dachstuhl und in den Installationsschächten zurückzuführen. Die geringe Belegung ist auch der Grund für den auffallend tiefen Energiebedarf für die Wassererwärmung.

Die zumeist berufstätigen Bewohner üben eine gewisse Zurückhaltung bei der Befeuerung der Holzöfen, wie der Holzverbrauch dokumentiert. Dagegen ist der Gasverbrauch doppelt so hoch wie prognostiziert. An den gesamten Wärmehaushalt liefern die Kollektoren, zusammen mit den Gewinnen aus Elektrizitätsanwendung und Personenabwärme, 60%.
Für Aussentemperaturen von –8°C begrenzt Minergie-P die Heizleistung auf 10kW/m2. In Haus Nr. 9 wird der ambitiöse Wert erreicht, in Nr. 15 liegt er 60 % darüber.

Elektrizität für Lufterneuerung

Ein Viertel der gewichteten Energiekennzahl Wärme nach Minergie-P (36.9kWh/m2) geht auf das Konto Lufterneuerungsanlage (4.7kWh/m2, doppelt gewichtet). Das ist eineinhalbmal mehr, als Minergie als Richtwert definiert (3kWh/m2). Im Vergleich zu den SIA-Richtwerten2 differieren die Messwerte ebenfalls deutlich. Erhebungen der HTA Luzern zeigen allerdings, dass die proklamierten SIA-Werte kaum je erreicht werden.4 Für den relativ hohen Stromverbrauch an der Zwinglistrasse gibt es darüber hinaus weitere Gründe: Die Druckverluste fallen aufgrund der nicht optimalen Leitungsführung und wegen der Luft-erhitzer stark ins Gewicht. Ausserdem laufen die Geräte sehr häufig auf der höchsten Stufe. Dies offenbar auch in sommerlichen Hitzeperioden, wenn, um die Wohnungen stärker vom Aussenklima zu trennen, der Luftwechsel eigentlich reduziert werden sollte.

Luftdichtigkeit

Sämtliche Fugen in der Aussenhülle wurden konsequent abgedichtet. Einige Schwachstellen sind aber unvermindert wirksam, beispielsweise die Elektroinstallation der Sonnenschutz-Markisen sowie die undichten Zuluftklappen der Holzöfen. Eine gute Dichtigkeit weisen die neuen Dachelemente auf Haus Nr. 9 auf, mangelhaft dagegen ist diesbezüglich der sanierte Dachstock in Nummer 15. Aufgrund von früheren Erfah- rungen war den Verantwortlichen von vornherein klar, dass die von Minergie-P verlangte Luftdichtigkeit (0.6/h) in Gebäuden mit Holzbalkendecken kaum zu erreichen ist. Angesichts dieser Rahmenbedingungen halten sie die Werte für sehr gut. Bei einer Druckdifferenz zwischen innen und aussen von 50Pa beträgt der Luftwechsel 1.6/h bzw. 1.4/h.

Verbesserungspotenzial

Der Messbericht ortet auch ein Verbesserungspotenzial in der haustechnischen Konzeption. Die Heizwärmeverteilung über die Lüftungsanlage, die Wassererwärmung sowie die Einspeisung von Wärme aus dem Gaskessel erfolgen mit Temperaturen von 50°C bis 60°C. Just dieses Temperaturniveau reduziert jedoch die Nutzungsgrade der Sonnenkollektoren und des mit den Speichern verbundenen Holzofens (im Alleinbetrieb funktionieren die Holzöfen vorzüglich).

Mindestens zwei Verbesserungslösungen zeichnen sich ab: Eine Heizwärmeverteilung über eine Bodenheizung oder Niedertemperaturradiatoren mit Temperaturen um 30°C respektive 40°C ist effizienter, aber auch teurer (und nicht immer möglich) als die realisierte Luftheizung. Die andere Möglichkeit wäre ein Zwei-Speicher-System mit unterschiedlichen Temperaturen. Dies könnte die Nutzung von erneuerbaren Energien verbessern, ohne die Wärmeabgabe an die Luftheizung empfindlich zu beeinträchtigen.

[ Othmar Humm ist Fachjournalist mit dem Spezialgebiet Technik und Energie ] (Text: Othmar Humm)
Literatur, Anmerkungen
1
Umbau im Minergie-P-Standard, Zwinglistrasse Zürich. Autoren: Karl Viridén und Thomas Ammann, Viridén + Partner AG, Zürich; Beat Frei und Heiri Huber, HTA Luzern, Horw; Peter Hartmann, ZHW, Winterthur. Im Auftrag des Bundesamtes für Energie, Forschungsprogramm Rationelle Energienutzung in Gebäuden. Oktober 2005.
2
Merkblatt 2023: Lüftung von Wohnbauten. SIA, Zürich 2004.
3
SIA-Norm 380/1: Thermische Energie Im Hochbau. SIA, Zürich 2001.
4
B. Frei, F. Reichmuth und H. Huber: Vergleichende Auswertung schweizerischer Passivhäuser. Hochschule für Technik und Architektur Luzern, Horw 2004.

Vorbildlich
Die beiden Bauten liegen im Kreis 4, einem beidseits der Zürcher Langstrasse liegenden Quartier mit zweifelhaftem Ruf. Wohn- und Gewerbebauten, viele in schlechtem Zustand, prägen das Bild. Die Behörden streben eine stärkere Durchmischung des Quartiers mit Wohnungen im mittleren Preisniveau an, auch für Familien mit Kindern. Die Sanierung hat Vorbildcharakter, was sich auch darin zeigt, dass in der gleichen Strasse mehrere Gebäude zwischenzeitlich saniert wurden.

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Für den Beitrag verantwortlich: TEC21

Ansprechpartner:in für diese Seite: Judit Soltsolt[at]tec21.ch

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