Publikation
Bètrix & Consolascio
Perspektivwechsel / A Shift in Perspective
ISBN: 978-3-85676-226-1
Beiträge von: Nachwort von / Afterword by Michael Hampe
Sprache: Deutsch / English
Publikationsdatum: 2008
Umfang: 240 Seiten, zahlreiche Abbildungen
Format: gebunden, 23 x 27 cm
Schwebende Räume
Monografie und Werkschau des Zürcher Architekturbüros Bétrix & Consolascio in der ETH Zürich
Vor 30 Jahren haben Marie-Claude Bétrix und Eraldo Consolascio ihr gemeinsames Architekturbüro gegründet. Die ETH Zürich präsentiert im Hauptgebäude das Werk der Architekten, dazu ist im «gta»-Verlag eine erste, längst fällige Monografie über das Team erschienen.
4. Juli 2008 - Urs Steiner
Sie gehören nicht zu den Architekten, die jeder kennt – aber spätestens seit der Euro 08 kennt jeder eines der Hauptwerke dieses Büros: das Letzigrundstadion. Dass Bétrix & Consolascio in der breiten Öffentlichkeit ausgerechnet mit einem Stadion bekannt wurden, das nur mässig geeignet ist für Fussball, ist nicht ihre Schuld. Schliesslich hatten die Architekten den Auftrag, eine Leichtathletik-Arena zu bauen. Eine Ausstellung in der Halle des ETH-Hauptgebäudes und eine parallel dazu erschienene Monografie beweisen die Weltklasse des in Erlenbach domizilierten Büros, das sich in der Fachwelt durch formale, konstruktive und städtebauliche Eigenständigkeit einen Namen gemacht hat. Ein Murks wie das Stadion in Zürich passt ganz und gar nicht zu diesem Team, beweist jedoch, dass die Architekten nicht nur Künstler, sondern auch Pragmatiker sind.
Schwebender Balken
In der Ausstellung, die vom Institut «gta» in Zusammenarbeit mit der 1953 in Neuenburg geborenen Marie-Claude Bétrix und dem fünf Jahre älteren Tessiner Eraldo Consolascio konzipiert wurde, kommen die künstlerische und die pragmatische Seite des Teams gleichermassen zur Geltung: Auf einem schwebenden, in der Halle hängenden Balken wird eine eindrückliche Reihe von Originalmodellen ihrer Projekte kommentarlos vorgestellt. Das Publikum ist eingeladen, sich mit der räumlichen Wirkung der Entwürfe auseinanderzusetzen, Form- und Materialvarianten zu studieren. Diesem «Schwebebalken» wird eine Abfolge von Stellwänden mit komplexen Informationen zu einzelnen Bauten und Projekten gegenübergestellt. Diese Darstellungen fordern mehr den Intellekt als die Sinne und führen in die Tiefe des Werks. In luftiger Höhe über dieser Ausstellungsarchitektur haben die Kuratoren Tableaus mit Texten und Bildern weiterer Entwürfe placiert, die man von der Galerie aus betrachtet.
Ausgehend vom sinnlichen Erlebnis der räumlichen Modelle werden die Besucher Schritt für Schritt in die Architektur von Bétrix & Consolascio eingeführt. Ist das Interesse erst einmal geweckt, führt kein Weg mehr an der parallel erschienenen Monografie vorbei – dem ersten Überblickswerk zum Wirken des Büros. Autor des 240 Seiten starken Bandes ist der Neuenburger Architekturkritiker Sylvain Malfroy.
Ähnlich wie in einem berühmten Buch des Holländers Rem Koolhaas nähert sich der Autor dem Werk von Bétrix & Consolascio nach Dimensionen geordnet an: Was bei Koolhaas S, M, L und XL (also Small, Medium, Large und Extra-Large) hiess, wird hier nach Plan-Massstäben geordnet. In der Optik im Grössenverhältnis 1:1000 werden neben dem Letzigrund Grossbauten wie die Messehalle 9 der Olma St. Gallen oder die Universitätsfrauenklinik Bern betrachtet. Nach einem Überblick zur städtebaulichen Situation sowie verschiedenen Grundrissen und Schnitten geben Architekturfotografien vor allem Stimmungen wieder, die von den Gebäuden evoziert werden.
Perspektivenwechsel
Der Massstab 1:500 eignet sich für das Heizkraftwerk Mitte in Salzburg, ein Theater in Neuenburg (Projekt), ein Bürogebäude für den Pharmariesen Pfizer in Zürich oder ein Wohn- und Geschäftshaus in Zürich Leutschenbach. Hat man die mit brutalistischer Geste gesetzte Betonskulptur des Salzburger Heizkraftwerks noch im Kopf, erscheinen Schmuckstücke wie die Casa Stoira I und II in Avegno oder das verspielt postmoderne Haus Guth in Oberengstringen im Massstab 1:200 geradezu idyllisch. Die formale Bandbreite des Werks dieser Architekten ist enorm. Michel Hampe schreibt denn auch im Nachwort der Monografie, die Sicherheit wie auch der Zwang, die ein Baustil biete und fordere, möge etwas Verführerisches haben. Aber Bétrix & Consolascio gehören eben genau nicht in die Kategorie von Architekten, deren Werk einem einmal gefundenen «Stil» verpflichtet ist. Die Neigung, Probleme der Nutzer und der Auftraggeber ernst zu nehmen und darauf zu reagieren, könne nur dann künstlerisch erfolgreich sein, wenn die Architekten ihrer Intuition vertrauten, analysiert Hampe zu Recht.
So gesehen erstaunt es nicht, dass trotz manchem Kompromiss und zahlreichen Vorgaben der Uefa das Letzigrundstadion dennoch als Meisterwerk der Architekten Anerkennung gefunden hat; denn die Europameisterschaften sind heute bereits Geschichte, das Stadion aber bleibt.
[ Zürich, ETH Zentrum (Rämistr. 101), bis 17. 7. Publikation: Bétrix & Consolascio. Perspektivenwechsel. Zürich, gta-Verlag 2008, 240 S., deutsch/englisch, Fr. 80.–. ]
Schwebender Balken
In der Ausstellung, die vom Institut «gta» in Zusammenarbeit mit der 1953 in Neuenburg geborenen Marie-Claude Bétrix und dem fünf Jahre älteren Tessiner Eraldo Consolascio konzipiert wurde, kommen die künstlerische und die pragmatische Seite des Teams gleichermassen zur Geltung: Auf einem schwebenden, in der Halle hängenden Balken wird eine eindrückliche Reihe von Originalmodellen ihrer Projekte kommentarlos vorgestellt. Das Publikum ist eingeladen, sich mit der räumlichen Wirkung der Entwürfe auseinanderzusetzen, Form- und Materialvarianten zu studieren. Diesem «Schwebebalken» wird eine Abfolge von Stellwänden mit komplexen Informationen zu einzelnen Bauten und Projekten gegenübergestellt. Diese Darstellungen fordern mehr den Intellekt als die Sinne und führen in die Tiefe des Werks. In luftiger Höhe über dieser Ausstellungsarchitektur haben die Kuratoren Tableaus mit Texten und Bildern weiterer Entwürfe placiert, die man von der Galerie aus betrachtet.
Ausgehend vom sinnlichen Erlebnis der räumlichen Modelle werden die Besucher Schritt für Schritt in die Architektur von Bétrix & Consolascio eingeführt. Ist das Interesse erst einmal geweckt, führt kein Weg mehr an der parallel erschienenen Monografie vorbei – dem ersten Überblickswerk zum Wirken des Büros. Autor des 240 Seiten starken Bandes ist der Neuenburger Architekturkritiker Sylvain Malfroy.
Ähnlich wie in einem berühmten Buch des Holländers Rem Koolhaas nähert sich der Autor dem Werk von Bétrix & Consolascio nach Dimensionen geordnet an: Was bei Koolhaas S, M, L und XL (also Small, Medium, Large und Extra-Large) hiess, wird hier nach Plan-Massstäben geordnet. In der Optik im Grössenverhältnis 1:1000 werden neben dem Letzigrund Grossbauten wie die Messehalle 9 der Olma St. Gallen oder die Universitätsfrauenklinik Bern betrachtet. Nach einem Überblick zur städtebaulichen Situation sowie verschiedenen Grundrissen und Schnitten geben Architekturfotografien vor allem Stimmungen wieder, die von den Gebäuden evoziert werden.
Perspektivenwechsel
Der Massstab 1:500 eignet sich für das Heizkraftwerk Mitte in Salzburg, ein Theater in Neuenburg (Projekt), ein Bürogebäude für den Pharmariesen Pfizer in Zürich oder ein Wohn- und Geschäftshaus in Zürich Leutschenbach. Hat man die mit brutalistischer Geste gesetzte Betonskulptur des Salzburger Heizkraftwerks noch im Kopf, erscheinen Schmuckstücke wie die Casa Stoira I und II in Avegno oder das verspielt postmoderne Haus Guth in Oberengstringen im Massstab 1:200 geradezu idyllisch. Die formale Bandbreite des Werks dieser Architekten ist enorm. Michel Hampe schreibt denn auch im Nachwort der Monografie, die Sicherheit wie auch der Zwang, die ein Baustil biete und fordere, möge etwas Verführerisches haben. Aber Bétrix & Consolascio gehören eben genau nicht in die Kategorie von Architekten, deren Werk einem einmal gefundenen «Stil» verpflichtet ist. Die Neigung, Probleme der Nutzer und der Auftraggeber ernst zu nehmen und darauf zu reagieren, könne nur dann künstlerisch erfolgreich sein, wenn die Architekten ihrer Intuition vertrauten, analysiert Hampe zu Recht.
So gesehen erstaunt es nicht, dass trotz manchem Kompromiss und zahlreichen Vorgaben der Uefa das Letzigrundstadion dennoch als Meisterwerk der Architekten Anerkennung gefunden hat; denn die Europameisterschaften sind heute bereits Geschichte, das Stadion aber bleibt.
[ Zürich, ETH Zentrum (Rämistr. 101), bis 17. 7. Publikation: Bétrix & Consolascio. Perspektivenwechsel. Zürich, gta-Verlag 2008, 240 S., deutsch/englisch, Fr. 80.–. ]
Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung
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