Publikation

Der Praterstern ist kein Himmelskörper
Gesammelte Texte
Der Praterstern ist kein Himmelskörper
Herausgeber:in: Martina Pfeifer Steiner
ISBN: 978 3 85449 487 4
Beiträge von: Otto Kapfinger und Gottfried Pirhofer
Publikationsdatum: 2017
Umfang: 328 Seiten,
Format: Broschur, 16,5 x 23 cm

Rarität mit bleibender Brisanz

26. Januar 2021 - Martina Pfeifer Steiner
Franz Eberhard Kneissl war ein bekannter Architekt, in Literaturkreisen anerkannt und sein bildnerisches Werk ist es wert entdeckt zu werden. Franz E. Kneissls (1945–2011) Nachlass wurde nun aufgearbeitet und als gesammelte Texte herausgegeben. Die ersten Essays Kneissls erschienen Anfang der 1990er-Jahre in der Zeitschrift Architektur.Aktuell. Sie lesen sich heute noch mit unveränderter Relevanz. Einer davon befasst sich mit ausführlichen Recherchen am Praterstern, aus diesem Text stammt der originelle Buchtitel „Der Praterstern ist kein Himmelskörper“.

Die Überlegungen zum heute brandaktuell diskutierten Thema Boden erschienen ebenfalls zuerst in der Architekturzeitschrift und später in Kneissls Roman „Eine Ratte namens Apfel“: „Es ist auch ein Unterschied, ob man sich auf schweizerischem oder chinesischem Boden befindet, obwohl der Boden selbst keinen Unterschied machen würde. Auf schweizerischem Boden kann man vielleicht sagen und tun, was auf chinesischem Boden nicht möglich wäre.
Eine steile Felswand wird üblicherweise nicht als Boden bezeichnet, obwohl es eine Bodenformation ist wie ein Hang, ein Tal oder eine Ebene. Boden geht unter Wasser durch und kommt an anderer Stelle wieder heraus. Wenn man unter Wasser gehen könnte, wäre es möglich, zu Fuß von New York nach London zu gehen. Es ist derselbe Boden. Ob darauf Japaner, Afrikaner oder Amerikaner stehen: es ist ein Boden, den kein Zaun, keine Mauer, keine Grenze und kein Gebäude zerteilen kann. Er taucht wie ein Wal unter einem Schiff durch und zieht weiter. Boden ist als die Unterseite von Luft und Wasser ein abstrakter Begriff ohne Tiefe und Bild.“

Die MOBA Kolumnen in der Zeitschrift Hintergrund (Hrsg. Architekturzentrum Wien) zeigt, wohin sich sein Schreiben entwickelte. In zwölf eskalierenden Geschichten erzählt er absurd überhöht von einem unfassbaren Wesen, das auch im Architektur-Roman eine Rolle spielt. Parallel dazu entstand die „Sammlung imaginärer Episoden, die – paarweise gegenübergestellt – das Phänomen des Kippverhaltens von zivilisierten Menschen und Menschengruppen abhandeln“, so Kneissl, und als Taxi zum Parkplatz bei Sonderzahl veröffentlicht wurde. Eine von ihm selbst getroffene Auswahl von Episoden findet sich ebenfalls bei den gesammelten Texten. Zur chronologischen Ordnung und Orientierung sind im Buch Trennblätter mit Jahreszahlen eingelegt.

Die Würdigung der Person Franz E. Kneissl und seines umfassenden Werkes übernimmt Otto Kapfinger, der im Editorial Board beim Konzept mitwirkte. Wie auch Gottfried Pirhofer, der in zahlreichen – vor allem – Stadtforschungsprojekten mit Kneissl zusammengearbeitet und geschrieben hat. Pirhofer gibt in seinem Beitrag Einblick in den Diskurs und das Ringen um die drängenden Themen.
Die Konzentration aller eingesammelten Texte einerseits und die Straffung seiner zwei Buch-Veröffentlichungen andererseits ergeben eine spannende Dramaturgie. Wir können Kneissl ganz neu lesen. Frappierend, wie brisant und treffend seine Werke heute noch sind.

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