Bauwerk

Haus H.
cp architektur - Wien (A) - 2004
Haus H., Foto: Christian Prasser
Haus H., Foto: Christian Prasser

Kleines Haus ganz groß

Ein Einfamilienhaus mit Sauna und Büro auf 50 Quadratmeter Grundfläche: Dass die Familie sich in ihrem Kleingartenidyll in der Wiener Vorstadt trotzdem nicht auf die Zehen tritt, ist dem Entwurf des Architekten Christian Prasser zu verdanken, der jeden Zentimeter intelligent nutzt. Der Clou findet sich im Keller: Hier liegt man in der Badewanne mit Blick zum Himmel.

13. Mai 2006 - Isabella Marboe
Der Kleingartenverein der Kulturfreunde Ottakring ist ein besonderer Vertreter seiner Art: Er besteht aus einem einzigen, südwärts leicht ansteigenden Wegstreifen, der im Norden in eine Straße mündet. Umkreist von städtischer Bebauung halten hier sechs Parzellen tapfer die Kleingartenbastion. Eine davon hatte sich der Bauherr vor Jahren für Grillfeste gekauft, doch man nutzte sie selten.

Die Familie lebte auf 100 m² in einer dunklen Altbauwohnung in Gürtelnähe, sehnte sich nach Licht und Luft, suchte ein Haus im Grünen und entdeckte plötzlich, über welch brachliegenden Schatz sie verfügte: Der Kleingarten hatte Baulandwidmung. Aus Holz sollte ihr Haus sein, viel Platz für Freunde, Schlafräume zum Bei-sich-Sein, Sauna und ein Bauherrenbüro mit Nasszelle haben, um Frau und Tochter in der Früh das obere Bad exklusiv zu gönnen.

Die quälende Sorge, auf 50 m² Grundfläche bei 5,5 Meter Bauhöhe auf Dauer genug Raum fürs gesellige Familienleben zu finden, schwand schon beim ersten Modell von Architekt Christian Prasser. Über der taghellen Dichtbetonwanne des Kellers für Sauna und Büro entwarf er ein Haus in Leichtbauweise mit massiven, auskragenden Holzdecken, von feinen, horizontalen Lärchenlatten und einem Vordachband raffiniert plastisch strukturiert.

Als vornehm Eternite-gefasstes Gestaltungselement mit Mehrwert durchzieht dieses Band s-förmig alle Ebenen. Erdig setzt es in der ausgedehnten Terrasse am Rasen im Osten an, schwebt weiter als gedeckter Längssaum die Wohnebene entlang, um sich dann zur lärchenverkleideten Nordscheibe hochzuknicken. Oben gleitet das Vordachband blickschützend verlattet den Südbalkon entlang, um nach einem Dreh ums Eck im himmelstürmenden Vordach zu enden, das in fünf Meter Höhe über den eingeschnittenen Eingang im Westen ragt.

Urbaner Auftritt

Ohne die Kleingartenkubatur zu sprengen, verschafft dieser umhüllende Rahmen dem Haus einen souverän urbanen Auftritt. Die etwa 17 Meter breite, fast quadratische Parzelle liegt zwischen zwei artverwandten Nachbarn am Gehweg im Osten, dem das Haus offen seine transparente Längsseite zuwendet. Das Spiel mit der Dimension beginnt schon am Geräteschuppen, der als verkleinertes Pendant mit Eternite-Band und keckem Vordach den Weg flankiert. Durch den Garten schreitet man über eine Metallrampe die Nordwand entlang dem fulminanten Entree entgegen.

Um drinnen und draußen keinen wertvollen Raum zu verschwenden, ist das gesellige Erdgeschoß an Terrasse und Garten dreiseitig glasumhaust. Die offene Küche mit integrierter Mini-Garderobe, Stauraum, Herd und Bar am Esstisch hat Rundumpanorama über Familie, Terrasse, Garten und Besucher, an der vordachschattigen Ostglasfront fließt sie ins Wohnen am Wandrücken der lichtdurchlässig eingesetzten Nussholzstufen.

Oben vom über Eck verglasten Podest blickt man aus luftiger Höhe am Vordach entlang über Nadelbäume zum Eingang hinab, ein Nur-Glas-Eck schenkt dem Elternschlafraum Licht und Panoramablick über ganz Wien, ein Lärchenwandteil im Osten gibt Kästen Halt und Betten Schutz, dazwischen sind horizontale Lüftungsfenster zu einem raumhohen Glasstreifen übereinandergereiht. Das Kinderzimmer im Süden hat am Lattenzaun seinen eigenen gedeckten Spezialbalkon.

Ein Oberlichtband unterm Metallsteg der Zugangsrampe erhellt das Bauherrnbüro am Nordende des Kellers, der sich an der nebenraumrhythmisierten Ostwand bis zur Wellnessoase im Erdreich erstreckt. Zwischen Pflanzen ruht hier die Badewanne am kalksteinverkleideten, Wärme abstrahlenden Lichtschacht mit Himmelsblick. Im Fluss von Haus und Terrasse bildet er den Auftakt oder Schlussstein an der südlichen Grundgrenze, wo er sich schon als indirekt von unten beleuchtete Gartenpartybar bewährte.

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Martin Holl