Bauwerk
Flughafen Tower Schwechat
Zechner & Zechner - Schwechat (A) - 2005
Quadratur des Kreises
Der neue Tower des Wiener Flughafens ist ein Zwitterwesen zwischen Turm und Hochhaus, sein Membranbauch wird mit Projektionen bespielt.
5. Februar 2005 - Oliver Elser
Wenigstens von außen sollte der Turm längst fertig sein. Im vergangenen Herbst war das Baugerüst bereits verschwunden. Doch dann stellte sich heraus, dass die Firma, die zu einem verdächtig niedrigen Preis die Fassade zu errichten bereit gewesen war, nicht sauber gearbeitet hatte und noch dazu in den Konkurs gerutscht war. Also musste die Fassade wieder ausgetauscht werden. Dieser Tage verschwindet das Gerüst zum zweiten Mal. Ein leider gar nicht so seltener Fall im Baugewerbe, wo mit harten Bandagen um jeden Auftrag gekämpft wird. Architekten und Auftraggeber sind oft machtlos, weil derjenige Anbieter einer bestimmten Leistung den Zuschlag erhält, der den günstigsten Preis macht, selbst wenn allen klar ist, dass es dabei eigentlich nicht mit rechten Dingen zugehen kann.
Der Zeitplan bis zur Fertigstellung des neuen Flughafenkontrollturms, kurz Tower, kann dennoch gehalten werden. Markiert doch die Übersiedelung des Towers von der jetzigen Vorfeldposition in die zweite Reihe den Start der millionenschweren Verjüngungskur, der der Flughafen Wien-Schwechat in den kommenden Jahren unterzogen wird. Erst wenn der neue Tower in Betrieb geht, kann der Teil des Flughafens, wo der bisherige Kontrollturm steht, abgerissen werden, was wiederum die Voraussetzung ist, um mit dem Bau eines neuen Passagierterminals, genannt SkyLink, beginnen zu können. Kernstück der Flughafenerweiterung nach einem Entwurf der Vorarlberger Architekten Baumschlager und Eberle ist eine neue Ankunftshalle, die bananenförmig an den bestehenden Terminal 1 anschließt. Von dort gelangen die Passagiere in einen 460 Meter langen Pier, an dem auch zwei Großraumflugzeuge vom Typ Airbus 380 andocken können. An den beiden bestehenden Piers, die sich von der Abfertigungshalle wie ein gezwirbelter Schnurrbart ins Vorfeld schieben, wäre für Flugzeuge dieser Größenordnung kein Platz. Mit SkyLink steigt die Kapazität in der ersten Ausbaustufe auf 25 Millionen Passagiere pro Jahr (2004 waren es 14,4 Mio.), Fertigstellung ist Anfang 2008.
Der Entwurf von Baumschlager & Eberle umfasste jedoch nicht nur den SkyLink, sondern definierte auch den städtebaulichen Rahmen für das Büro- und Parkhausquartier nördlich der bestehenden Abfertigungshalle. In diesen Raster war auch der neue Tower einzufügen, für den ein eigener Wettbewerb stattfand, den das Architektenbruderpaar Zechner & Zechner für sich entscheiden konnte. Zu den Referenzen des überraschend jungen Teams zählt unter anderem der neue Grazer Hauptbahnhof.
Wie so oft gab das kreative Jonglieren mit den Spielregeln den Ausschlag für das Projekt. Statt den Turm mit seinem Schaft einfach in die Erde zu rammen, wurde er in einen Bürowürfel integriert, der an dieser Stelle gar nicht vorgesehen war. Aus dem Tower wurde ein Gebilde, das eher an ein Hochhaus erinnert. Nur war andererseits weder genug Programm noch ein entsprechendes Budget vorhanden, um ein richtiges Hochhaus auf allen Etagen zu füllen. Eine kommerzielle Vermietung ist wegen der extrem hohen Sicherheitsanforderungen ausgeschlossen. Es galt also, die Strecke zwischen den sechs oberirdischen Bürogeschoßen und den fünf Geschoßen des eigentlichen Towers, immerhin eine Distanz von etwa 45 Metern, mit mehr als einem simplen Betonschaft zu überwinden. Die Lösung, eine weiße Membranhaut, die mit einem Stahlskelett am Betonkern befestigt ist, transformiert die Geometrien von Sockel und Gebäudekopf. Die Form ist daher nicht „gestaltet“, sondern ergibt sich aus einer schrittweisen Umwandlung des Quadrats in einen gequetschten Kreis, der dem optimalen Blickwinkel der Fluglotsen zu den zwei Start- und Landebahnen entspricht. Dass der verhüllte Betonschaft nicht exakt in der Mitte des Bürogebäudes sitzt, gibt der schlauchartigen Membran einen zusätzlichen Kick. Je nachdem, wo auf dem Flughafengelände man sich befindet, ändert der Tower seine Gestalt. Mal wirkt er dickbäuchig und „fast schwanger“ (Architekt Martin Zechner), mal scheint er nach vorne zu kippen. Die Verkleidung, haben die Statiker aus dem Büro Lorenz errechnet, hat für die Stabilität des Turms sogar günstige Auswirkungen. Die Membranhaut ist ein Kunstgriff, sich ein Programm zu erfinden, an das zuvor niemand gedacht hat.
Demnächst werden die Projektoren in Betrieb genommen, mit denen der Tower mit Werbung oder auch Kunst bespielt werden soll. Bei Tag und Nacht. Auch an bewegte Bilder ist gedacht. Zusätzlich stehen Lampen hinter der Haut bereit, um den Tower zum Leuchtturm zu machen. Nur muss berücksichtigt werden, dass die Piloten weder geblendet, noch von einem überdimensionalen Palmers-Girl abgelenkt werden dürfen. Mit der Medienfassade wird zugleich ein symbolischer Tauschhandel abgeschlossen. Die Öffentlichkeit bekommt ein Spektakel, muss dafür aber darauf verzichten, dass der Turm betreten werden darf.
Die Schutzmaßnahmen sind dezent, aber unübersehbar. Gilt doch für den Tower die gleiche Sicherheitsstufe wie für das Flughafenvorfeld. Das bedeutet nicht nur Zugangskontrollen mit dem schaurigen Namen „Personenvereinzelung“. Es muss auch ausgeschlossen werden, dass ein sprengstoffbeladenes Fahrzeug an den Betonschaft gelangen kann. Nichts aber wäre störender als eine Mauer. Daher wurde die Zufahrt um eine Etage abgesenkt. Die Sperren ziehen sich in die Tiefe, anstatt in die Höhe. Nebenbei entstand so ein kleiner Garten, als Pausenfläche für die Mitarbeiter der Austrocontrol, die in die Büroetagen im Sockel einziehen wird. Doch das ist kein Vergleich zum spektakulärsten Raucherbalkon Österreichs, der den Fluglotsen oben im Kopf des Gebäudes zur Verfügung steht.
Der Zeitplan bis zur Fertigstellung des neuen Flughafenkontrollturms, kurz Tower, kann dennoch gehalten werden. Markiert doch die Übersiedelung des Towers von der jetzigen Vorfeldposition in die zweite Reihe den Start der millionenschweren Verjüngungskur, der der Flughafen Wien-Schwechat in den kommenden Jahren unterzogen wird. Erst wenn der neue Tower in Betrieb geht, kann der Teil des Flughafens, wo der bisherige Kontrollturm steht, abgerissen werden, was wiederum die Voraussetzung ist, um mit dem Bau eines neuen Passagierterminals, genannt SkyLink, beginnen zu können. Kernstück der Flughafenerweiterung nach einem Entwurf der Vorarlberger Architekten Baumschlager und Eberle ist eine neue Ankunftshalle, die bananenförmig an den bestehenden Terminal 1 anschließt. Von dort gelangen die Passagiere in einen 460 Meter langen Pier, an dem auch zwei Großraumflugzeuge vom Typ Airbus 380 andocken können. An den beiden bestehenden Piers, die sich von der Abfertigungshalle wie ein gezwirbelter Schnurrbart ins Vorfeld schieben, wäre für Flugzeuge dieser Größenordnung kein Platz. Mit SkyLink steigt die Kapazität in der ersten Ausbaustufe auf 25 Millionen Passagiere pro Jahr (2004 waren es 14,4 Mio.), Fertigstellung ist Anfang 2008.
Der Entwurf von Baumschlager & Eberle umfasste jedoch nicht nur den SkyLink, sondern definierte auch den städtebaulichen Rahmen für das Büro- und Parkhausquartier nördlich der bestehenden Abfertigungshalle. In diesen Raster war auch der neue Tower einzufügen, für den ein eigener Wettbewerb stattfand, den das Architektenbruderpaar Zechner & Zechner für sich entscheiden konnte. Zu den Referenzen des überraschend jungen Teams zählt unter anderem der neue Grazer Hauptbahnhof.
Wie so oft gab das kreative Jonglieren mit den Spielregeln den Ausschlag für das Projekt. Statt den Turm mit seinem Schaft einfach in die Erde zu rammen, wurde er in einen Bürowürfel integriert, der an dieser Stelle gar nicht vorgesehen war. Aus dem Tower wurde ein Gebilde, das eher an ein Hochhaus erinnert. Nur war andererseits weder genug Programm noch ein entsprechendes Budget vorhanden, um ein richtiges Hochhaus auf allen Etagen zu füllen. Eine kommerzielle Vermietung ist wegen der extrem hohen Sicherheitsanforderungen ausgeschlossen. Es galt also, die Strecke zwischen den sechs oberirdischen Bürogeschoßen und den fünf Geschoßen des eigentlichen Towers, immerhin eine Distanz von etwa 45 Metern, mit mehr als einem simplen Betonschaft zu überwinden. Die Lösung, eine weiße Membranhaut, die mit einem Stahlskelett am Betonkern befestigt ist, transformiert die Geometrien von Sockel und Gebäudekopf. Die Form ist daher nicht „gestaltet“, sondern ergibt sich aus einer schrittweisen Umwandlung des Quadrats in einen gequetschten Kreis, der dem optimalen Blickwinkel der Fluglotsen zu den zwei Start- und Landebahnen entspricht. Dass der verhüllte Betonschaft nicht exakt in der Mitte des Bürogebäudes sitzt, gibt der schlauchartigen Membran einen zusätzlichen Kick. Je nachdem, wo auf dem Flughafengelände man sich befindet, ändert der Tower seine Gestalt. Mal wirkt er dickbäuchig und „fast schwanger“ (Architekt Martin Zechner), mal scheint er nach vorne zu kippen. Die Verkleidung, haben die Statiker aus dem Büro Lorenz errechnet, hat für die Stabilität des Turms sogar günstige Auswirkungen. Die Membranhaut ist ein Kunstgriff, sich ein Programm zu erfinden, an das zuvor niemand gedacht hat.
Demnächst werden die Projektoren in Betrieb genommen, mit denen der Tower mit Werbung oder auch Kunst bespielt werden soll. Bei Tag und Nacht. Auch an bewegte Bilder ist gedacht. Zusätzlich stehen Lampen hinter der Haut bereit, um den Tower zum Leuchtturm zu machen. Nur muss berücksichtigt werden, dass die Piloten weder geblendet, noch von einem überdimensionalen Palmers-Girl abgelenkt werden dürfen. Mit der Medienfassade wird zugleich ein symbolischer Tauschhandel abgeschlossen. Die Öffentlichkeit bekommt ein Spektakel, muss dafür aber darauf verzichten, dass der Turm betreten werden darf.
Die Schutzmaßnahmen sind dezent, aber unübersehbar. Gilt doch für den Tower die gleiche Sicherheitsstufe wie für das Flughafenvorfeld. Das bedeutet nicht nur Zugangskontrollen mit dem schaurigen Namen „Personenvereinzelung“. Es muss auch ausgeschlossen werden, dass ein sprengstoffbeladenes Fahrzeug an den Betonschaft gelangen kann. Nichts aber wäre störender als eine Mauer. Daher wurde die Zufahrt um eine Etage abgesenkt. Die Sperren ziehen sich in die Tiefe, anstatt in die Höhe. Nebenbei entstand so ein kleiner Garten, als Pausenfläche für die Mitarbeiter der Austrocontrol, die in die Büroetagen im Sockel einziehen wird. Doch das ist kein Vergleich zum spektakulärsten Raucherbalkon Österreichs, der den Fluglotsen oben im Kopf des Gebäudes zur Verfügung steht.
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