Publikation
Bunt, sozial, brutal
Architektur der 1970er Jahre in Österreich
ISBN: 978-3-7025-0934-7
Beiträge von: Friedrich Achleitner, Martina Griesser-Stermscheg, Sebastian Hackenschmidt und Christian Reder
Publikationsdatum: 2019
Umfang: 240 Seiten, durchgehend farbig bebildert
Format: Hardcover, 24 x 30 cm
Als die Zukunft noch orange war
Die Architektur der Siebzigerjahre wird oft unterschätzt. Das hat nun ein Ende. Der Wiener Architekturfotograf Stefan Oláh hat eine Liebeserklärung abgegeben – in Form eines bunten, brutalen, bisweilen berührenden Bildbands.
10. August 2019 - Wojciech Czaja
Es riecht nach Leder, Cognac und Club 2. Der ganze Saal ist mit edel furnierten, an den Enden leicht abgerundeten Holzplatten verkleidet. Über dem Eingangsbereich hängen Leuchtkästen für die sechs offiziellen Uno-Sprachen Englisch, Französisch, Spanisch, Russisch, Chinesisch und Arabisch. Und in den Armlehnen der gesteppten Ledersessel befinden sich Steckdose, Lichtschalter und Lautstärkeregler. Sogar ein kleines Fach für die Kopfhörer ist geschickt in die Geometrie des an Komfort unüberbietbaren Sitzmöbels integriert. Man möchte sofort daran drehen und drücken und ein paar Minuten lang Sekretär spielen.
„Obwohl das Gebäude seit 40 Jahren in Verwendung ist, halten sich die Abnutzungsspuren im Rahmen. Vor allem aber fasziniert mich, dass die gesamte Architektur so konzipiert ist, dass sie bis heute die neuesten Licht- und Tontechniken aufnehmen kann, ohne etwas von ihrer Einzigartigkeit einzubüßen.“ Anneliese Heber ist Mitarbeiterin im Informationsdienst der Vereinten Nationen, und das seit dem allerersten Tag, als das Vienna International Centre, umgangssprachlich besser bekannt als Uno-City, am 23. August 1979 seinen Betrieb aufnahm.
Insgesamt hatten sich 183 Architekturbüros am 1970 ausgeschriebenen Wettbewerb beteiligt. Auf den ersten drei Plätzen rangierten Cesar Pelli (Los Angeles), BDP Building Design Partnership (London) sowie das deutsche Architekturbüro Novotny & Mähner. Nachdem sich die Vereinten Nationen jedoch nicht über das auszuführende Siegerprojekt einigen konnten, entschied sich der damalige Bundeskanzler Bruno Kreisky kurzerhand und sehr zum Leidwesen der ÖVP-Opposition und des Nationalrats, der sogar einen Untersuchungsausschuss einberief, dem Viertplatziertem den Zuschlag zu geben. Es sollte das größte und wichtigste Projekt des österreichischen Architekten Johann Staber (1928–2005) werden.
„Die Uno-City ist ein ikonografisches Gebäude auf exterritorialem Boden mit einer eigenen Postleitzahl“, so Heber. „Und obwohl die meisten das Bauwerk nur aus der Entfernung kennen, ist es dennoch jedem Wiener ein Begriff. Die wuchtigen Betonscheiben, die fast schwerelos dazwischen hängenden Geschoße und die beiden Farben Silber und Orange, mit denen sich der Architekt an den Silberpfeil-Wagons der Wiener U-Bahn orientierte, sind zutiefst einprägsam. Von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern jedenfalls wird die Atmosphäre dieses Hauses sehr geschätzt.“
Oder, wie Friedrich Achleitner in seinem Österreichischen Architekturführer anmerkt: „Dem Staber’schen Entwurf mit seinen sechs Y-förmigen Türmen wurde unter anderem ein dekorativer Städtebau mit einer für das Umfeld provokanten Maßstabslosigkeit vorgeworfen, andererseits konnte man der bizarren Konzeption gegenüber den anderen Projekten eine gewisse Zeichenhaftigkeit, Merkbarkeit und auch einen konstruktiven Elan nicht absprechen.“
Genau dieser Elan hat es dem Wiener Architekturfotografen Stefan Oláh angetan. Nachdem er sich in sehr schönen und zum Teil längst vergriffenen Büchern den Wiener Tankstellen, den Wiener Würstelständen, den Wiener Stadtbahnbögen und der österreichischen Architektur der Fünfzigerjahre gewidmet hatte, nahm Oláh diesmal die Architektur von Wickie, Slime und Paiper unter die Lupe. Sein Bildband Bunt, sozial, brutal ist eine Ode an die Aufbruchstimmung und die oft kompromisslose bauliche Manifestation dessen, wie man sich damals Zukunft vorstellte.
„In den 1970er-Jahren wurde viel Neues, teils auch Widersprüchliches ausprobiert“, sagt Oláh. „Es war eine Zeit voller technischer Innovationen und poppig-bunter Träume, aber auch eine Dekade mit Ölkrise, Konsumskepsis und einigen politischen Dämpfern. Das alles spiegelt sich auch in der Architektur wider.“ Allein die orange lackierten Liftkabinen und Stiegenhäuser in der Uno-City bezeichnet der Fotograf als einen Optimismus, den man heute kaum noch irgendwo vorfindet. „Ein Repräsentationsgebäude der Vereinten Nationen mit diesen Farben und einer Formensprache wie in Raumstationen und U-Booten … das muss man sich einmal vorstellen!“
Oláhs Bildsprache ist so reduziert und archaisch, dass nichts vom fotografierten Motiv ablenkt. Sein Werkzeug ist die Linhof Technika, eine klappbare Laufbodenkamera, bei der der Fotograf, damit er die Mattscheibe besser sehen kann, unter einem schwarzen Tuch verschwindet. „Ich behübsche nichts, ich retuschiere nichts weg, ich zeige jedes Objekt im Originalzustand mit all seinen Gebrauchsspuren.“ Im Zeitalter der Instagram-Bildinflation ist das fast schon eine Kampfansage.
„Mein Appell ist an die Wahrnehmung gerichtet“, sagt Oláh, der in seinem Bildband rund 30 Bauwerke aus ganz Österreich einfängt: Kirchen, Schulen, Villen, Wohnbauten, Konzerthäuser, Bürogebäude und Infrastrukturbauten in den entlegensten alpinen Regionen. Die Liebe zum Detail und zum Genius Loci ist bisweilen berührend. „Mein Ziel ist, die Wahrnehmung für das visuelle Bild zu schärfen, aber auch jene für den Wert des Gebauten. Die Architektur der Siebzigerjahre verdient es, liebevoll und wohlwollend betrachtet zu werden.“ Dieses Buch hilft dabei.
„Obwohl das Gebäude seit 40 Jahren in Verwendung ist, halten sich die Abnutzungsspuren im Rahmen. Vor allem aber fasziniert mich, dass die gesamte Architektur so konzipiert ist, dass sie bis heute die neuesten Licht- und Tontechniken aufnehmen kann, ohne etwas von ihrer Einzigartigkeit einzubüßen.“ Anneliese Heber ist Mitarbeiterin im Informationsdienst der Vereinten Nationen, und das seit dem allerersten Tag, als das Vienna International Centre, umgangssprachlich besser bekannt als Uno-City, am 23. August 1979 seinen Betrieb aufnahm.
Insgesamt hatten sich 183 Architekturbüros am 1970 ausgeschriebenen Wettbewerb beteiligt. Auf den ersten drei Plätzen rangierten Cesar Pelli (Los Angeles), BDP Building Design Partnership (London) sowie das deutsche Architekturbüro Novotny & Mähner. Nachdem sich die Vereinten Nationen jedoch nicht über das auszuführende Siegerprojekt einigen konnten, entschied sich der damalige Bundeskanzler Bruno Kreisky kurzerhand und sehr zum Leidwesen der ÖVP-Opposition und des Nationalrats, der sogar einen Untersuchungsausschuss einberief, dem Viertplatziertem den Zuschlag zu geben. Es sollte das größte und wichtigste Projekt des österreichischen Architekten Johann Staber (1928–2005) werden.
„Die Uno-City ist ein ikonografisches Gebäude auf exterritorialem Boden mit einer eigenen Postleitzahl“, so Heber. „Und obwohl die meisten das Bauwerk nur aus der Entfernung kennen, ist es dennoch jedem Wiener ein Begriff. Die wuchtigen Betonscheiben, die fast schwerelos dazwischen hängenden Geschoße und die beiden Farben Silber und Orange, mit denen sich der Architekt an den Silberpfeil-Wagons der Wiener U-Bahn orientierte, sind zutiefst einprägsam. Von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern jedenfalls wird die Atmosphäre dieses Hauses sehr geschätzt.“
Oder, wie Friedrich Achleitner in seinem Österreichischen Architekturführer anmerkt: „Dem Staber’schen Entwurf mit seinen sechs Y-förmigen Türmen wurde unter anderem ein dekorativer Städtebau mit einer für das Umfeld provokanten Maßstabslosigkeit vorgeworfen, andererseits konnte man der bizarren Konzeption gegenüber den anderen Projekten eine gewisse Zeichenhaftigkeit, Merkbarkeit und auch einen konstruktiven Elan nicht absprechen.“
Genau dieser Elan hat es dem Wiener Architekturfotografen Stefan Oláh angetan. Nachdem er sich in sehr schönen und zum Teil längst vergriffenen Büchern den Wiener Tankstellen, den Wiener Würstelständen, den Wiener Stadtbahnbögen und der österreichischen Architektur der Fünfzigerjahre gewidmet hatte, nahm Oláh diesmal die Architektur von Wickie, Slime und Paiper unter die Lupe. Sein Bildband Bunt, sozial, brutal ist eine Ode an die Aufbruchstimmung und die oft kompromisslose bauliche Manifestation dessen, wie man sich damals Zukunft vorstellte.
„In den 1970er-Jahren wurde viel Neues, teils auch Widersprüchliches ausprobiert“, sagt Oláh. „Es war eine Zeit voller technischer Innovationen und poppig-bunter Träume, aber auch eine Dekade mit Ölkrise, Konsumskepsis und einigen politischen Dämpfern. Das alles spiegelt sich auch in der Architektur wider.“ Allein die orange lackierten Liftkabinen und Stiegenhäuser in der Uno-City bezeichnet der Fotograf als einen Optimismus, den man heute kaum noch irgendwo vorfindet. „Ein Repräsentationsgebäude der Vereinten Nationen mit diesen Farben und einer Formensprache wie in Raumstationen und U-Booten … das muss man sich einmal vorstellen!“
Oláhs Bildsprache ist so reduziert und archaisch, dass nichts vom fotografierten Motiv ablenkt. Sein Werkzeug ist die Linhof Technika, eine klappbare Laufbodenkamera, bei der der Fotograf, damit er die Mattscheibe besser sehen kann, unter einem schwarzen Tuch verschwindet. „Ich behübsche nichts, ich retuschiere nichts weg, ich zeige jedes Objekt im Originalzustand mit all seinen Gebrauchsspuren.“ Im Zeitalter der Instagram-Bildinflation ist das fast schon eine Kampfansage.
„Mein Appell ist an die Wahrnehmung gerichtet“, sagt Oláh, der in seinem Bildband rund 30 Bauwerke aus ganz Österreich einfängt: Kirchen, Schulen, Villen, Wohnbauten, Konzerthäuser, Bürogebäude und Infrastrukturbauten in den entlegensten alpinen Regionen. Die Liebe zum Detail und zum Genius Loci ist bisweilen berührend. „Mein Ziel ist, die Wahrnehmung für das visuelle Bild zu schärfen, aber auch jene für den Wert des Gebauten. Die Architektur der Siebzigerjahre verdient es, liebevoll und wohlwollend betrachtet zu werden.“ Dieses Buch hilft dabei.
Stefan Oláh, Martina Grisser-Stermscheg, Sebastian Hackenschmidt, „Bunt, sozial, brutal“. 80 Fotos. € 35,– / 152 S. Am 8. September öffnet die Uno-City anlässlich ihres 40-Jahr-Jubiläums ihre Tore. Ab 12. September sind Oláhs Fotos in der Galerie Rauminhalt, 1040 Wien, zu sehen.
Für den Beitrag verantwortlich: Der Standard
Ansprechpartner:in für diese Seite: nextroom