Publikation
Pariser Platz
Neubau der Akademie der Künste
ISBN: 3-936314-36-5
Sprache: deutsch und englisch
Publikationsdatum: 2005
Umfang: 264 S., mit 200 farb. und s/w Abbildungen
Format: Hardcover, 28cm x 29 cm
Die Akademie im Glashaus
Eröffnung von Günter Behnischs Neubau in Berlin
Mit den höchsten staatlichen Weihen wird heute Samstag in Berlin der Neubau der Akademie der Künste am Pariser Platz feierlich eingeweiht. Das repräsentative Haus am prominenten Ort nimmt die Institution in die Pflicht: In der Öffentlichkeit wird von der Bundeseinrichtung mehr gesellschaftliches Engagement gefordert.
21. Mai 2005 - Claudia Schwartz
Das jüngste Haus am Pariser Platz mutet an wie ein Nachzügler: ein verspäteter Bote aus jener Werkstatt der Einheit, in der man über der Frage des architektonischen Umgangs mit der Geschichte der Hauptstadt in einen heillosen Fassadenstreit geriet. Auch den Entwurf der Architekten Günter Behnisch, Manfred Sabatke und Werner Durth für die Akademie legten die Berliner Zuständigen erst in den Giftschrank, was - neben den üblichen Berliner Bauskandalen - zu erheblichen Verzögerungen führte. Sieht man einmal von der zukünftigen amerikanischen Botschaft ab, so schliesst die Akademie als letztes Haus das Karree, das den geschichtsträchtigen Platz beim Brandenburger Tor umgibt. Von ihrer Architektur konnte man insofern Besonderes erwarten, als die Institution, für die sie steht, eine Abteilung für Baukunst führt.
Das Ergebnis zum Pariser Platz hin wirkt nun allerdings nicht überzeugend, da das gläserne Gebäude in seinem verschatteten Winkel tagsüber eher gesichtslos anmutet. Man kann es nur begrüssen, dass sich die Akademie vom Neo-Stil der kritischen Rekonstruktion ihrer Nachbarn distanziert. Aber einen expliziten Antipoden zur geschlossenen Gesellschaft aus Stein rundherum stellt sie nicht dar. Statt auf eine dezidierte Stellungnahme setzt man auf der Vorderseite auf ein verschroben anmutendes Zitat in Gestalt einer Gitterstruktur, die an die Proportionen des einstigen Altbaus erinnern soll. Die ewige Berliner Dichotomie von Glas contra Stein wirkt heute noch anachronistischer und provinzieller als schon zur Zeit des Architekturstreits: Eine Vision von zeitgemässem Städtebau gibt der Pariser Platz nicht ab.
Kulturdampfer
Man würde dem Neubau allerdings nicht gerecht, wenn man in ihm nur eine Reaktion auf den berühmten Berliner Streit erkennt. Seine Transparenz hat einen tieferen Sinn, da sich die neue Fassade, tritt man näher, zurücknimmt zugunsten des ans Foyer anschliessenden architektonischen Relikts aus der Zeit nach 1900. Neben dem Brandenburger Tor sind die Ausstellungshallen Ernst von Ihnes das einzige Zeugnis der über dreihundertjährigen Geschichte des Platzes. Behnisch schlägt mit der Aussenfassade aus Glas und Stahl eine Brücke zu diesen Ausstellungsräumen mit ihren grossflächigen Oberlichtern. Die alten Schausäle gehören zum Schönsten, was Berlin in dieser Art zu bieten hat, und die Architekten taten gut daran, eine Anbiederung an das Überlieferte durch Nachahmung zu meiden. So respektiert die neue Architektur nun die alte, indem sie sich in gebotener Distanz schützend um sie legt.
Besucher lassen im leicht ansteigenden Foyer das Niveau der Strasse sogleich hinter sich auf dem Weg in höhere Gefilde. Hier öffnet sich die Akademie als Lichthof hoch hinaus mit Stegen, Treppen, Podesten und verschobenen Ebenen. Dem Akademiepräsidenten werden die luftig gelegenen Standorte, die sich für die traditionelle Treppenrede anbieten, in Zukunft Schwindelfreiheit abfordern. Es ist nicht zu übersehen, dass dieser Kulturdampfer in Scharouns Bücherschiff der Staatsbibliothek im Westen der Stadt einen Vorläufer besitzt. Ein unmissverständliches Statement hat sich Behnisch als Baumeister der Bonner Republik also doch noch geleistet in Berlin, wo die Baupolitik die Moderne gern zu ihrem Feindbild erklärt. Im Eingangsbereich teilen sich die Wege zum Verwaltungstrakt, zu den historischen Räumen und hin zu einem Wandelgang, der sich als öffentlicher Weg durch das ganze Gebäude hindurchzieht und den Pariser Platz mit dem Holocaust-Mahnmal an der Behrensstrasse verbindet. Eine freundliche Geste der Durchlässigkeit im Stadtzentrum, das aufgrund der Sicherheitsbestimmungen mancher Botschaften mittlerweile Sperrgebiet ist.
In ihrem Inneren zeigt sich die Akademie als Haus der Begegnung, das nachts einladend in den Stadtraum leuchtet: eine Raumlandschaft, die immer neue Perspektiven freigibt, wenn man sie erkundet. Die Materialien sind dezent gewählt mit Terrazzoböden, Eichenparkett und Treppengeländern aus Metall und Ahornläufen. Vielschichtig wird die wechselvolle Geschichte des Ortes lesbar, der im Dritten Reich von Speers Generalbauinspektion und später von den DDR- Grenztruppen genutzt wurde. Farbliche Referenzen an das Brandenburger Tor im Plenarsaal und im Klubraum öffnen das Haus optisch zum Pariser Platz. Berlin ist nicht arm an Aussichtspunkten. Aber von hier aus hat man den atemraubendsten Blick: Auge in Auge mit der Quadriga, sieht man zum Kanzleramt im Spreebogen und zur Reichstagskuppel hinüber.
Herbstlaub im Mai
Die Akademie der Künste wird aus Platzgründen auch weiterhin ihren idyllischen Westberliner Sitz im Hansaviertel behalten. Behnisch hat mit seiner Architektur die Aufgabe des zukünftig ersten Standortes am Pariser Platz vorgezeichnet. Die Architektur nimmt die Einrichtung in die Pflicht: als symbolträchtiges Haus zwischen deutscher Vergangenheit und Zukunft, die Insignien der Berliner Republik im Blick. Die Rückkehr der Akademie ins Zentrum Berlins markiert das Ende einer Zeit der politischen Wirren, der baulichen Zerstörung und institutionellen Zerrissenheit, die Nationalsozialismus, Krieg, deutsche Teilung und selbst der Mauerfall über die Künstlervereinigung brachten. Wenn das Haus heute Samstag in Anwesenheit von Bundeskanzler und Bundespräsident eröffnet wird, täuscht das nicht darüber hinweg, dass es um die Einrichtung mehr als still geworden ist, nachdem man sich in den neunziger Jahren wegen Ost-West-Grabenkämpfen vorwiegend mit sich selbst beschäftigt hatte.
Nicht nur die Übernahme der ehemals «Königlich-Preussischen Akademie der Künste» durch den Bund im vergangenen Jahr hat die Frage aufgeworfen, welche Aufgabe der über dreihundertjährigen Gesellschaft heute zukommt. Von nationaler Strahlkraft kann keine Rede sein. Selbst bei den naheliegendsten Diskussionen wie jener um die Misere der Berliner Gedenkstätte «Topographie des Terrors» hat man sich gedrückt, Stellung zu beziehen. Die Akademie muss sich eine neue Identität geben. Der derzeitige Präsident, Adolf Muschg, der mittlerweile am Pariser Platz residiert, weiss um die grossen Erwartungen, die am prominenten Standort auf der Einrichtung ruhen.
Wenige Tage vor der Eröffnung hat Muschg öffentlich erklärt, dass die Akademie wieder eine vernehmbare Stimme in aktuellen Fragen werden muss. Allerdings weiss auch er, wie schwierig es ist, diesen Impuls zu geben. Es sei eben nicht mehr wie in den sechziger oder siebziger Jahren, als sich künstlerisches Schaffen per se als politische Einmischung verstand, so Muschg. Kommt hinzu, dass sich an der Spree seit den neunziger Jahren eine Reihe von Stiftungen aus Politik und Wirtschaft längst als Foren für Gesellschaftsfragen etabliert haben, und auch an kulturellen Anziehungspunkten ist die Stadt bekanntlich nicht arm. Die Zeiten, in denen die Akademie im lauschigen Tiergartenviertel unter sich das Weinglas erhob, sind vorbei. Soll das Herbstlaub, das man sich aufs neue Glasdach gemalt hat, nicht zum Sinnbild eigener Befindlichkeit werden, muss sich die Akademie bewegen. Das Haus dazu hat sie.
[ Publikation zum Haus: Werner Durth und Günther Behnisch: Berlin - Pariser Platz. Neubau der Akademie der Künste. Jovis-Verlag, Berlin 2005. 200 Abb., 264 S., Fr. 83.20. ]
Das Ergebnis zum Pariser Platz hin wirkt nun allerdings nicht überzeugend, da das gläserne Gebäude in seinem verschatteten Winkel tagsüber eher gesichtslos anmutet. Man kann es nur begrüssen, dass sich die Akademie vom Neo-Stil der kritischen Rekonstruktion ihrer Nachbarn distanziert. Aber einen expliziten Antipoden zur geschlossenen Gesellschaft aus Stein rundherum stellt sie nicht dar. Statt auf eine dezidierte Stellungnahme setzt man auf der Vorderseite auf ein verschroben anmutendes Zitat in Gestalt einer Gitterstruktur, die an die Proportionen des einstigen Altbaus erinnern soll. Die ewige Berliner Dichotomie von Glas contra Stein wirkt heute noch anachronistischer und provinzieller als schon zur Zeit des Architekturstreits: Eine Vision von zeitgemässem Städtebau gibt der Pariser Platz nicht ab.
Kulturdampfer
Man würde dem Neubau allerdings nicht gerecht, wenn man in ihm nur eine Reaktion auf den berühmten Berliner Streit erkennt. Seine Transparenz hat einen tieferen Sinn, da sich die neue Fassade, tritt man näher, zurücknimmt zugunsten des ans Foyer anschliessenden architektonischen Relikts aus der Zeit nach 1900. Neben dem Brandenburger Tor sind die Ausstellungshallen Ernst von Ihnes das einzige Zeugnis der über dreihundertjährigen Geschichte des Platzes. Behnisch schlägt mit der Aussenfassade aus Glas und Stahl eine Brücke zu diesen Ausstellungsräumen mit ihren grossflächigen Oberlichtern. Die alten Schausäle gehören zum Schönsten, was Berlin in dieser Art zu bieten hat, und die Architekten taten gut daran, eine Anbiederung an das Überlieferte durch Nachahmung zu meiden. So respektiert die neue Architektur nun die alte, indem sie sich in gebotener Distanz schützend um sie legt.
Besucher lassen im leicht ansteigenden Foyer das Niveau der Strasse sogleich hinter sich auf dem Weg in höhere Gefilde. Hier öffnet sich die Akademie als Lichthof hoch hinaus mit Stegen, Treppen, Podesten und verschobenen Ebenen. Dem Akademiepräsidenten werden die luftig gelegenen Standorte, die sich für die traditionelle Treppenrede anbieten, in Zukunft Schwindelfreiheit abfordern. Es ist nicht zu übersehen, dass dieser Kulturdampfer in Scharouns Bücherschiff der Staatsbibliothek im Westen der Stadt einen Vorläufer besitzt. Ein unmissverständliches Statement hat sich Behnisch als Baumeister der Bonner Republik also doch noch geleistet in Berlin, wo die Baupolitik die Moderne gern zu ihrem Feindbild erklärt. Im Eingangsbereich teilen sich die Wege zum Verwaltungstrakt, zu den historischen Räumen und hin zu einem Wandelgang, der sich als öffentlicher Weg durch das ganze Gebäude hindurchzieht und den Pariser Platz mit dem Holocaust-Mahnmal an der Behrensstrasse verbindet. Eine freundliche Geste der Durchlässigkeit im Stadtzentrum, das aufgrund der Sicherheitsbestimmungen mancher Botschaften mittlerweile Sperrgebiet ist.
In ihrem Inneren zeigt sich die Akademie als Haus der Begegnung, das nachts einladend in den Stadtraum leuchtet: eine Raumlandschaft, die immer neue Perspektiven freigibt, wenn man sie erkundet. Die Materialien sind dezent gewählt mit Terrazzoböden, Eichenparkett und Treppengeländern aus Metall und Ahornläufen. Vielschichtig wird die wechselvolle Geschichte des Ortes lesbar, der im Dritten Reich von Speers Generalbauinspektion und später von den DDR- Grenztruppen genutzt wurde. Farbliche Referenzen an das Brandenburger Tor im Plenarsaal und im Klubraum öffnen das Haus optisch zum Pariser Platz. Berlin ist nicht arm an Aussichtspunkten. Aber von hier aus hat man den atemraubendsten Blick: Auge in Auge mit der Quadriga, sieht man zum Kanzleramt im Spreebogen und zur Reichstagskuppel hinüber.
Herbstlaub im Mai
Die Akademie der Künste wird aus Platzgründen auch weiterhin ihren idyllischen Westberliner Sitz im Hansaviertel behalten. Behnisch hat mit seiner Architektur die Aufgabe des zukünftig ersten Standortes am Pariser Platz vorgezeichnet. Die Architektur nimmt die Einrichtung in die Pflicht: als symbolträchtiges Haus zwischen deutscher Vergangenheit und Zukunft, die Insignien der Berliner Republik im Blick. Die Rückkehr der Akademie ins Zentrum Berlins markiert das Ende einer Zeit der politischen Wirren, der baulichen Zerstörung und institutionellen Zerrissenheit, die Nationalsozialismus, Krieg, deutsche Teilung und selbst der Mauerfall über die Künstlervereinigung brachten. Wenn das Haus heute Samstag in Anwesenheit von Bundeskanzler und Bundespräsident eröffnet wird, täuscht das nicht darüber hinweg, dass es um die Einrichtung mehr als still geworden ist, nachdem man sich in den neunziger Jahren wegen Ost-West-Grabenkämpfen vorwiegend mit sich selbst beschäftigt hatte.
Nicht nur die Übernahme der ehemals «Königlich-Preussischen Akademie der Künste» durch den Bund im vergangenen Jahr hat die Frage aufgeworfen, welche Aufgabe der über dreihundertjährigen Gesellschaft heute zukommt. Von nationaler Strahlkraft kann keine Rede sein. Selbst bei den naheliegendsten Diskussionen wie jener um die Misere der Berliner Gedenkstätte «Topographie des Terrors» hat man sich gedrückt, Stellung zu beziehen. Die Akademie muss sich eine neue Identität geben. Der derzeitige Präsident, Adolf Muschg, der mittlerweile am Pariser Platz residiert, weiss um die grossen Erwartungen, die am prominenten Standort auf der Einrichtung ruhen.
Wenige Tage vor der Eröffnung hat Muschg öffentlich erklärt, dass die Akademie wieder eine vernehmbare Stimme in aktuellen Fragen werden muss. Allerdings weiss auch er, wie schwierig es ist, diesen Impuls zu geben. Es sei eben nicht mehr wie in den sechziger oder siebziger Jahren, als sich künstlerisches Schaffen per se als politische Einmischung verstand, so Muschg. Kommt hinzu, dass sich an der Spree seit den neunziger Jahren eine Reihe von Stiftungen aus Politik und Wirtschaft längst als Foren für Gesellschaftsfragen etabliert haben, und auch an kulturellen Anziehungspunkten ist die Stadt bekanntlich nicht arm. Die Zeiten, in denen die Akademie im lauschigen Tiergartenviertel unter sich das Weinglas erhob, sind vorbei. Soll das Herbstlaub, das man sich aufs neue Glasdach gemalt hat, nicht zum Sinnbild eigener Befindlichkeit werden, muss sich die Akademie bewegen. Das Haus dazu hat sie.
[ Publikation zum Haus: Werner Durth und Günther Behnisch: Berlin - Pariser Platz. Neubau der Akademie der Künste. Jovis-Verlag, Berlin 2005. 200 Abb., 264 S., Fr. 83.20. ]
Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung
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