Publikation
Rudolf Wäger Baukünstler 1941–2019
Ein Pionier in Vorarlberg
ISBN: 9783035622485
Sprache: Deutsch
Publikationsdatum: 2021
Umfang: 306 S., 250 Farbabbildungen, 50 s/w-Zeichnungen.
Format: Hardcover, 20 x 27 cm
reflexionen zum buchwerk
7. Juni 2021 - Otto Kapfinger
das buch kam heute zu mir per post. herzlichen dank und gratulation!
es geht alles wirklich so auf, dass wägers haltung, können und vermächtnis auch im buch richtig rüberkommt. es könnte nicht anders, nicht besser sein. gut, dass etliche so unterschiedliche text-stimmen zu wort kommen, das ist sehr lebendig und sinnvoll differenziert!! ausgezeichnet auch die neuen texte – von marina und martina – zu den ausführlich gezeigten bauten, zum würfelhaus, zu haus gassner in lustenau, haus ess in düns usw. usw. – macht alles richtig freude zu lesen: viele neu zu entdeckende konstruktive und raum/bautypologische innovationen, gewürzt mit entstehungs- und nutzungsgeschichten der bauleute. beeindruckend die wendung der wahrnehmung zu etlichen, auch mir nicht bekannten anlagen mit reihenhäusern unterschiedlichster art, zu vielen verdichteten wohnanlagen mit errichtergemeinschaften – heute extrem aktuell!
entscheidend für die kraft und botschaft des buches sind die neuen fotos von markus gohm, erhebend anders als die übliche, sterile architekturpublizistik, grandios!! das trägt optisch das buch im sinne der inhaltlichen botschaft – die „architektur“ geht sozusagen völlig auf, um nicht zu sagen „verschwindet als vordergrund“ und zeigt sich als nukleus und wachstumspotential dessen, was aus ihr durch langen gebrauch, sinnreiche veränderungen und üppig zugewachsene natur zum vollgültigen lebensraum, zum habitat geworden ist … das ist alles sehr kohärent – auch in der sparsamen zumischung, jeweils treffend, von farbbildern in die schwarzweiss-strecken …
ein einziges detail irritiert mich im moment: die eigenen texte von rudolf, ziemlich am beginn in einer anderen farbe gedruckt, erscheinen mir, meinen schon etwas alten augen, eine spur zu hell, zu flau – auf dem papier, das in seinem
feinen ton auch noch etwas von der schriftprägnanz wegnimmt … ansonsten papierwahl und papierwechsel perfekt eingesetzt und nicht bloß gschmackig formal, wie das auch manchmal passiert …
auch die persönlichen bilder und porträts vom rudl sind gut gewählt und dosiert, nicht zu viel, prägnant seinem charakter entsprechend. soweit ich ihn jedenfalls verstanden habe ...
separat ist auch stefan gassner zu danken, der das ganze buchgrafisch adäquat strukturiert hat und bis zu den details hin – etwa den zur orientierung hilfreichen, kleinen seiten/bildnummern – undramatisch/sachlich aufbereitet hat. steckt viel arbeit drinnen, die man dann nicht mehr so „merkt“, die aber als untergrund, als webspur der erscheinung deren strahlkraft, deren selbstverständliche präsenz erst ergibt. chapeau auch dafür!
eben las ich im buch ganz hinten die auszüge aus verschiedenen briefen von ihm an enge freunde ... es stimmt mich nachdenklich und elegisch – der grundton seiner sätze ist fast verzweifelt, sehr skeptisch, und zugleich: von idealistischen, antibürgerlichen, urchristlichen und – mehr noch – ideal-kommunistischen visionen durchdrungen und leidenschaftlich aufbegehrend – aber sichtlich mit der perspektive des realen scheiterns konfrontiert, offenbar unausweichlich, in größerem maßstab ... eine enorme, fast quälende spannung, vor allem deshalb, weil seine arbeits- und lebenseinstellung so tief und so bewusst grundiert war – hellwach – von sozialen, weitreichenden grundsätzen, diametral zum alltag der im äußeren reichtum anwachsenden, aber innerlich, in human-vital-geistigen relationen und ansprüchen immer ärmer werdenden konsumwelt ...
die künstler um ihn in den prägenden frühen jahren hatten es im verlauf wohl „leichter“ – wohl war allen in dieser szene die revolutionäre grundstimmung und kontra-leidenschaft gemeinsam, – doch der „architekt“ kommt eben in seinem metier viel dichter an all die widersprüche und widerstände des alltags heran, seine ansprüche sind einerseits noch weitreichender und umfassender und auch konketer als die der freien künstler, zugleich ist freilich die fallhöhe der umsetzungen, gemessen an der (breiteren) wirksamkeit, noch viel dramatischer, als bei den freien künsten ... bildhauer, maler:innen, musiker:innen, literat:innen konnten und können ihre ideale im werk allein gut weitertragen und -leben, ziemlich unabhängig von deren „wirksamkeit“ in realer gesellschaft, – die werke des architekten, siedlungsplaners, ortsplaners dagegen aber sind niemals so autonom ...
immerhin fand rudolf in den letzten jahren im aufgreifen seiner anfänglichen skulpturalen selbstbestimmten arbeit wieder zurück in die nähe einer solchen unmittelbarkeit, stimmigkeit zwischen anspruch, vermögen und resultat – sicher ein gewisser trost oder eine halt gebende beruhigung, eine meditative befreiung – als finale seiner sichtlich von enormen spannungen durchwirkten biografie ...
und auch sehr schön das protokoll der reisen von/mit martina in andere länder, zu anderen werken, die en passant begeisterung und freude, widerspruch und kontemplation/diskussion so lebhaft entflammen ließen ... sehr schön und wichtig, das mitzulesen …
so war der titel meines beitrags, im email-pingpong mit wolfgang ritsch formuliert – HOMO AMANS FABER – nicht ganz so leichtfertigt oder falsch, denn im AMANS (das mittlere, vermittelnde wort) steckt ja das doppelte drinnen: die leidenschaft, das visionäre, die entäußerung – und zugleich die verletzlichkeit, das so leicht gefährdete …
sehr berührend, erhellend die authentischen textbeiträge und reflexionen, erinnerungen von roland gnaiger und die gespräche mit bruno spagolla, wolfgang juen und otto jungwirth ...
neben, wie schon erwähnt, einigen reihenhausanlagen, die ich überhaupt nicht kannte, noch weitere überraschungen, z.b. haus und ordination dr. müller in götzis – hat er mir nie gezeigt oder erwähnt ... und ist jetzt sehr gut dokumentiert und eindrücklich beschrieben von martina …
wunderbar auch die bis in einzelheiten „durchgesehene“, aufbereitete tour d´horizon von marina, die nochmals die speziellen qualitäten der wäger-bauten in jeder hinsicht griffig zur sprache bringt, in ihrem entwicklungsverlauf nachzeichnet – und auch fein illustriert mit entlanggestreuten, „beiläufig“ präzisen kleinen bildern ... ein auch optisch guter parcour parallel zum sprachlich-gedanklichen versuch des fassens dessen, was sich als räumlich-zeitlich-sinnliches phänomen in der sprache so schwer adäquat benennen lässt ... wir erinnern uns an fritz achleitners paradoxes diktum: „von der unmöglichkeit, über architektur zu schreiben“... (1985, titel und zentrum seiner dankesrede zur staatspreisverleihung für architekturpublizistik) ...
und dennoch, es zeigt sich in all dem - es geht ja doch!!
kompliment an alle und vielen dank!
ein in JEDER hinsicht maßstabbildendes buchwerk.
es geht alles wirklich so auf, dass wägers haltung, können und vermächtnis auch im buch richtig rüberkommt. es könnte nicht anders, nicht besser sein. gut, dass etliche so unterschiedliche text-stimmen zu wort kommen, das ist sehr lebendig und sinnvoll differenziert!! ausgezeichnet auch die neuen texte – von marina und martina – zu den ausführlich gezeigten bauten, zum würfelhaus, zu haus gassner in lustenau, haus ess in düns usw. usw. – macht alles richtig freude zu lesen: viele neu zu entdeckende konstruktive und raum/bautypologische innovationen, gewürzt mit entstehungs- und nutzungsgeschichten der bauleute. beeindruckend die wendung der wahrnehmung zu etlichen, auch mir nicht bekannten anlagen mit reihenhäusern unterschiedlichster art, zu vielen verdichteten wohnanlagen mit errichtergemeinschaften – heute extrem aktuell!
entscheidend für die kraft und botschaft des buches sind die neuen fotos von markus gohm, erhebend anders als die übliche, sterile architekturpublizistik, grandios!! das trägt optisch das buch im sinne der inhaltlichen botschaft – die „architektur“ geht sozusagen völlig auf, um nicht zu sagen „verschwindet als vordergrund“ und zeigt sich als nukleus und wachstumspotential dessen, was aus ihr durch langen gebrauch, sinnreiche veränderungen und üppig zugewachsene natur zum vollgültigen lebensraum, zum habitat geworden ist … das ist alles sehr kohärent – auch in der sparsamen zumischung, jeweils treffend, von farbbildern in die schwarzweiss-strecken …
ein einziges detail irritiert mich im moment: die eigenen texte von rudolf, ziemlich am beginn in einer anderen farbe gedruckt, erscheinen mir, meinen schon etwas alten augen, eine spur zu hell, zu flau – auf dem papier, das in seinem
feinen ton auch noch etwas von der schriftprägnanz wegnimmt … ansonsten papierwahl und papierwechsel perfekt eingesetzt und nicht bloß gschmackig formal, wie das auch manchmal passiert …
auch die persönlichen bilder und porträts vom rudl sind gut gewählt und dosiert, nicht zu viel, prägnant seinem charakter entsprechend. soweit ich ihn jedenfalls verstanden habe ...
separat ist auch stefan gassner zu danken, der das ganze buchgrafisch adäquat strukturiert hat und bis zu den details hin – etwa den zur orientierung hilfreichen, kleinen seiten/bildnummern – undramatisch/sachlich aufbereitet hat. steckt viel arbeit drinnen, die man dann nicht mehr so „merkt“, die aber als untergrund, als webspur der erscheinung deren strahlkraft, deren selbstverständliche präsenz erst ergibt. chapeau auch dafür!
eben las ich im buch ganz hinten die auszüge aus verschiedenen briefen von ihm an enge freunde ... es stimmt mich nachdenklich und elegisch – der grundton seiner sätze ist fast verzweifelt, sehr skeptisch, und zugleich: von idealistischen, antibürgerlichen, urchristlichen und – mehr noch – ideal-kommunistischen visionen durchdrungen und leidenschaftlich aufbegehrend – aber sichtlich mit der perspektive des realen scheiterns konfrontiert, offenbar unausweichlich, in größerem maßstab ... eine enorme, fast quälende spannung, vor allem deshalb, weil seine arbeits- und lebenseinstellung so tief und so bewusst grundiert war – hellwach – von sozialen, weitreichenden grundsätzen, diametral zum alltag der im äußeren reichtum anwachsenden, aber innerlich, in human-vital-geistigen relationen und ansprüchen immer ärmer werdenden konsumwelt ...
die künstler um ihn in den prägenden frühen jahren hatten es im verlauf wohl „leichter“ – wohl war allen in dieser szene die revolutionäre grundstimmung und kontra-leidenschaft gemeinsam, – doch der „architekt“ kommt eben in seinem metier viel dichter an all die widersprüche und widerstände des alltags heran, seine ansprüche sind einerseits noch weitreichender und umfassender und auch konketer als die der freien künstler, zugleich ist freilich die fallhöhe der umsetzungen, gemessen an der (breiteren) wirksamkeit, noch viel dramatischer, als bei den freien künsten ... bildhauer, maler:innen, musiker:innen, literat:innen konnten und können ihre ideale im werk allein gut weitertragen und -leben, ziemlich unabhängig von deren „wirksamkeit“ in realer gesellschaft, – die werke des architekten, siedlungsplaners, ortsplaners dagegen aber sind niemals so autonom ...
immerhin fand rudolf in den letzten jahren im aufgreifen seiner anfänglichen skulpturalen selbstbestimmten arbeit wieder zurück in die nähe einer solchen unmittelbarkeit, stimmigkeit zwischen anspruch, vermögen und resultat – sicher ein gewisser trost oder eine halt gebende beruhigung, eine meditative befreiung – als finale seiner sichtlich von enormen spannungen durchwirkten biografie ...
und auch sehr schön das protokoll der reisen von/mit martina in andere länder, zu anderen werken, die en passant begeisterung und freude, widerspruch und kontemplation/diskussion so lebhaft entflammen ließen ... sehr schön und wichtig, das mitzulesen …
so war der titel meines beitrags, im email-pingpong mit wolfgang ritsch formuliert – HOMO AMANS FABER – nicht ganz so leichtfertigt oder falsch, denn im AMANS (das mittlere, vermittelnde wort) steckt ja das doppelte drinnen: die leidenschaft, das visionäre, die entäußerung – und zugleich die verletzlichkeit, das so leicht gefährdete …
sehr berührend, erhellend die authentischen textbeiträge und reflexionen, erinnerungen von roland gnaiger und die gespräche mit bruno spagolla, wolfgang juen und otto jungwirth ...
neben, wie schon erwähnt, einigen reihenhausanlagen, die ich überhaupt nicht kannte, noch weitere überraschungen, z.b. haus und ordination dr. müller in götzis – hat er mir nie gezeigt oder erwähnt ... und ist jetzt sehr gut dokumentiert und eindrücklich beschrieben von martina …
wunderbar auch die bis in einzelheiten „durchgesehene“, aufbereitete tour d´horizon von marina, die nochmals die speziellen qualitäten der wäger-bauten in jeder hinsicht griffig zur sprache bringt, in ihrem entwicklungsverlauf nachzeichnet – und auch fein illustriert mit entlanggestreuten, „beiläufig“ präzisen kleinen bildern ... ein auch optisch guter parcour parallel zum sprachlich-gedanklichen versuch des fassens dessen, was sich als räumlich-zeitlich-sinnliches phänomen in der sprache so schwer adäquat benennen lässt ... wir erinnern uns an fritz achleitners paradoxes diktum: „von der unmöglichkeit, über architektur zu schreiben“... (1985, titel und zentrum seiner dankesrede zur staatspreisverleihung für architekturpublizistik) ...
und dennoch, es zeigt sich in all dem - es geht ja doch!!
kompliment an alle und vielen dank!
ein in JEDER hinsicht maßstabbildendes buchwerk.
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