Bauwerk
VIT Betriebsgebäude
querkraft architekten - Asperhofen (A) - 2003
Die tollkühnen Männer in ihren fliegenden Kisten
Für Querkraft ist kein Gelände zu steil
6. März 2004 - Oliver Elser
Der eine Auftraggeber ist Arzt und schraubt in seiner XXL-Garage an einem Flugzeug herum. Der andere ist das, was man einen „selfmade man“ nennt, und verkauft Wintergärten an Leute, die mit ihren Wünschen nie zu einem Architekten gehen würden. Der eine wollte hoch hinaus, der andere musste es. Beide brachten Grundstücke mit, die zu steil waren, um einfach ein Haus darauf abzustellen.
Beiden konnte geholfen werden. Nicht, indem sie horrende Summen auf den Tisch legen durften, um sich von der Erdanziehung freizukaufen. Sondern mit intelligenten Konzepten, die aus dem Zwang der Verhältnisse die Kraft gewonnen haben, die einen guten Bau von Architektur unterscheidet.
Beide Bauten waren teurer als normale Häuser. Aber nicht so viel teurer, als man es vielleicht erwarten würde. Bei beiden gibt es viele Stellen, die ausgesprochen billig sind. Das Budget ließ ein wenig mehr Spielräume zu als bei einem Standardbau, aber das Geld floss ins konzeptionelle Gerippe, nicht in edle Details.
Das Haus für den Arzt und seine Familie steht in Wien, an einer für das Stadtbild von Ottakring sehr untypischen Stelle, wo sich der Arbeiterbezirk ins Liebhartstal hineinschmiegt und die Hänge von ausgebauten Kleingärten bedeckt sind. Für den Baugrund gab es Auflagen, die nur ein Haus genau in der Mitte der Parzelle erlaubten. Bei voller Ausnutzung wäre der Garten zu einem schmalen Passepartout rings um das Haus geschrumpft. Also wurde das Haus angehoben, um den Außenraum unter das Haus fließen zu lassen. Aber es ruht nicht auf Stützen. Der leichte Hauswürfel steht zu einem Drittel auf einer Betonböschung, zu zwei Dritteln hängt er in der Luft. In den geschlossenen Seitenwänden steckt eine Konstruktion, die man mit einem Kran vergleichen kann. Sie besteht aus einem senkrechten Mast und einem horizontalen Ausleger. Damit ein Kran am langen Ende des Auslegers große Lasten transportieren kann, muss am kürzeren Ende nur kräftig gezogen werden.
Von Außen kokettiert das Haus damit, ein Würfel zu sein, den ein Windstoß dazu bringen könnte, den Hang hinunterzupoltern. Im Innern aber ist seine ingenieurhafte Bauweise, die dieses Wagnis erst möglich macht, deutlich abzulesen. Die silbrige Schatulle ist dort sehr direkt, man trifft auf Stahlträger und Zugstangen, die in den Räumen eine Industriebauatmosphäre geben. Hier wurde nicht auf perfekte Details geachtet, sondern hie und da ein bisschen Geld gespart um, sich den eigentlichen Clou des Hauses leisten zu können. Der ja nicht nur darin besteht, über dem Hang zu schweben, sondern das Haus so weit wie möglich in den Himmel zu strecken. Vom Wohnzimmer in der dritten Etage reicht der Blick bis zum Stephansdom, von der Dachterrasse darüber geht er über ganz Wien hinweg.
Pragmatismus wäre nicht das richtige Wort für diese Haltung. Maximalismus bei jeglicher Bausumme, ausgeführt mit pragmatischer Rauheit trifft es besser. Die Architekten Jakob Dunkl, Gerd Erhartt, Peter Sapp und Michael Zinner hatten seit der Gründung von Querkraft im Jahr 1998 fast ausschließlich mit Bauherren zu tun, die sich eigentlich keinen Architekten leisten konnten. Dass dabei trotzdem Architektur entstand, beeindruckte einen früheren Auftragnehmer so sehr, dass er Querkraft für sein eigenes Gebäude anheuerte.
Oswald Vit ist einer, der auch Kühlschränke in der Arktis verkaufen könnte, aber er handelt mit Fenstern, Türen und vor allem Wintergärten. Vit brauchte einen Showroom, der nicht zu viel kosten durfte, aber doch genug Prestige abwirft, um seinen Kunden für die ohnehin nicht billigen Wintergärten in Zukunft ein bisschen mehr berechnen zu können. Dass erklärt Vit so schelmisch, dass man es ihm nicht übel nehmen kann. Er weiß genau, wie viele Autos täglich auf der Landstraße an dem Gewerbegebiet in Asperhofen in Niederösterreich vorbeifahren und ihn zum Gespräch der ganzen Region machen.
Die absurde Situation, dass ein Hanggrundstück als Gewerbebauland dienen soll, führt im Normalfall zu hohen Kosten. Zuerst muss der Hügel begradigt werden, dachten sich die Nachbarn und zogen monströse Stützmauern hoch. Oswald Vit aber war so clever, sich überzeugen zu lassen, dass die Terrassierung nicht nur die Landschaft vergewaltigt, sondern auch genauso teuer ist wie eine auf vielen kleinen Stützen stehende Röhre, die am höchsten Punkt des Hangs startet und dann gerade in den Raum hinausschießt. Die Röhre endet bei einer Höhe von sechs Metern über dem Boden mit einem großen Fenster, durch dass die Autofahrer für einen kurzen Moment die Wintergärten sehen können. Besucher gelangen durch eine Art Rüssel, den der Bau nach unten streckt, über eine lange Treppe in den Showroom hinein. Schmuckloser kann man es sich kaum vorstellen und setzt schon zur Frage an, ob der Eingang denn nicht zu sehr am Geschmack der Leser von Architekturzeitschriften ausgerichtet sei. Da gibt Vit, dessen Büro im zweiten, nach oben gerichteten Rüssel untergebracht ist, eine entwaffnende Erklärung. Zu viele sollten ja gar nicht heraufkommen, die nur durchs Gebäude neugierig geworden sind, dann wär' bloß eine Beratung ohne Geschäftsaussicht fällig, und seine Leut' sollten sich ja auf die echten Kunden konzentrieren.
Der Geschäftsmann hat klar erkannt, dass die Postmoderne vorüber ist. Ein überdimensionaler Wintergarten hätte das Geschäft nicht angekurbelt, sondern zunichte gemacht. Mehr solcher Unternehmer vom Schlage eines Vit und der Wirtschaft des Landes ginge es besser.
Beiden konnte geholfen werden. Nicht, indem sie horrende Summen auf den Tisch legen durften, um sich von der Erdanziehung freizukaufen. Sondern mit intelligenten Konzepten, die aus dem Zwang der Verhältnisse die Kraft gewonnen haben, die einen guten Bau von Architektur unterscheidet.
Beide Bauten waren teurer als normale Häuser. Aber nicht so viel teurer, als man es vielleicht erwarten würde. Bei beiden gibt es viele Stellen, die ausgesprochen billig sind. Das Budget ließ ein wenig mehr Spielräume zu als bei einem Standardbau, aber das Geld floss ins konzeptionelle Gerippe, nicht in edle Details.
Das Haus für den Arzt und seine Familie steht in Wien, an einer für das Stadtbild von Ottakring sehr untypischen Stelle, wo sich der Arbeiterbezirk ins Liebhartstal hineinschmiegt und die Hänge von ausgebauten Kleingärten bedeckt sind. Für den Baugrund gab es Auflagen, die nur ein Haus genau in der Mitte der Parzelle erlaubten. Bei voller Ausnutzung wäre der Garten zu einem schmalen Passepartout rings um das Haus geschrumpft. Also wurde das Haus angehoben, um den Außenraum unter das Haus fließen zu lassen. Aber es ruht nicht auf Stützen. Der leichte Hauswürfel steht zu einem Drittel auf einer Betonböschung, zu zwei Dritteln hängt er in der Luft. In den geschlossenen Seitenwänden steckt eine Konstruktion, die man mit einem Kran vergleichen kann. Sie besteht aus einem senkrechten Mast und einem horizontalen Ausleger. Damit ein Kran am langen Ende des Auslegers große Lasten transportieren kann, muss am kürzeren Ende nur kräftig gezogen werden.
Von Außen kokettiert das Haus damit, ein Würfel zu sein, den ein Windstoß dazu bringen könnte, den Hang hinunterzupoltern. Im Innern aber ist seine ingenieurhafte Bauweise, die dieses Wagnis erst möglich macht, deutlich abzulesen. Die silbrige Schatulle ist dort sehr direkt, man trifft auf Stahlträger und Zugstangen, die in den Räumen eine Industriebauatmosphäre geben. Hier wurde nicht auf perfekte Details geachtet, sondern hie und da ein bisschen Geld gespart um, sich den eigentlichen Clou des Hauses leisten zu können. Der ja nicht nur darin besteht, über dem Hang zu schweben, sondern das Haus so weit wie möglich in den Himmel zu strecken. Vom Wohnzimmer in der dritten Etage reicht der Blick bis zum Stephansdom, von der Dachterrasse darüber geht er über ganz Wien hinweg.
Pragmatismus wäre nicht das richtige Wort für diese Haltung. Maximalismus bei jeglicher Bausumme, ausgeführt mit pragmatischer Rauheit trifft es besser. Die Architekten Jakob Dunkl, Gerd Erhartt, Peter Sapp und Michael Zinner hatten seit der Gründung von Querkraft im Jahr 1998 fast ausschließlich mit Bauherren zu tun, die sich eigentlich keinen Architekten leisten konnten. Dass dabei trotzdem Architektur entstand, beeindruckte einen früheren Auftragnehmer so sehr, dass er Querkraft für sein eigenes Gebäude anheuerte.
Oswald Vit ist einer, der auch Kühlschränke in der Arktis verkaufen könnte, aber er handelt mit Fenstern, Türen und vor allem Wintergärten. Vit brauchte einen Showroom, der nicht zu viel kosten durfte, aber doch genug Prestige abwirft, um seinen Kunden für die ohnehin nicht billigen Wintergärten in Zukunft ein bisschen mehr berechnen zu können. Dass erklärt Vit so schelmisch, dass man es ihm nicht übel nehmen kann. Er weiß genau, wie viele Autos täglich auf der Landstraße an dem Gewerbegebiet in Asperhofen in Niederösterreich vorbeifahren und ihn zum Gespräch der ganzen Region machen.
Die absurde Situation, dass ein Hanggrundstück als Gewerbebauland dienen soll, führt im Normalfall zu hohen Kosten. Zuerst muss der Hügel begradigt werden, dachten sich die Nachbarn und zogen monströse Stützmauern hoch. Oswald Vit aber war so clever, sich überzeugen zu lassen, dass die Terrassierung nicht nur die Landschaft vergewaltigt, sondern auch genauso teuer ist wie eine auf vielen kleinen Stützen stehende Röhre, die am höchsten Punkt des Hangs startet und dann gerade in den Raum hinausschießt. Die Röhre endet bei einer Höhe von sechs Metern über dem Boden mit einem großen Fenster, durch dass die Autofahrer für einen kurzen Moment die Wintergärten sehen können. Besucher gelangen durch eine Art Rüssel, den der Bau nach unten streckt, über eine lange Treppe in den Showroom hinein. Schmuckloser kann man es sich kaum vorstellen und setzt schon zur Frage an, ob der Eingang denn nicht zu sehr am Geschmack der Leser von Architekturzeitschriften ausgerichtet sei. Da gibt Vit, dessen Büro im zweiten, nach oben gerichteten Rüssel untergebracht ist, eine entwaffnende Erklärung. Zu viele sollten ja gar nicht heraufkommen, die nur durchs Gebäude neugierig geworden sind, dann wär' bloß eine Beratung ohne Geschäftsaussicht fällig, und seine Leut' sollten sich ja auf die echten Kunden konzentrieren.
Der Geschäftsmann hat klar erkannt, dass die Postmoderne vorüber ist. Ein überdimensionaler Wintergarten hätte das Geschäft nicht angekurbelt, sondern zunichte gemacht. Mehr solcher Unternehmer vom Schlage eines Vit und der Wirtschaft des Landes ginge es besser.
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