Award
ZV-Bauherrenpreis 2007
Bauherrenpreis - ZV der Architekt:innen Österreichs - Wien (A)
Preisverleihung: 9. November 2007
Der dritte Lehrer ist der Raum
Gestern, Freitag, wurde der Österreichische Bauherrenpreis 2007 vergeben. Einer von insgesamt sechs Preisträgern ist die Sonderschule in Schwechat.
10. November 2007 - Wojciech Czaja
Christoph blättert in seinem neuen Ratatouille-Buch, das zum gleichnamigen Disney-Film erschienen ist. Er ist völlig vertieft in die Materie der gezeichneten Nagetiere und hat der Lektüre selbst schon ein paar Ecken abgebissen. Plötzlich steht die Schuldirektorin in der Tür. Christoph schnellt empor, läuft zu ihr hin und umarmt sie. Minnea sitzt in der Zwischenzeit im Wintergarten und malt mit ihren Händen Schattenbilder an die Wand. Und Hanna muss weinen, wenn nach neun Schulstunden der Unterricht zu Ende ist und der Heimweg bevorsteht.
Eine Schule wie im Schlaraffenland - ja, gibt's denn das? „Jeden Abend haben wir mit einigen Kindern zu kämpfen, denen es in der Schule so gut gefällt, dass sie gar nicht nach Hause gehen möchten“, sagt Ingeborg Schramm, Direktorin der Sonderschule Schwechat, „einige Kinder fragen mich täglich, ob sie auch am Wochenende zur Schule gehen dürfen.“ Die Sonderschule Schwechat ist in jeder Hinsicht ein Sonderfall. Sie beherbergt Schüler und Schülerinnen, die einer speziellen Form der Betreuung bedürfen. Viele Kinder sind verhaltensauffällig, manche haben das Down-Syndrom, andere sind von Geburt an geistig, körperlich und mehrfach behindert.
„Es sind 81 Schüler mit 81 Lernzielen“, sagt die Direktorin und verweist auf die vor einem Jahr eröffnete Schule, die all diesen Anforderungen scheinbar mühelos gerecht wird. Es gibt enorme Gangflächen zum Herumtoben, Wintergärten zum Entspannen, Nischen zum Alleinsein. Es gibt einen Turnsaal, der sich im Sommer zum Garten hin öffnen lässt und dann für große Schulaufführungen genutzt werden kann, und es gibt ein eigenes Therapiebecken, in dem man die ganz normalen Schulsorgen einmal am Tag im buchstäblichen Wasser ertränken kann. Schramm: „Der Swimmingpool ist unser absoluter Hit!“
Dass all diese Anforderungen in ein intelligentes Korsett namens Schulgebäude geschnürt werden konnten, ist das Verdienst der Wiener Architekten fasch&fuchs. Doch ihre ganze Planungs- und Überzeugungsarbeit wäre mit einem Schlag zunichte, stünde hinter dem Projekt nicht eine ebenso ambitionierte Gemeinde, die dieses umfangreiche Raumprogramm gewünscht, beschlossen und schließlich auch finanziert hat. So erklärt sich auch der kürzlich gefällte Beschluss der Zentralvereinigung der Architekten Österreichs: Die Sonderschule in Schwechat ist eines von insgesamt sechs Projekten, die heuer mit dem Bauherrenpreis 2007 ausgezeichnet wurden. Die Preisverleihung fand gestern, Freitag, statt.
„Es freut mich sehr, dass einer der Bauherrenpreise an uns gegangen ist“, erklärt Schramm, „wenn ich ehrlich sein muss, ist das der perfekte Abschluss eines guten Projekts.“ Die Zusammenarbeit zwischen der Sonderschulgemeinde Schwechat, der Schulleitung und den Architekten Hemma Fasch und Jakob Fuchs sei ausgezeichnet und vorbildlich gewesen. „Ich habe schon so oft gehört, dass Architekten im Umgang schwierig sind - und von Behörden weiß man das ja auch. Aber stattdessen hat sich hier eine allseits befruchtende Partnerschaft ergeben.“
Lernen im modernen Umfeld
Die Schule ist das, was man auf den ersten Blick als kühlen Stahl-Glas-Bau abqualifizieren würde. Und das für eine Sonderschule, die armen Kinder! Das Gegenteil ist der Fall. Das Gebäude bietet Offenheit und Freiheit, die den Kindern nach vielen Jahren des dunklen Lernens im alten und schäbigen Schulhaus sichtlich entgegenkommt. Ein Toben und ein Laufen, ein Innehalten und ein Lachen. Ein Kind habe drei Lehrer, sagt der deutsche Pädagoge Otto Seydel, „der erste Lehrer sind die anderen Kinder, der zweite Lehrer ist der Lehrer, der dritte Lehrer ist der Raum.“ Erst wenn all diese Lehrer an einem Strang ziehen, kann schönes und erfolgreiches Lernen gedeihen. Die Architektur leistet ihren Part.
„Den meisten Schulen fehlen Räume zum Wohnen“, sagt Hemma Fasch, „wir wollten einen schnellen Wechsel zwischen Lern- und Wohnatmosphäre, damit sich die Kinder gleich zurückziehen können, wenn sie überfordert sind.“ Möglichkeiten gibt es genug: In jeder Klasse gibt es einen so genannten Time-out-Raum, in dem man sich mal ordentlich austoben und gegen schaumstoffverkleidete Wände treten kann, wenn einem gerade danach ist. Doch des Kindes liebster Punkt ist der so genannte Snoezelen-Raum. Snoezelen ist ein ursprünglich niederländisches Kunstwort und bezeichnet ein spezielles Freizeitangebot für behinderte Menschen: Ein zehn Quadratmeter großer Raum ist mit Wasserbett, Kuschelhöhle, Discokugel, schummrigem Licht und Beschallungsanlage ausgestattet. Wer einmal genug von der Welt hat, kann sich hierher zurückziehen und im Taumel von Licht und Musik wieder zur Ruhe finden.
„Früher war Sonderschule ein Unwort. Die eigene Tochter oder den eigenen Sohn in die Obhut einer Sonderschule zu geben, war für Eltern die letzte aller Möglichkeiten“, sagt Schuldirektorin Ingeborg Schramm, „das hat sich nun geändert. Manche Eltern entscheiden sich bewusst für unsere Sonderschule, weil ihnen die Atmosphäre bei uns zusagt.“ Natürlich liege es nicht in erster Linie an der Architektur, dass in der Schule so eine entspannte Stimmung herrscht: „Es sind in erster Linie die Lehrerinnen und Lehrer, die dazu beitragen“, erklärt Architekt Jakob Fuchs, „aber zu einem kleinen Teil macht es auch uns glücklich, dass die Schule so gut angenommen wird. Man kann guten Gewissens sagen: Diese Schule animiert zum Wohnen. Was Besseres kann man sich als Architekt nicht wünschen.“
Detail am Rande: Lernen muss keinem starren Schulsystem folgen. Da die Kinder oft länger in der Schule bleiben als sie müssten, wollten sie die Pflege und Instandhaltung des Gebäudes gleich selbst in die Hand nehmen. Die Schuldirektorin hat darauf reagiert und drei neue Schulfächer namens Landschaftspflege, Gebäudereinigung und Küchendienst eingeführt. Statt Vandalismus gibt es heute sittsam gestutzte Bäumchen, Salatköpfe im Garten und blitzblank polierte Fensterscheiben. Die Errichtungskosten der Sonderschule Schwechat belaufen sich auf 7,7 Millionen Euro.
Eine Schule wie im Schlaraffenland - ja, gibt's denn das? „Jeden Abend haben wir mit einigen Kindern zu kämpfen, denen es in der Schule so gut gefällt, dass sie gar nicht nach Hause gehen möchten“, sagt Ingeborg Schramm, Direktorin der Sonderschule Schwechat, „einige Kinder fragen mich täglich, ob sie auch am Wochenende zur Schule gehen dürfen.“ Die Sonderschule Schwechat ist in jeder Hinsicht ein Sonderfall. Sie beherbergt Schüler und Schülerinnen, die einer speziellen Form der Betreuung bedürfen. Viele Kinder sind verhaltensauffällig, manche haben das Down-Syndrom, andere sind von Geburt an geistig, körperlich und mehrfach behindert.
„Es sind 81 Schüler mit 81 Lernzielen“, sagt die Direktorin und verweist auf die vor einem Jahr eröffnete Schule, die all diesen Anforderungen scheinbar mühelos gerecht wird. Es gibt enorme Gangflächen zum Herumtoben, Wintergärten zum Entspannen, Nischen zum Alleinsein. Es gibt einen Turnsaal, der sich im Sommer zum Garten hin öffnen lässt und dann für große Schulaufführungen genutzt werden kann, und es gibt ein eigenes Therapiebecken, in dem man die ganz normalen Schulsorgen einmal am Tag im buchstäblichen Wasser ertränken kann. Schramm: „Der Swimmingpool ist unser absoluter Hit!“
Dass all diese Anforderungen in ein intelligentes Korsett namens Schulgebäude geschnürt werden konnten, ist das Verdienst der Wiener Architekten fasch&fuchs. Doch ihre ganze Planungs- und Überzeugungsarbeit wäre mit einem Schlag zunichte, stünde hinter dem Projekt nicht eine ebenso ambitionierte Gemeinde, die dieses umfangreiche Raumprogramm gewünscht, beschlossen und schließlich auch finanziert hat. So erklärt sich auch der kürzlich gefällte Beschluss der Zentralvereinigung der Architekten Österreichs: Die Sonderschule in Schwechat ist eines von insgesamt sechs Projekten, die heuer mit dem Bauherrenpreis 2007 ausgezeichnet wurden. Die Preisverleihung fand gestern, Freitag, statt.
„Es freut mich sehr, dass einer der Bauherrenpreise an uns gegangen ist“, erklärt Schramm, „wenn ich ehrlich sein muss, ist das der perfekte Abschluss eines guten Projekts.“ Die Zusammenarbeit zwischen der Sonderschulgemeinde Schwechat, der Schulleitung und den Architekten Hemma Fasch und Jakob Fuchs sei ausgezeichnet und vorbildlich gewesen. „Ich habe schon so oft gehört, dass Architekten im Umgang schwierig sind - und von Behörden weiß man das ja auch. Aber stattdessen hat sich hier eine allseits befruchtende Partnerschaft ergeben.“
Lernen im modernen Umfeld
Die Schule ist das, was man auf den ersten Blick als kühlen Stahl-Glas-Bau abqualifizieren würde. Und das für eine Sonderschule, die armen Kinder! Das Gegenteil ist der Fall. Das Gebäude bietet Offenheit und Freiheit, die den Kindern nach vielen Jahren des dunklen Lernens im alten und schäbigen Schulhaus sichtlich entgegenkommt. Ein Toben und ein Laufen, ein Innehalten und ein Lachen. Ein Kind habe drei Lehrer, sagt der deutsche Pädagoge Otto Seydel, „der erste Lehrer sind die anderen Kinder, der zweite Lehrer ist der Lehrer, der dritte Lehrer ist der Raum.“ Erst wenn all diese Lehrer an einem Strang ziehen, kann schönes und erfolgreiches Lernen gedeihen. Die Architektur leistet ihren Part.
„Den meisten Schulen fehlen Räume zum Wohnen“, sagt Hemma Fasch, „wir wollten einen schnellen Wechsel zwischen Lern- und Wohnatmosphäre, damit sich die Kinder gleich zurückziehen können, wenn sie überfordert sind.“ Möglichkeiten gibt es genug: In jeder Klasse gibt es einen so genannten Time-out-Raum, in dem man sich mal ordentlich austoben und gegen schaumstoffverkleidete Wände treten kann, wenn einem gerade danach ist. Doch des Kindes liebster Punkt ist der so genannte Snoezelen-Raum. Snoezelen ist ein ursprünglich niederländisches Kunstwort und bezeichnet ein spezielles Freizeitangebot für behinderte Menschen: Ein zehn Quadratmeter großer Raum ist mit Wasserbett, Kuschelhöhle, Discokugel, schummrigem Licht und Beschallungsanlage ausgestattet. Wer einmal genug von der Welt hat, kann sich hierher zurückziehen und im Taumel von Licht und Musik wieder zur Ruhe finden.
„Früher war Sonderschule ein Unwort. Die eigene Tochter oder den eigenen Sohn in die Obhut einer Sonderschule zu geben, war für Eltern die letzte aller Möglichkeiten“, sagt Schuldirektorin Ingeborg Schramm, „das hat sich nun geändert. Manche Eltern entscheiden sich bewusst für unsere Sonderschule, weil ihnen die Atmosphäre bei uns zusagt.“ Natürlich liege es nicht in erster Linie an der Architektur, dass in der Schule so eine entspannte Stimmung herrscht: „Es sind in erster Linie die Lehrerinnen und Lehrer, die dazu beitragen“, erklärt Architekt Jakob Fuchs, „aber zu einem kleinen Teil macht es auch uns glücklich, dass die Schule so gut angenommen wird. Man kann guten Gewissens sagen: Diese Schule animiert zum Wohnen. Was Besseres kann man sich als Architekt nicht wünschen.“
Detail am Rande: Lernen muss keinem starren Schulsystem folgen. Da die Kinder oft länger in der Schule bleiben als sie müssten, wollten sie die Pflege und Instandhaltung des Gebäudes gleich selbst in die Hand nehmen. Die Schuldirektorin hat darauf reagiert und drei neue Schulfächer namens Landschaftspflege, Gebäudereinigung und Küchendienst eingeführt. Statt Vandalismus gibt es heute sittsam gestutzte Bäumchen, Salatköpfe im Garten und blitzblank polierte Fensterscheiben. Die Errichtungskosten der Sonderschule Schwechat belaufen sich auf 7,7 Millionen Euro.
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