Publikation

Architektur in Vorarlberg
Portrait einer regionalen Baukultur
Architektur in Vorarlberg
Verlag: Detail
ISBN: 978-3-95553-642-8
Sprache: Deutsch
Publikationsdatum: 2024
Umfang: 336 S.,
Format: Hardcover, 20x27 cm

Portrait einer regionalen Baukultur

2. Dezember 2024 - Martina Pfeifer Steiner
Diese Publikation war längst überfällig, denn Otto Kapfingers „Baukunst in Vorarlberg seit 1980“ ist vor 25 Jahren herausgekommen! Doch wie haben sich Baukultur und Architekturlandschaft seither entwickelt? Die vai-Direktorin Verena Konrad wusste über ihre verantwortungsvolle Aufgabe und suchte sich als Co-Herausgeberin die Architekturpublizistin und Chefredakteurin vom Detail Verlag, Sandra Hofmeister.

Ein langer Zeitraum, den dieses Buch abdecken sollte. Es galt, aus der umfangreichen Objektrecherche fünfzig Projekte herauszufiltern, die im Hinblick auf Typologie und Bauweise, auf Schwerpunkte oder Spezialisierungen interessant sind, gemessen auch an Exkursionsnachfragen, der internationalen Rezeption oder einfach an den Klicks im Netz bei Detail. Die Qual der Wahl – denn es gibt in Vorarlberg unzählige qualitätsvolle Bauten, die in dieses Buch passen würden. „Schließlich hat ihre regionale und überregionale Bedeutung für aktuelle Diskurse den Ausschlag für unsere Auswahl gegeben: ihr ökologisches Profil, ihr kultureller Anspruch, ihr Beitrag zu technologischer und prozessualer Innovation und zu gesellschaftlichen Themen“, erklären die Herausgeberinnen in ihrer Einführung, die auch für das Verständnis von Landschaft, Ressourcen und Baukunst wohltuend ausholt und den geschichtlichen Vorspann beisteuert.

Die vier Kapitel werden nicht durch trockene Regionen-Bezeichnungen definiert, sondern lassen Landschaftsbilder mit Tälern, Bergen, Wäldern und Seen mit den entsprechenden Emotionen entstehen: Im Rheintal, Berge und Täler, Im Bregenzerwald, Am Bodensee. Ebenso gelungen ist die Dramaturgie der Bauwerke und deren Illustration – eine gekonnte Choreografie von hochkarätiger Architekturfotografie, die auf vorhandene Projektdokumentationen zurückgreift.

Einladend zum Lesen

Sehr schön gemacht und lesefreundlich mit kompakten Bauwerksbeschreibungen, die aus dem reichen vai-Archiv (monatliche Führungen „Architektur vor Ort“, Architekturdatenbank „nextroom“) stammen und redaktionell bearbeitet wurden, schürt schon die erste Doppelseite der einzelnen Gebäude Erwartungen, die im Folgenden gänzlich erfüllt werden. Bauwerksbezeichnung, Baujahr, Architekt:innen geben Orientierung, die wichtigsten Beteiligten – allen voran die Bauherrschaft, weiters Statik, gegebenenfalls Bauphysik, Licht-, Haus-, Geotechnik, Landschaftsplanung, Farbkonzept, mitunter Bauleitung – eine Ahnung über das Zusammenspiel der Akteur:innen und das notwendige, interdisziplinäre Fachwissen.

Räumliche Verortung in den Kapiteln ist eine gute Strategie für Abwechslung und Kurzweiligkeit bei den vielfältigen Bauaufgaben. Dass die Kommunen eine wesentliche Rolle als aktive qualitätsfördernde öffentliche Auftraggeberinnen spielen, gibt die Anzahl der dokumentierten Objekte im Buch wieder. Durch ihre Initiative konnten Schulen und Kindergärten, Gemeindesäle und Musikschulen mit Pioniercharakter entstehen. Beteiligt waren Kommunen überdies bei aufsehenerregenden Brückenbauten und dem Islamischen Friedhof. Außergewöhnlich sind aber auch die vielen herausragenden Einzelinitiativen von gewerblichen und privaten Bauherr:innen, die in technologischer, gestalterischer und funktionaler Hinsicht wegweisend sind.

Das einzige Einfamilienhaus ist eine Nachverdichtung auf einem Privatgrundstück. Zum Bauen im und mit Bestand findet man im Buch ebenfalls faszinierende Projekte. Eines davon sei hier hervorgehoben, weil auf den Einblick in die Sanierung des „Stadt-Stadls“ in Dornbirn ein Interview mit der Architektin Julia Kick folgt, die ihr eigenes Wohn- und Atelierhaus in das frühere Wirtschaftsgebäude implementiert hat. „Jenseits der Normen“ ist dieses übertitelt und wie zwei weitere Interviews eingewoben in die rhythmische Abfolge von Bauten: Folgend auf das zu seiner Zeit in Mitteleuropa größte Bürogebäude in modularer Holzbautechnik im Montafon, kommen sechs Protagonisten der Holzbaudynastie im Bregenzerwald zu Wort, die alle den Nachnamen Kaufmann tragen. Sie teilen die Leidenschaft für das Bauen mit Holz und die Überzeugung, dass es für die ökologische Transformation im Bauen sowohl die Architektur, das Handwerk als auch ein starkes Unternehmertum braucht. Auf die spektakuläre Erden Werkhalle in Schlins folgt ein aufschlussreiches Interview mit dem Lehmbaupionier Martin Rauch und der international renommierten Protagonistin des zirkulären Bauens, Anna Heringer.

Eingesprenkelt sind noch vier Essays, welche die Hintergründe der Vorarlberger Baukultur beleuchten und aktuelle Schwerpunkte hervorheben, wie Aspekte des ökologischen Bauens, der regionalen Handwerkskultur sowie der Gemeinschaftsbauten und der Urbanisierung in der Vierländerregion. Auch bei diesen Textteilen gelingt durch grafische Auflockerung und interessanter Bebilderung (komfortabel mit Bildunterschriften) wieder das Kunststück, dass die Spannung gehalten wird und die Lesenden unangestrengt ihrer geweckten Neugierde folgen können. Das ist (weihnachtliche) Freude bereitende Baukulturvermittlung.

[ Der Text erschien in KULTUR - Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft, Dez 24/Jan 25, http://www.kulturzeitschrift.at ]

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