Publikation
Roland Rainer. Das Werk des Architekten 1927-2003
Vom Sessel zum Stadtraum: geplant, errichtet, verändert, vernichtet
ISBN: 3-211-83838-4
Sprache: deutsch
Publikationsdatum: 2003
Umfang: 256 S.,
Format: gebunden,
Die Anatomie der Architektur
Funktion statt Effekt
Vom Wohnhaus zum Stadtraum: Ein Buch präsentiert das Gesamtwerk von Roland Rainer.
11. April 2004 - Gerald Heidegger
Zuerst wollte man die von ihm entworfenen Kleiderständer für die Wiener Stadthalle verschrotten. Dann wurden sie gerettet und erwarben über eine Sotheby's-Kunstauktion plötzlich Fetischcharakter.
So wie den Kleiderständern von Roland Rainer mag es so manchem Werk des Altmeisters der österreichischen Architektur gehen. Man lebt etwa in Wien seit Jahren mit dieser Architektur zusammen und „bemerkt“ sie, weil sie nicht nach vordergründigen Effekten sucht, kaum.
Blick auf ein Gesamtwerk
Ein jüngst erschienener Band über das architektonische, designerische und stadtplanerische Werk Rainers - publiziert vom Wiener Springer Verlag (Roland Rainer: Das Werk des Architekten 1927-2003) - ermögtlicht die Erfassung der innovativen Ideen hinter Rainers (Bau-)Werken.
Welcher Raum wird wie genutzt?
Das Werk Rainers ist stets eng mit städtebaulichen und stadtplanerischen Konzepten verbunden. Das schließt bei Rainer die Überlegung ein, welche Flächen man verbaut, aber auch, welche Fläche frei von Bauwerken bleiben muss.
Rainer und die Hochhausdebatte
Rainer griff in den letzten Jahren vehement in die Debatte über die Frage des Hochhausbaus ein. Rainers Äußerungen wurden oft als eine radikale Ablehnung von Hochhäusern (miss-)verstanden.
Die in dem Band versammelten Texte und Interviews Rainers belegen, dass er vor allem eine Fragestellung im Vordergrund sehen wollte: Wohin stellt man welchen Bautyp für welchen Zweck? Hochhäuser als Wohnbauten an Stellen mit viel Verkehr hatten für Rainer, der sich schon früh mit dem „Garden City Movement“ des Briten Ebenezer Howard auseinander gesetzt hatte, keinen Sinn.
Nutzung bestimmt die Form
„Meines Erachtens gibt es überhaupt kein falscheres Prinzip, als dort, wo Lärm ist und der Gestank der Abgase, Wohnungen zu bauen“, zitiert das Buch ein Interview mit Rainer. Ein Architekt, so das Credo Rainers, könne nicht einfach formale Blickpunkte setzen, „ohne zu fragen, was sie in der Nutzung bedeuten“.
Rainers Architektur ist demgemäß nicht auf vordergründig Spektakuläres angelegt. Gebäude wie die Stadthalle in Wien belegen, wie sehr Rainers gesamte Architektur von funktionalen Gedanken durchzogen ist.
Große Räume, wegweisende Lösungen
Als Rainer die Stadthalle in den 1950er Jahren konzipierte, galt es eine zentrale Fragestellung zu lösen. Wie schaffe ich eine multifunktionale Halle für 15.000 bis 20.000 Menschen, wo alle in gleichem Maß an Spektakeln unterschiedlichster Art teilhaben können? Und wie wird diese Halle nicht zu einem betriebswirtschaftlichen Fiasko, weil sie durch zu viel Raumfülle nicht klimatisierbar ist?
Rainers Lösung war eine für die damalige Zeit wegweisende Dachkonstruktion, bei der eine riesige Fläche von 100 mal 100 Metern nicht mit einer Kuppel, sondern einer innovativen Hängekonstruktion überspannt wurde.
Über das begehbare Dach konnte der gesamte Hallenraum mit Beleuchtung und anderen technischen Elementen bedient werden.
Sichtbare Anatomie
Die funktionale Verschmelzung von Tribünen und Dachkonstruktion erfuhr wenige Jahre später bei der Stadthalle in Bremen eine mehr als kühne Ausformung. Die markanten Tragwerke dieser Konstruktion, die asymmetrische Anlage der Halle setzen bis heute einen starken städtebaulichen Akzent.
Bei Rainers Bremer Projekt sieht man wahrscheinlich am ausdrücklichsten das, was der Architekt einmal als „sichtbare Anatomie der Gebäude“ bezeichnet hat.
Beschränkung auf das Wesentliche
Rainers Konzeption der Architektur mit sparsamen, stets funktionalen Mitteln ist sicher auch aus der Situation nach dem zweiten Weltkrieg entstanden.
In den 50er Jahren, so Rainer, sei es wie in den 30er Jahren „auf die Überwindung des Eklektizismus der Gründerzeit angekommen“. In der Postmoderne, sagte Rainer, lebe genau dieser Eklektizismus wieder auf. Zu Rainers Vorstellung vom Bauen verhält sich dieser Architekturstil wie ein „Feindbild“.
Die Beschränkung auf das Wesentlich zeigen seine frühen Projekte (Böhlerhaus), seine Wohnbauprojekte (etwa die Anlage auf dem Maurer Berg in Wien) ebenso wie jüngere Umbauprojekte (die Revitalisierung eines alten Biedermeierhauses in Wien durch einen viergeschoßigen, nüchternen Aufbau).
Wenn die Nüchternheit weichen muss
Rainer galt als „Doyen der österreichischen Architektur“. Vor dem zerstörerischen Zugriff auf das Werk schützen solche Huldigungen freilich nicht.
Rund um die Stadthalle gibt es Neubaupläne, Rainers Lehrlingsheim für die Arbeiterkammer in Wien-Wieden hat man überhaupt abgerissen. Statt eines großzügigen, schlichten Baukomplexes steht heute ein Gebäudemonster im Neo-Schönbrunner Stil.
In Zeiten, in denen man Wohnungen in historische Gasbehälter setzt, wären Fragen nach dem funktionalen Wert von Gebäuden ohnedies wieder hoch an der Zeit. Das Rainer-Buch könnte Teil einer architekturgeschichtlichen Lehrstunde sein.
So wie den Kleiderständern von Roland Rainer mag es so manchem Werk des Altmeisters der österreichischen Architektur gehen. Man lebt etwa in Wien seit Jahren mit dieser Architektur zusammen und „bemerkt“ sie, weil sie nicht nach vordergründigen Effekten sucht, kaum.
Blick auf ein Gesamtwerk
Ein jüngst erschienener Band über das architektonische, designerische und stadtplanerische Werk Rainers - publiziert vom Wiener Springer Verlag (Roland Rainer: Das Werk des Architekten 1927-2003) - ermögtlicht die Erfassung der innovativen Ideen hinter Rainers (Bau-)Werken.
Welcher Raum wird wie genutzt?
Das Werk Rainers ist stets eng mit städtebaulichen und stadtplanerischen Konzepten verbunden. Das schließt bei Rainer die Überlegung ein, welche Flächen man verbaut, aber auch, welche Fläche frei von Bauwerken bleiben muss.
Rainer und die Hochhausdebatte
Rainer griff in den letzten Jahren vehement in die Debatte über die Frage des Hochhausbaus ein. Rainers Äußerungen wurden oft als eine radikale Ablehnung von Hochhäusern (miss-)verstanden.
Die in dem Band versammelten Texte und Interviews Rainers belegen, dass er vor allem eine Fragestellung im Vordergrund sehen wollte: Wohin stellt man welchen Bautyp für welchen Zweck? Hochhäuser als Wohnbauten an Stellen mit viel Verkehr hatten für Rainer, der sich schon früh mit dem „Garden City Movement“ des Briten Ebenezer Howard auseinander gesetzt hatte, keinen Sinn.
Nutzung bestimmt die Form
„Meines Erachtens gibt es überhaupt kein falscheres Prinzip, als dort, wo Lärm ist und der Gestank der Abgase, Wohnungen zu bauen“, zitiert das Buch ein Interview mit Rainer. Ein Architekt, so das Credo Rainers, könne nicht einfach formale Blickpunkte setzen, „ohne zu fragen, was sie in der Nutzung bedeuten“.
Rainers Architektur ist demgemäß nicht auf vordergründig Spektakuläres angelegt. Gebäude wie die Stadthalle in Wien belegen, wie sehr Rainers gesamte Architektur von funktionalen Gedanken durchzogen ist.
Große Räume, wegweisende Lösungen
Als Rainer die Stadthalle in den 1950er Jahren konzipierte, galt es eine zentrale Fragestellung zu lösen. Wie schaffe ich eine multifunktionale Halle für 15.000 bis 20.000 Menschen, wo alle in gleichem Maß an Spektakeln unterschiedlichster Art teilhaben können? Und wie wird diese Halle nicht zu einem betriebswirtschaftlichen Fiasko, weil sie durch zu viel Raumfülle nicht klimatisierbar ist?
Rainers Lösung war eine für die damalige Zeit wegweisende Dachkonstruktion, bei der eine riesige Fläche von 100 mal 100 Metern nicht mit einer Kuppel, sondern einer innovativen Hängekonstruktion überspannt wurde.
Über das begehbare Dach konnte der gesamte Hallenraum mit Beleuchtung und anderen technischen Elementen bedient werden.
Sichtbare Anatomie
Die funktionale Verschmelzung von Tribünen und Dachkonstruktion erfuhr wenige Jahre später bei der Stadthalle in Bremen eine mehr als kühne Ausformung. Die markanten Tragwerke dieser Konstruktion, die asymmetrische Anlage der Halle setzen bis heute einen starken städtebaulichen Akzent.
Bei Rainers Bremer Projekt sieht man wahrscheinlich am ausdrücklichsten das, was der Architekt einmal als „sichtbare Anatomie der Gebäude“ bezeichnet hat.
Beschränkung auf das Wesentliche
Rainers Konzeption der Architektur mit sparsamen, stets funktionalen Mitteln ist sicher auch aus der Situation nach dem zweiten Weltkrieg entstanden.
In den 50er Jahren, so Rainer, sei es wie in den 30er Jahren „auf die Überwindung des Eklektizismus der Gründerzeit angekommen“. In der Postmoderne, sagte Rainer, lebe genau dieser Eklektizismus wieder auf. Zu Rainers Vorstellung vom Bauen verhält sich dieser Architekturstil wie ein „Feindbild“.
Die Beschränkung auf das Wesentlich zeigen seine frühen Projekte (Böhlerhaus), seine Wohnbauprojekte (etwa die Anlage auf dem Maurer Berg in Wien) ebenso wie jüngere Umbauprojekte (die Revitalisierung eines alten Biedermeierhauses in Wien durch einen viergeschoßigen, nüchternen Aufbau).
Wenn die Nüchternheit weichen muss
Rainer galt als „Doyen der österreichischen Architektur“. Vor dem zerstörerischen Zugriff auf das Werk schützen solche Huldigungen freilich nicht.
Rund um die Stadthalle gibt es Neubaupläne, Rainers Lehrlingsheim für die Arbeiterkammer in Wien-Wieden hat man überhaupt abgerissen. Statt eines großzügigen, schlichten Baukomplexes steht heute ein Gebäudemonster im Neo-Schönbrunner Stil.
In Zeiten, in denen man Wohnungen in historische Gasbehälter setzt, wären Fragen nach dem funktionalen Wert von Gebäuden ohnedies wieder hoch an der Zeit. Das Rainer-Buch könnte Teil einer architekturgeschichtlichen Lehrstunde sein.
Für den Beitrag verantwortlich: ORF.at
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