Bauwerk

Haus Hochleitner
Erich Gutmorgeth - Mieming (A) - 2000
Haus Hochleitner, Foto: Stefan Schmid
Haus Hochleitner, Foto: Stefan Schmid

Diva ohne Allüren

Was Architekt Erich Gutmorgeth ein „ganz normales Haus“ nennt, hat wenig mit dem allgemein gültigen Bild eines Einfamilienhauses zu tun.

15. November 2000 - Franziska Leeb
In den letzten Jahren gedieh in Tirol eine der interessantesten, wenn nicht sogar die bemerkenswerteste baukünstlerische Szene der Republik. Besonders auffallend ist, dass sich - zumindest an ihrer qualitativen Spitze - kein Neu-Tiroler-Stil abzeichnet, sondern unterschiedliche Positionen und Handschriften erkennbar sind. Einer, der bereits in den vergangenen Jahren mit hervorragenden Arbeiten aufhorchen ließ, ist Erich Gutmorgeth. Sein Zubau zum Kindergarten in Kematen oder das Gemeindezentrum in Inzing (1998) zählen auch konzeptionell zu den interessantesten Tiroler Bauten der Gegenwart. Bereits 1993 wurde seine Erweiterung des Landeskrankenhauses Feldkirch in Vorarlberg fertig gestellt, durch das auch seine jetzigen Bauherren auf ihn aufmerksam wurden.

Sein jüngstes Werk liegt in einer Gemeinde auf einem Mittelgebirgsplateau im Tiroler Oberland. Es steht an einer Hangkante, die auf geradezu spektakuläre Art ausgenutzt wird. Straßenseitig ist dem Wohnhaus eine Garage vorgelagert, über die auch der Eingang erreicht wird. Eine kluge und richtige Reaktion, wenn man bedenkt, dass Häuser außerhalb der Zentren nur mit dem Auto zu erreichen sind. Es ist zwar eine aus ökologischen Gründen kritisierenswerte Situation, dass nach wie vor lieber alleinstehend als verdichtet gewohnt wird. Doch wenn es schon sein muss, erfreut jedes Konzept, das auf diese Umstände auch reagiert. Hier „befährt“ man das Haus also über die Garage, an die direkt der Wohnbereich anschließt. Kein zusätzlicher Vorraum ist als Barriere zum privaten Wohnumfeld notwendig.

Küche, Essplatz, Wohnzimmer und ein Arbeitsplatz sind in einem Einraum untergebracht, der auf einem Betonsockel aufgelagert rund 15 Meter weit über dem Hang auskragt. Die Glas-Stahl-Konstruktion mit völlig transparenten Wänden an drei Seiten ist zwischen die Boden und die Deckenplatte geschoben. Dadurch entstehen eine umlaufende Terrasse und parallel dazu eine breite Dachkrempe, die Schatten spendet. Zusammen begrenzen sie einen Wohnraum im Freien. Das Leben findet fast wie in einem Baumhaus zwischen den Kronen des Waldes statt. Als äußerster Filter dienen elektrisch steuerbare Rollos, die an den Längsseiten Flankenschutz bieten können.

Möbel wie Schränke und Regale sind ohne Rückwand an den Glasfassaden angebracht. Ihr Innenleben ist von der Terrasse aus einsehbar. Als Raumteiler zur Küche fungiert ein Technikkern in einer Metallbox mit einer Oberfläche aus Eisenglimmer. Im Betonssockel, der nur hangabwärts über die volle Raumhöhe aus dem Erdreich ragt, wurden alle Schlafräume und die Badezimmer untergebracht. Sie haben lagebedingt Höhlencharakter, über Lichthöfe werden aber auch die eingegrabenen Bereiche gut belichtet.

Harte Materialien spielen eine große Rolle in diesem Haus. Glas, Metall und Beton sind die Materialien der Wände. Zementestrich - im Untergeschoß mit Polyurethanpartikeln versetzt - bildet den Bodenbelag. Unterkühlt wirkt das Ambiente dennoch nicht. Dazu sind die Oberflächen zu wenig glatt, zu wenig poliert. Die Holzdecke und die Möbel tragen das ihre zu einer angenehmen Raumstimmung bei. Das Haus fällt auf, umständlich ist es bei aller Exzentrik dennoch nicht. Und ein ganz normales Haus schon gar nicht; vielmehr eine Diva ohne nervtötende Allüren.

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Für den Beitrag verantwortlich: Der Standard

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Akteure

Architektur

Bauherrschaft
Monika Hochleitner
Gerald Hochleitner

Tragwerksplanung

Fotografie