Publikation

Architektur als soziales Handeln
Architektur als soziales Handeln
Herausgeber:in: Karin Mack
ISBN: 978-3-7025-1066-4
Beiträge von: Andreas Cukrowicz, Robert Fabach, Karin Mack und Erich Steinmayr
Publikationsdatum: 2022
Umfang: 183, durchgehend farbig bebildert
Format: Hardcover, 29,5 x 22,5 cm

Der Wohnbau war immer ein großes Anliegen

Die Monografie über Gunter Wratzfeld zeigt eine ausführliche Werkschau über fünf Jahrzehnte

12. Februar 2023 - Martina Pfeifer Steiner
Wie viele Zufälle braucht es, damit ein Buch über einen Architekten entsteht? Bei Gunter Wratzfeld nur einen sehr fokussierten! Genau genommen, eine Person, die auf eigener Spurensuche in ihrer Volksschulklasse in Dornbirn landet und neugierig anknüpft an Recherchearbeiten aus längst vergangenen Epochen. Karin Mack ist Fotografin, sie ist die erste Ehefrau des großen Architekturpublizisten Friedrich Achleitner, der in Vorarlberg über die Österreichische Architektur im 20. Jahrhundert zu schreiben begann. Besichtigt wurden damals auch die Frühwerke des Studienabgängers der Klasse Roland Rainer (Akademie der bildenden Künste Wien), Gunter Wratzfeld. Diese zufällige Wiederbegegnung und das erwachte Interesse an einem Werkverzeichnis des Architekten veranlasste Karin Mack ein solches zu erstellen und die Bauwerke mit ihrer Kamera im Gepäck zu besichtigen. Herausgekommen ist eine sehr schön gemachte Publikation, in welcher die Herausgeberin fünfzig Bauwerke von Gunter Wratzfeld (geb. 1939) genauer betrachtet sowie kommentiert und mit über 150 Farbfotografien dokumentiert.

Mit seinem Erstlingswerk, dem Wohnhaus für seinen Bruder am Familiengrundstück in Dornbirn-Watzenegg, landete Gunter Wratzfeld gleich einen Coup: „Vier Stahlbetonwinkel heben eine quadratische, eingeschoßige Holzschachtel eindrucksvoll über den Hang, mit Aussicht über Rheintal und Bodensee.“ Dass diese stringente Architektur originalgetreu erhalten blieb, ist der Generalsanierung vor zwanzig Jahren durch raumhochrosen Heike Schlauch und Robert Fabach zu verdanken, wobei zweitgenannter mit seinem Text im Buch für eine aufschlussreiche Einordnung des Wratzfeld´schen Œuvres in den baukulturellen Kontext sorgt. Interessant nachzulesen ist auch, wenn Architekt Andreas Cukrowicz berichtet, wie er vor fast dreißig Jahren sein erstes Praktikum „in diesem schönen Atelierraum“ in der Bregenzer Oberstadt absolvierte, den er viel später sogar käuflich erwerben konnte und heute dort wohnt. Disziplin und Strenge, Raster und Struktur seien die Prämissen gewesen, und dass als Basis bei den meisten Gebäuden Wratzfelds das Rastermaß von 1,80 Metern in Grundriss wie Höhe gilt, ist offiziell: „Alles ist Wiederholung von diesem Rastermaß, addiert, geteilt oder multipliziert. Eine Ableitung von Schulze-Fielitz´System des Raumstadtmodells.“

Anliegen Wohnbau

Ein gutes Stichwort. Mit Eckhard Schulze-Fielitz und Jakob Albrecht ist eigentlich der große Dreh- und Angelpunkt in Wratzfelds Schaffen verbunden. Anfang der 1970er-Jahre wurde das bis heute größte Wohnbauvorhaben in Vorarlberg, nämlich die Siedlung an der Ach in Bregenz ausgeschrieben, und diesen zweistufigen Wettbewerb für gemeinnützigen Wohnbau konnten die drei Architekten mit einer noch nie dagewesenen hochgradigen Verdichtung gewinnen: Eine Struktur von drei- bis vierstöckigen Wohnbauten – insgesamt 850 Einheiten (!) –, die sich mit bepflanzten Höfen im Schachbrettmuster abwechseln, zusammenhängend über eine Länge von siebenhundert Metern (so lang wie die Kärntner Straße!), damals um zwanzig Prozent kostengünstiger als die vergleichbaren Projekte der VOGEWOSI.

Über die große Bedeutung und Besonderheiten der Siedlung an der Ach erfährt man im Buch dann auch etwas ausführlicher, wenn sich Gunter Wratzfeld ins Gespräch mit Bettina Götz und Richard Manahl (ARTEC Architekten) begibt. Sehr befremdlich, dass nirgends ein Verweis zu finden ist, in welchem Zusammenhang dieses Interview vor Ort entstanden ist (so etwas darf in einer Publikation eigentlich nicht passieren!) Es stammt nämlich aus der Ausstellung „Vorarlberg – Ein Generationendialog“, die auch im vai gezeigt wurde (siehe Kultur 03/20). Dabei setzt das Architekturzentrum Wien die vier Architekten (Purin, Wäger, Wratzfeld, C4), deren Vor- bzw. Nachlass sich in der Az W Sammlung befindet, der jüngeren Generation der Vorarlberger Architekturschaffenden gegenüber.

Zusammenfassend noch einmal Robert Fabach, der pointiert feststellt: „Der Anspruch an städte- und raumplanerisches Denken, an regionale Umsetzung internationaler Architekturvisionen fand im Œuvre von Gunter Wratzfeld eine eindrucksvolle Umsetzung ...“.

[ Der Text erschien in KULTUR - Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft, Februar 2023, http://www.kulturzeitschrift.at ]

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