Publikation
Einzigartige Objekte
Architektur und Philosophie
ISBN: 3-85165-589-3
Publikationsdatum: 2003
Umfang: 125 S.,
Format: Broschur,
Einzigartige Architektur?
Baudrillard und Nouvel im Gespräch
31. Dezember 2004 - Klaus Englert
Der holländische Architekt Rem Koolhaas hat in den neunziger Jahren, als Südostasien von anämischen Hochhauslandschaften überwuchert wurde, von der unaufhaltsamen Ausbreitung des «junk space» gesprochen. Angesichts dieser Tendenz könnte man meinen, dass Architektur zum Refugium der «happy few» unter den internationalen Stars geworden ist, die sich ihre Bauherren aussuchen können. Jean Nouvel, selbst einer der «happy few», und der Philosoph Jean Baudrillard fragten in einer vom Pariser Maison des écrivains organisierten Diskussionsreihe nach der Einzigartigkeit der Architektur. Wie nicht anders zu erwarten, tastete man sich zunächst langsam zu den begrifflichen Voraussetzungen des Gesprächs vor. Denn wenn bei weitem nicht alles Gebaute schon Architektur ist, unter welchen Umständen kann dann von «einzigartiger Architektur» gesprochen werden? Oder, allgemeiner, von «einzigartigen Objekten»?
In seinem beachtlichen Frühwerk «Le système des objets» hatte Baudrillard eine kontrollierte Warenwelt beschrieben, in der die Objekte zu einem Gefüge von Funktionen geworden sind, denen jegliches Mysterium und Naturhafte ausgetrieben ist. Für diese Welt des Konsums, die nichts von ihrem Produktionsgrund weiss und nur noch die kulturelle Kohärenz von «Zeichen-Objekten» kennt, kann es keine einzigartigen Objekte geben. Angesichts der Globalisierung hat Baudrillard nun diese These revidiert. Das Einzigartige versteht er als Stachel in der globalen Entwicklung des Kapitalismus; als «Riss» in der weltweiten Vernetzung der Machtzentren. Im Jahre 2000, als Baudrillard das Gespräch mit Nouvel führte, schien er seine anarchische Lust noch bändigen zu wollen, als er den Finanzmoloch New York als einen Körper beschrieb, «der bereits da ist und den man nicht mehr zerstören kann». Nach dem Attentat vom 11. September 2001 glaubte er verkünden zu sollen: «Der Zusammenbruch der Türme ist ein symbolisches Ereignis höherer Ordnung. [. . .] Er ist ein einzigartiges Ereignis in der Geschichte der modernen Stadt, er präfiguriert eine Form des dramatischen Endes, um nicht zu sagen des Verschwindens dieser Form von Architektur wie auch des von ihr inkarnierten Weltsystems.»
Gibt es tatsächlich so etwas wie die «Architektur als reines Ereignis», von der Baudrillard träumt? Sicherlich liegt sie am ehesten in einer Bestimmung, der am Schluss beide Gesprächspartner zustimmen: Wenn eine gebaute Architektur etwas Einzigartiges ist, dann nur, wenn sie Ballast abwirft, wenn sie aus der Idee und der Geschichte der Architektur heraustritt. Solche Architektur zielt nicht auf Veränderung anhand von Modellen, sondern auf ein Werden ohne klare Richtungsangabe. Baudrillard: «Dahin zu gelangen, alles auszuschalten, leer zu machen, ist zweifellos die Vorbedingung zu jedem authentischen Schaffensakt. Wenn du keine Leere machst, wirst du niemals zur Einzigartigkeit gelangen.»
[ Jean Baudrillard, Jean Nouvel: Einzigartige Objekte. Architektur und Philosophie. Passagen, Wien 2004. 125 S., Fr. 28.80. ]
In seinem beachtlichen Frühwerk «Le système des objets» hatte Baudrillard eine kontrollierte Warenwelt beschrieben, in der die Objekte zu einem Gefüge von Funktionen geworden sind, denen jegliches Mysterium und Naturhafte ausgetrieben ist. Für diese Welt des Konsums, die nichts von ihrem Produktionsgrund weiss und nur noch die kulturelle Kohärenz von «Zeichen-Objekten» kennt, kann es keine einzigartigen Objekte geben. Angesichts der Globalisierung hat Baudrillard nun diese These revidiert. Das Einzigartige versteht er als Stachel in der globalen Entwicklung des Kapitalismus; als «Riss» in der weltweiten Vernetzung der Machtzentren. Im Jahre 2000, als Baudrillard das Gespräch mit Nouvel führte, schien er seine anarchische Lust noch bändigen zu wollen, als er den Finanzmoloch New York als einen Körper beschrieb, «der bereits da ist und den man nicht mehr zerstören kann». Nach dem Attentat vom 11. September 2001 glaubte er verkünden zu sollen: «Der Zusammenbruch der Türme ist ein symbolisches Ereignis höherer Ordnung. [. . .] Er ist ein einzigartiges Ereignis in der Geschichte der modernen Stadt, er präfiguriert eine Form des dramatischen Endes, um nicht zu sagen des Verschwindens dieser Form von Architektur wie auch des von ihr inkarnierten Weltsystems.»
Gibt es tatsächlich so etwas wie die «Architektur als reines Ereignis», von der Baudrillard träumt? Sicherlich liegt sie am ehesten in einer Bestimmung, der am Schluss beide Gesprächspartner zustimmen: Wenn eine gebaute Architektur etwas Einzigartiges ist, dann nur, wenn sie Ballast abwirft, wenn sie aus der Idee und der Geschichte der Architektur heraustritt. Solche Architektur zielt nicht auf Veränderung anhand von Modellen, sondern auf ein Werden ohne klare Richtungsangabe. Baudrillard: «Dahin zu gelangen, alles auszuschalten, leer zu machen, ist zweifellos die Vorbedingung zu jedem authentischen Schaffensakt. Wenn du keine Leere machst, wirst du niemals zur Einzigartigkeit gelangen.»
[ Jean Baudrillard, Jean Nouvel: Einzigartige Objekte. Architektur und Philosophie. Passagen, Wien 2004. 125 S., Fr. 28.80. ]
Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung
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