Publikation
Max Dudler
Architektur für die Stadt
ISBN: 3-7212-0451-4
Sprache: deutsch/englisch
Publikationsdatum: 2004
Umfang: 280 S.,
Format: gebunden mit Schutzumschlag, 23,5 x 29 cm
Strenge Moderne
Max Dudlers Spielart des Schweizer Minimalismus
Seit den achtziger Jahren betreibt der gebürtige Schweizer Max Dudler ein Architekturbüro in Berlin. Doch in den letzten Jahren wird seine streng rationalistische Architektur zunehmend auch in seiner Heimat wahrgenommen. Eine aufwendig gestaltete Monographie bietet nun erstmals einen Überblick über Dudlers bisheriges Schaffen.
7. Juli 2004 - Jürgen Tietz
Unter den Berliner Architekten nimmt Max Dudler eine Sonderposition ein. Zwar arbeitet auch er viel und gerne mit Naturstein. Doch anstelle des latenten Historismus, der in der Architektur der deutschen Hauptstadt seit der Wiedervereinigung zunehmend gepflegt wird, ist der 1949 im sankt-gallischen Altenrhein geborene Dudler einem strengen Rationalismus treu geblieben. Der Blick in die erste umfangreiche Monographie, die jetzt einen Überblick über 43 seiner Bauten und Projekte bietet, unterstreicht nachdrücklich, dass formale Aufgeregtheit nicht seine Sache ist. Stattdessen hat er in den letzten Jahren eine Architektursprache entwickelt, die man am besten als eine berlinische Spielart des Schweizer Minimalismus beschreiben könnte.
Berliner Moderne
Seine ersten grossen Triumphe feierte Dudler freilich in Berlin, wo er noch zu Zeiten der Internationalen Bauausstellung 1986/87 ein Umspannwerk mit einer torförmigen Fassadenhaut aus dunklen Leichtmetallquadraten nahe dem Lützowplatz errichtete. In den neunziger Jahren folgte das Bewag-Haus am Gendarmenmarkt, das sich durch seine grünlich schimmernde Natursteinfassade und die liegenden Fensterformate auszeichnet. Doch bis heute besitzt kein anderer Bau Dudlers in Berlin einen solch unangefochtenen Kultstatus wie der lange Schlauch des «Sale et Tabacchi» in der Kochstrasse. Mit dem Restaurant führte Dudler anschaulich vor, dass er es versteht, mit einfachen Mitteln höchst wirkungsvolle Innenräume zu entwerfen. Zugleich beweist er mit dem «Sale et Tabacchi», dass sich strenge Form und sinnlich Wirkung keineswegs ausschliessen müssen.
Dulders Architektur ist nicht ohne die Tradition der rationalistischen Architektur vorstellbar, die J. Christoph Bürkle in seinem Essay über «Rationalismus als universales Stadtkonzept» folgerichtig nachzeichnet. Dabei schlägt er einen Bogen von ihren Wurzeln im 18. Jahrhundert über Adolf Loos und Ludwig Wittgenstein bis hin zu Aldo Rossi und Oswald Mathias Ungers, in dessen Büro Dudler zu Beginn der achtziger Jahre gearbeitet hat. Eine andere Linie im Werk des Architekten führt in die Berliner Moderne der zwanziger Jahre. So ist es wohl mehr als ein blosser Zufall, dass Dudler sein Berliner Büro im einstigen Warenhaus der Konsumgenossenschaft betreibt, einem wunderbaren kleinen Hochhaus, das Max Taut zu Beginn der dreissiger Jahre am Kreuzberger Oranienplatz errichtet hatte. Die gefühlvoll gestaffelten Kuben und weiten Fensterflächen des Gebäudes finden ihre unmittelbare Entsprechung in den Arbeiten des Schweizers. Doch dessen Auseinandersetzung mit Taut reicht noch weiter: etwa bei der Gesamtschule, die er 1997 am Rande Berlins in Hohenschönhausen verwirklichte. Ähnlich wie Taut bei seinen Schulen vertraut auch Dudler auf eine lang gestreckte, liegende Gebäudefigur, die durch kammartige Bauteile zum Schulhof und durch einen sanften Schwung des Hauses modelliert wird.
Zu Recht verweist Gerwin Zohlen in seinem Buchbeitrag zu «Moderne und Industrie» darauf, dass Dudler auch durch «die aphoristische Schule seines grossen Landsmannes Luigi Snozzi» gegangen sei. Dessen Formulierung «Denkst du an ein Haus, dann denke an die Stadt» spiegelt sich vor allem in Dudlers Fähigkeit, stadträumliche Qualitäten herauszuarbeiten. Deutlich wird dies bei seinem leider nicht verwirklichten Entwurf für die Erweiterung des Auswärtigen Amtes in Berlin. Anstelle eines einzigen grossen Blocks, wie er schliesslich ausgeführt wurde, wollte Dudler einen differenzierten Stadtraum schaffen. Durch zwei unterschiedlich gross proportionierte Kuben sollte ein Platz vor dem Altbau des Ministeriums entstehen und zugleich ein Übergang zur Stadt gestaltet werden.
Hochhäuser für Zürich
Diese räumliche Qualität zeichnet auch seine Erweiterung des Verkehrsministeriums in Berlin aus (1999), die in einen Dialog mit dem Altbau tritt. Mit dem Neubau des Zentrums in Wetzikon knüpft Dudler an diese differenzierte Ausgestaltung umgrenzter und offener Räume an. Durch das Vor- und Zurückspringen der um einen offenen Innenhof gruppierten Baukuben entsteht eine Kleinteiligkeit, die jedoch durch die einheitliche Architektursprache wieder zusammengeführt wird.
Die Modellierung von Raum durch die spannungsvolle Zuordnung unterschiedlich proportionierter Kuben übersetzt Dudler inzwischen auch auf den Massstab «XL». So beim Hochhausensemble an der Zürcher Hagenholzstrasse, das laut Dudler bis Ende 2008 vollständig fertig gestellt werden soll. Dem hohen Baukörper mit seiner glatten Oberfläche und der stark vertikalen Gliederung steht das neue Zürcher IBM-Gebäude stilistisch gegenüber. Durch die tief eingeschnittenen Fensteröffnungen erhält der Baukörper für IBM ein starkes Fassadenrelief. Darauf antworten die doppelt so grossen Fenster des Abschlussgeschosses, die eine Art transparenter Attikazone bilden. Für Dudlers sonst so strengen Formenkanon wirkt diese Lösung schon fast manieriert. Gleichwohl verleiht sie dem Gebäude seine ganz eigene, plastische Wirkung.
Die kraftvoll-strengen Gebäudekuben Dudlers werden bei den meisten seiner Projekte durch die Verwendung von Naturstein in ihrer massiven Wirkung noch zusätzlich unterstützt - nicht immer zum Vorteil der Bauten, wird doch so die latente Neigung zur Monumentalität allzu stark gefördert. Umso spannender ist daher der Blick auf sein Projekt für einen Museumsneubau für die Sammlung Marli Hoppe-Ritter, der in Waldenbuch bei Stuttgart entsteht - natürlich auf quadratischem Grundriss, wie es sich für «Ritter-Sport»- Schokolade gehört. Die beiden weissen Gebäudeteile sollen dabei durch eine an zwei Seiten offene Halle miteinander verbunden werden. Durch seine elegante Luftigkeit und die plastische Durchgestaltung dürfte der Museumsbau, der 2005 fertig gestellt werden soll, Dudlers Werk um eine zusätzliche Qualität bereichern.
[ Max Dudler. Architektur für die Stadt. Hrsg. J. Christoph Bürkle. Niggli-Verlag, Sulgen 2004. 280 S., Fr. 98.-. ]
Berliner Moderne
Seine ersten grossen Triumphe feierte Dudler freilich in Berlin, wo er noch zu Zeiten der Internationalen Bauausstellung 1986/87 ein Umspannwerk mit einer torförmigen Fassadenhaut aus dunklen Leichtmetallquadraten nahe dem Lützowplatz errichtete. In den neunziger Jahren folgte das Bewag-Haus am Gendarmenmarkt, das sich durch seine grünlich schimmernde Natursteinfassade und die liegenden Fensterformate auszeichnet. Doch bis heute besitzt kein anderer Bau Dudlers in Berlin einen solch unangefochtenen Kultstatus wie der lange Schlauch des «Sale et Tabacchi» in der Kochstrasse. Mit dem Restaurant führte Dudler anschaulich vor, dass er es versteht, mit einfachen Mitteln höchst wirkungsvolle Innenräume zu entwerfen. Zugleich beweist er mit dem «Sale et Tabacchi», dass sich strenge Form und sinnlich Wirkung keineswegs ausschliessen müssen.
Dulders Architektur ist nicht ohne die Tradition der rationalistischen Architektur vorstellbar, die J. Christoph Bürkle in seinem Essay über «Rationalismus als universales Stadtkonzept» folgerichtig nachzeichnet. Dabei schlägt er einen Bogen von ihren Wurzeln im 18. Jahrhundert über Adolf Loos und Ludwig Wittgenstein bis hin zu Aldo Rossi und Oswald Mathias Ungers, in dessen Büro Dudler zu Beginn der achtziger Jahre gearbeitet hat. Eine andere Linie im Werk des Architekten führt in die Berliner Moderne der zwanziger Jahre. So ist es wohl mehr als ein blosser Zufall, dass Dudler sein Berliner Büro im einstigen Warenhaus der Konsumgenossenschaft betreibt, einem wunderbaren kleinen Hochhaus, das Max Taut zu Beginn der dreissiger Jahre am Kreuzberger Oranienplatz errichtet hatte. Die gefühlvoll gestaffelten Kuben und weiten Fensterflächen des Gebäudes finden ihre unmittelbare Entsprechung in den Arbeiten des Schweizers. Doch dessen Auseinandersetzung mit Taut reicht noch weiter: etwa bei der Gesamtschule, die er 1997 am Rande Berlins in Hohenschönhausen verwirklichte. Ähnlich wie Taut bei seinen Schulen vertraut auch Dudler auf eine lang gestreckte, liegende Gebäudefigur, die durch kammartige Bauteile zum Schulhof und durch einen sanften Schwung des Hauses modelliert wird.
Zu Recht verweist Gerwin Zohlen in seinem Buchbeitrag zu «Moderne und Industrie» darauf, dass Dudler auch durch «die aphoristische Schule seines grossen Landsmannes Luigi Snozzi» gegangen sei. Dessen Formulierung «Denkst du an ein Haus, dann denke an die Stadt» spiegelt sich vor allem in Dudlers Fähigkeit, stadträumliche Qualitäten herauszuarbeiten. Deutlich wird dies bei seinem leider nicht verwirklichten Entwurf für die Erweiterung des Auswärtigen Amtes in Berlin. Anstelle eines einzigen grossen Blocks, wie er schliesslich ausgeführt wurde, wollte Dudler einen differenzierten Stadtraum schaffen. Durch zwei unterschiedlich gross proportionierte Kuben sollte ein Platz vor dem Altbau des Ministeriums entstehen und zugleich ein Übergang zur Stadt gestaltet werden.
Hochhäuser für Zürich
Diese räumliche Qualität zeichnet auch seine Erweiterung des Verkehrsministeriums in Berlin aus (1999), die in einen Dialog mit dem Altbau tritt. Mit dem Neubau des Zentrums in Wetzikon knüpft Dudler an diese differenzierte Ausgestaltung umgrenzter und offener Räume an. Durch das Vor- und Zurückspringen der um einen offenen Innenhof gruppierten Baukuben entsteht eine Kleinteiligkeit, die jedoch durch die einheitliche Architektursprache wieder zusammengeführt wird.
Die Modellierung von Raum durch die spannungsvolle Zuordnung unterschiedlich proportionierter Kuben übersetzt Dudler inzwischen auch auf den Massstab «XL». So beim Hochhausensemble an der Zürcher Hagenholzstrasse, das laut Dudler bis Ende 2008 vollständig fertig gestellt werden soll. Dem hohen Baukörper mit seiner glatten Oberfläche und der stark vertikalen Gliederung steht das neue Zürcher IBM-Gebäude stilistisch gegenüber. Durch die tief eingeschnittenen Fensteröffnungen erhält der Baukörper für IBM ein starkes Fassadenrelief. Darauf antworten die doppelt so grossen Fenster des Abschlussgeschosses, die eine Art transparenter Attikazone bilden. Für Dudlers sonst so strengen Formenkanon wirkt diese Lösung schon fast manieriert. Gleichwohl verleiht sie dem Gebäude seine ganz eigene, plastische Wirkung.
Die kraftvoll-strengen Gebäudekuben Dudlers werden bei den meisten seiner Projekte durch die Verwendung von Naturstein in ihrer massiven Wirkung noch zusätzlich unterstützt - nicht immer zum Vorteil der Bauten, wird doch so die latente Neigung zur Monumentalität allzu stark gefördert. Umso spannender ist daher der Blick auf sein Projekt für einen Museumsneubau für die Sammlung Marli Hoppe-Ritter, der in Waldenbuch bei Stuttgart entsteht - natürlich auf quadratischem Grundriss, wie es sich für «Ritter-Sport»- Schokolade gehört. Die beiden weissen Gebäudeteile sollen dabei durch eine an zwei Seiten offene Halle miteinander verbunden werden. Durch seine elegante Luftigkeit und die plastische Durchgestaltung dürfte der Museumsbau, der 2005 fertig gestellt werden soll, Dudlers Werk um eine zusätzliche Qualität bereichern.
[ Max Dudler. Architektur für die Stadt. Hrsg. J. Christoph Bürkle. Niggli-Verlag, Sulgen 2004. 280 S., Fr. 98.-. ]
Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung
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