Bauwerk
ALBRECHT 7
PURPUR.ARCHITEKTUR - Graz (A) - 2005
Eine Bühne fürs Edle
25. Juni 2006 - Karin Tschavgova
Architecture sells! Auch und gerade in noblen Designerläden. In einem Grazer Ladenzwerg für sündteures Schuhwerk wird das Spiel mit dem Luxus auf die Spitze getrieben. Von der hohen Kunst des Herzeigens und Verbergens.
Die Zauberworte: Markenimage, Corporate Design, Investition in Standort und Architektur. Welt weit setzen Markenfirmen wie Prada auf große Namen und lassen ihre Flagstores von Herzog & de Meuron, Rem Koolhaas oder Toyo Ito planen. Die Architektur dieser hedonistischen Tempel muss, weil es schon lange nicht mehr reicht, nur die Ware auszustellen, Gefühle hervorrufen, die den Wert der Marke unterstreichen. Sie muss sozialen Prestigewert verheißen und sich als Bühne für Selbstinszenierung und Voyeurismus eignen. Architecture sells!
In Graz, das ja doch nur eine „heimliche“ Hauptstadt ist, deckt die Nachfrage nach hochpreisiger Designerware eine Handvoll Anbieter in vorwiegend kleinen Läden. Einen davon, das „Johan“ in der Hofgasse, hat Claudio Silvestrin, der in London lebende Architekt mit italienischen Wurzeln, in der Mitte der 1990er-Jahre geplant. In seiner puristischen Reduktion - Wände, Möbel, Umkleiden und der Boden sind einheitlich grau gespachtelt und wirken wie aus einem Guss - lag das Herrenmodengeschäft damals im internationalen Trend minimalistischer Präsentation von Luxusware, für Graz war es jedoch zu dieser Zeit ganz untypisch. Es hatte ganz und gar nichts von jener barocken Sinnesfreude, die Wolf D. Prix der steirischen Architektur zuschreibt.
Frei von üppiger Dekorationslust zeigte sich auch die erste Nobelboutique, die die eben erst gegründete Gruppe Purpur um die Architekten Alfred Boric und Christian Tödtling 2001 in Graz einrichtete. Aus dem erfolgreichen Konzept ergaben sich weitere Aufträge für drei Geschäfte, darunter die Transformation zweier winziger Gassenlokale in ein kleines, feines Schuhgeschäft. „Albrecht 7“ nennt sich der Ladenzwerg für sündhaft teure Schuhe, der in einer ruhigen Fußgängerzone unweit des Grazer Hauptplatzes liegt. Ein Entwurf, der narzisstisches Sich-zur-Schau-Stellen ermöglicht, war ob der geringen disponiblen Fläche nicht machbar und auch gar nicht erwünscht. Die Forderung des Auftraggebers nach einem intimen Raum, der Diskretion ermöglicht, bei zugleich optimaler Präsentation von Ware und Verkaufsideologie bis in den Straßenraum hinein, führte die vier Büropartner, die Konzepte immer in der Gruppe erarbeiten, zum raffinierten Spiel zwischen wohldosiertem Herzeigen und Verbergen.
Selbstbewusst schiebt sich ein etwa sieben Meter langer kompakter Körper durch die hinter die Fassadenebene gesetzte Glasfront, die dadurch auf eine transparente Fuge zwischen dem dominierenden Möbel aus brüniertem Stahl und der Fassade reduziert wird. Der massige Schaukasten ragt in den Straßenraum, ohne den Boden zu berühren. Die Schwere nehmen ihm die Architekten auch, indem sie seine Front hinter die Decken- und die Bodenplatte zurücktreten lassen und zwischen schmalen Abschlusslinien einen Raum aufspannen, der durch die Plastizität von sechs kleinen Glasvitrinen eine spielerisch-heitere Note erhält. Mit diesen abwechselnd horizontal und vertikal angeordneten, hervortretenden Schmuckkästchen mit verschiedenfarbiger Auskleidung wird das Spiel mit dem Luxus auf die Spitze getrieben. Das Wenige soll Neugierde wecken und dazu animieren einzutreten, was zu beiden Seiten der aughohen Box möglich ist. Zwei Eingänge erweitern den eine komfortable Wegbreite tiefen Bewegungsraum und lassen den Laden zur Passage werden für den, der als Flaneur seine Gestaltgebung oder neue Ware begutachten will. Was sich durch die transparente Glasfuge vage abzeichnet, manifestiert sich innen als strahlend weiße, vielfach geknickte Leichtwand, die dem eigentlichen, unschön gegliederten Raumabschluss über die gesamte Länge vorgesetzt ist. Das mit weißem Textil bespannte hinterleuchtete Faltwerk ist das zweite raumbestimmende Element neben der Box, die hier die Aufgabe hat, in unzähligen Schubladen das exquisite Schuhwerk zu verwahren - gut sortiert und griffbereit. Präsentiert wird die Ware auf einer Horizontalfläche dieses facettierten Gebildes und auf auskragenden Glasablagen neben einer integrierten Sitzfläche. Dass den Wandflächen an den beiden Schmalseiten des Lokals Spiegel vorgesetzt werden, wurde erst auf der Baustelle entschieden. Gespiegelt erzeugt die gekurvte Form der Faltwand einen äußerst reizvollen Effekt: Der Innenraum wird optisch verlängert, ohne ins Unendliche „auszurinnen“ - eine Wirkung, die weder durch Planung noch durch eine Computerzeichnung exakt vorhersehbar gewesen wäre.
Um Entscheidungen prozesshaft optimieren zu können, lässt die Methodik der Arbeit von Purpur zu, in Entwürfen nicht alles zu determinieren, wenngleich wesentliche form- und gestaltgebende Ideen eines Konzepts exakt festgelegt und bis ins Detail durchgezogen werden. Dem Schuhgeschäft in der Albrechtgasse sind zwei Grundideen abzulesen: abwägender Wechsel von Öffnen und Verbergen sowie das Zusammenspiel kontrastrierender Formen, Farben und Materialien, das Spannung erzeugen und den Kauf der exklusiven Ware über das Alltägliche hinausheben soll.
Die „nutzlose“ kristalline Plastizität der Leichtwand gegenüber der Schwere und linearen Strenge des funktionellen Möbels (gemeinsam ist beiden, dass sie zonierend wirken). Strahlendes Weiß gegen gedämpftes Anthrazit. Der Glanz des beschichteten Estrichs gegen die Haptik der im Laugenbad mattierten Oberfläche des Stahlblechs. Die Glätte der Spiegelflächen gegen die Rauheit der bestehenden Wand, deren Reste mehrerer Maldeckschichten von jahrhundertelanger Aneignung erzählen.
Es bedarf schon meisterhaften Könnens, um im Spiel mit Gegensätzen ein in sich geschlossenes Raumgebilde zu erzeugen, um zu vermeiden, dass der minimale Raum durch Kontrastierung segmentiert und durch Detailverliebtheit überladen wird. Es braucht Wissen über die Materialität der Dinge, um taktile Qualitäten von Material und Oberfläche derart wirkungsvoll einzusetzen, und es bedarf großer Sorgfalt und Detailgenauigkeit, um Schnittpunkte und Übergänge so gekonnt zu bewältigen. Für die Lebensdauer eines Schuhladens ist es Purpur unter Vermeidung jeglicher greller Effekte gelungen, eine Architektur der Stimmigkeit zu erzeugen. Hierzulande gilt Geschäfts- und Ladenbau als Talentprobe. Wer es wie Purpur schafft, mit Umbauten für Boutiquen, Apotheken und Bars zu reüssieren, dem ist der Sprung in eine größere Dimension des Bauens zuzutrauen. Einige Bauherren haben das bereits erkannt.
Die Zauberworte: Markenimage, Corporate Design, Investition in Standort und Architektur. Welt weit setzen Markenfirmen wie Prada auf große Namen und lassen ihre Flagstores von Herzog & de Meuron, Rem Koolhaas oder Toyo Ito planen. Die Architektur dieser hedonistischen Tempel muss, weil es schon lange nicht mehr reicht, nur die Ware auszustellen, Gefühle hervorrufen, die den Wert der Marke unterstreichen. Sie muss sozialen Prestigewert verheißen und sich als Bühne für Selbstinszenierung und Voyeurismus eignen. Architecture sells!
In Graz, das ja doch nur eine „heimliche“ Hauptstadt ist, deckt die Nachfrage nach hochpreisiger Designerware eine Handvoll Anbieter in vorwiegend kleinen Läden. Einen davon, das „Johan“ in der Hofgasse, hat Claudio Silvestrin, der in London lebende Architekt mit italienischen Wurzeln, in der Mitte der 1990er-Jahre geplant. In seiner puristischen Reduktion - Wände, Möbel, Umkleiden und der Boden sind einheitlich grau gespachtelt und wirken wie aus einem Guss - lag das Herrenmodengeschäft damals im internationalen Trend minimalistischer Präsentation von Luxusware, für Graz war es jedoch zu dieser Zeit ganz untypisch. Es hatte ganz und gar nichts von jener barocken Sinnesfreude, die Wolf D. Prix der steirischen Architektur zuschreibt.
Frei von üppiger Dekorationslust zeigte sich auch die erste Nobelboutique, die die eben erst gegründete Gruppe Purpur um die Architekten Alfred Boric und Christian Tödtling 2001 in Graz einrichtete. Aus dem erfolgreichen Konzept ergaben sich weitere Aufträge für drei Geschäfte, darunter die Transformation zweier winziger Gassenlokale in ein kleines, feines Schuhgeschäft. „Albrecht 7“ nennt sich der Ladenzwerg für sündhaft teure Schuhe, der in einer ruhigen Fußgängerzone unweit des Grazer Hauptplatzes liegt. Ein Entwurf, der narzisstisches Sich-zur-Schau-Stellen ermöglicht, war ob der geringen disponiblen Fläche nicht machbar und auch gar nicht erwünscht. Die Forderung des Auftraggebers nach einem intimen Raum, der Diskretion ermöglicht, bei zugleich optimaler Präsentation von Ware und Verkaufsideologie bis in den Straßenraum hinein, führte die vier Büropartner, die Konzepte immer in der Gruppe erarbeiten, zum raffinierten Spiel zwischen wohldosiertem Herzeigen und Verbergen.
Selbstbewusst schiebt sich ein etwa sieben Meter langer kompakter Körper durch die hinter die Fassadenebene gesetzte Glasfront, die dadurch auf eine transparente Fuge zwischen dem dominierenden Möbel aus brüniertem Stahl und der Fassade reduziert wird. Der massige Schaukasten ragt in den Straßenraum, ohne den Boden zu berühren. Die Schwere nehmen ihm die Architekten auch, indem sie seine Front hinter die Decken- und die Bodenplatte zurücktreten lassen und zwischen schmalen Abschlusslinien einen Raum aufspannen, der durch die Plastizität von sechs kleinen Glasvitrinen eine spielerisch-heitere Note erhält. Mit diesen abwechselnd horizontal und vertikal angeordneten, hervortretenden Schmuckkästchen mit verschiedenfarbiger Auskleidung wird das Spiel mit dem Luxus auf die Spitze getrieben. Das Wenige soll Neugierde wecken und dazu animieren einzutreten, was zu beiden Seiten der aughohen Box möglich ist. Zwei Eingänge erweitern den eine komfortable Wegbreite tiefen Bewegungsraum und lassen den Laden zur Passage werden für den, der als Flaneur seine Gestaltgebung oder neue Ware begutachten will. Was sich durch die transparente Glasfuge vage abzeichnet, manifestiert sich innen als strahlend weiße, vielfach geknickte Leichtwand, die dem eigentlichen, unschön gegliederten Raumabschluss über die gesamte Länge vorgesetzt ist. Das mit weißem Textil bespannte hinterleuchtete Faltwerk ist das zweite raumbestimmende Element neben der Box, die hier die Aufgabe hat, in unzähligen Schubladen das exquisite Schuhwerk zu verwahren - gut sortiert und griffbereit. Präsentiert wird die Ware auf einer Horizontalfläche dieses facettierten Gebildes und auf auskragenden Glasablagen neben einer integrierten Sitzfläche. Dass den Wandflächen an den beiden Schmalseiten des Lokals Spiegel vorgesetzt werden, wurde erst auf der Baustelle entschieden. Gespiegelt erzeugt die gekurvte Form der Faltwand einen äußerst reizvollen Effekt: Der Innenraum wird optisch verlängert, ohne ins Unendliche „auszurinnen“ - eine Wirkung, die weder durch Planung noch durch eine Computerzeichnung exakt vorhersehbar gewesen wäre.
Um Entscheidungen prozesshaft optimieren zu können, lässt die Methodik der Arbeit von Purpur zu, in Entwürfen nicht alles zu determinieren, wenngleich wesentliche form- und gestaltgebende Ideen eines Konzepts exakt festgelegt und bis ins Detail durchgezogen werden. Dem Schuhgeschäft in der Albrechtgasse sind zwei Grundideen abzulesen: abwägender Wechsel von Öffnen und Verbergen sowie das Zusammenspiel kontrastrierender Formen, Farben und Materialien, das Spannung erzeugen und den Kauf der exklusiven Ware über das Alltägliche hinausheben soll.
Die „nutzlose“ kristalline Plastizität der Leichtwand gegenüber der Schwere und linearen Strenge des funktionellen Möbels (gemeinsam ist beiden, dass sie zonierend wirken). Strahlendes Weiß gegen gedämpftes Anthrazit. Der Glanz des beschichteten Estrichs gegen die Haptik der im Laugenbad mattierten Oberfläche des Stahlblechs. Die Glätte der Spiegelflächen gegen die Rauheit der bestehenden Wand, deren Reste mehrerer Maldeckschichten von jahrhundertelanger Aneignung erzählen.
Es bedarf schon meisterhaften Könnens, um im Spiel mit Gegensätzen ein in sich geschlossenes Raumgebilde zu erzeugen, um zu vermeiden, dass der minimale Raum durch Kontrastierung segmentiert und durch Detailverliebtheit überladen wird. Es braucht Wissen über die Materialität der Dinge, um taktile Qualitäten von Material und Oberfläche derart wirkungsvoll einzusetzen, und es bedarf großer Sorgfalt und Detailgenauigkeit, um Schnittpunkte und Übergänge so gekonnt zu bewältigen. Für die Lebensdauer eines Schuhladens ist es Purpur unter Vermeidung jeglicher greller Effekte gelungen, eine Architektur der Stimmigkeit zu erzeugen. Hierzulande gilt Geschäfts- und Ladenbau als Talentprobe. Wer es wie Purpur schafft, mit Umbauten für Boutiquen, Apotheken und Bars zu reüssieren, dem ist der Sprung in eine größere Dimension des Bauens zuzutrauen. Einige Bauherren haben das bereits erkannt.
Für den Beitrag verantwortlich: Spectrum
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