Bauwerk

Schiestlhaus
POS architekten - St. Ilgen (A) - 2005
Schiestlhaus, Foto: POS architekten ZT gmbh
Schiestlhaus, Foto: POS architekten ZT gmbh
19. Januar 2006 - HDA
Das neue Schiestlhaus am Hochschwab ist als Schutzhütte ein Prototyp für energieeffizientes und ökologisches Bauen in alpinen Insellagen. Am 2. 9. 2005 eröffnet, liegt es auf 2154 m auf dem Hochplateau des Hochschwab im Trinkwasserschutzgebiet in extremer Insellage.

Mit 100 % erneuerbarer Energie kann es sich inkl. Trinkwasseraufbereitung und Abwasserentsorgung selbst versorgen und dabei einen Komfort bieten, der für Schutzhütten noch einmalig ist. Im Rahmen eines der Realisierung vorangegangenen Forschungsprojektes wurde geprüft und nachgewiesen, dass die Passivhausbauweise im hochalpinen Raum Sinn macht und funktioniert.

Wesentlich und wichtig für die energetische Performance ist die konsequente solare Ausrichtung des Entwurfes: das bedeutet nach Süden hin weit geöffnete Fensterflächen zum Einfangen der Sonnenwärme. Nach Norden, Osten und Westen weitgehend geschlossene Fassaden zur Minimierung der thermischen Verluste, nur mit den notwendigen Öffnungen für die Belichtung. In der inneren Raumorganisation bedeutet das eine Art „solarer Zonierung“ in der die häufig benutzten Aufenthaltsräume, wie Stuben, Gästezimmer nach Süden orientiert und alle Nebenräume, wie Gänge, Garderoben, etc. ins Innere und nach Norden gelegt sind.
Damit ist ein Prototyp entstanden, der nach derzeitiger Sicht mindestens drei wesentliche Erkenntnisse für hochalpine Gebäude in Insellage liefert.

- Autarkie wird ökologisch und ökonomisch möglich: durch das hocheffiziente Gebäude- und Energiekonzept ist es damit erstmals möglich hochalpine Bauten auch ohne direkten Leitungsanschluss zu errichten und durch den geringen Energiebedarf auch wirtschaftlich und ökologische verträglich zu betreiben.

- eine neue Dimension im Raumklima wird möglich: Dies lässt sich allein dadurch veranschaulichen, dass im Schiestlhaus in der diesjährigen Winterpause, unbenutzt und unbeheizt, dank solarer Gewinne und dichter, hochgedämmter Gebäudehülle bei alpinen winterlichen Außentemperaturen in den Aufenthaltsräumen Spitzentemperaturen von 15°C gemessen wurden. Im Betrieb reduziert sich der Heizwärmebedarf noch zusätzlich durch die Abwärme der Gäste und der Küche, so dass der Energieverbrauch sensationell niedrig ist. Das Haus wird somit auch als Stützpunkt im Winter in Betrieb gehen können. Die in diesen Höhen neuartige Lüftungsanlage gewährt sowohl in der Stube als auch in den Schlafräumen ausgezeichnete Raumluft und regenerativen Schlaf.

Raumqualität und neue Raumkonzepte und Lösungen werden möglich: Durch die hochwertige thermische Qualität der Fassaden und Fenster konnten neue räumliche Lösungen entwickelt werden, die bisher in Schutzhütten nur mit hohen Verlusten an Komfort oder Energie möglich waren. So konnten z.B. die Gästezimmer in vier Plattformen mit bis zu elf Schlafplätzen pro Raum organisiert werden, und dies bei größtmöglicher Individualität, guter Raumluft und komfortablem Raumangebot trotz knappster Raumdimensionen.
Ein für Schutzhütten völlig neues Raumkonzept wird die Stube im neuen Schiestlhaus darstellen: Ein großzügiger, sonnendurchfluteter Raum mit einem durchgehenden Fensterband aus hochwertigen Passivhausfenstern mit statisch optimierter Scheibengröße, dank der Dreischeibenverglasung ohne Kaltluftabfall, eröffnet einen grandiosen Ausblick. Dieses Raumgefühl vermittelt eine Nähe zur umgebenden Natur und Landschaft, die weit über die bisherige introvertierte Hüttentradition hinausgeht. Der neue Berghüttenstandard lautet: großzügig, hell, offen, warm, durchdacht.

Beim Pilotbau Schiestlhaus konnte gezeigt werden, dass sich durch modernste Bautechnik und intelligenten Umgang mit dem alpinen Klima (Wind, Wetter, Solarstrahlung) für die Architektur neue Möglichkeiten im gebauten Dialog zwischen Mensch und Natur eröffnen.
(Text: Fritz Oettl, pos architekten)

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