Bauwerk

Garden Room
Bulant & Wailzer - Wien (A) - 2002
Garden Room, Foto: Rupert Steiner
Garden Room, Foto: Rupert Steiner

Mit Hightech für Poesie sorgen

Ein kleiner, feiner Zubau zu einer Wiener Biedermeiervilla wurde wegen seiner innovativen Glasbautechnik preisgekrönt.

26. Mai 2003 - Franziska Leeb
Versteckt im Garten eines Hietzinger Biedermeierhauses, auf einer Grundfläche von nur 23 Quadratmeter, gelang den Architekten Aneta Bulant-Kamenova und Klaus Wailzer eine technologische Meisterleistung. Es handelt sich „nur“ um einen Wintergarten, der das Wohnzimmer Richtung Garten erweitert. Wände und Decke sowie die notwendigen Stützen und Balken bestehen aus Glas. Auch das ist heutzutage nichts Besonderes mehr. Die Aufsehen erregende Innovation, die vergangene Woche mit dem in der Fachwelt sehr beachteten Solutia Design Award 2003 ausgezeichnet wurde, liegt im Detail. Konkret in der Art der Verbindung der einzelnen Isolierglasscheiben. Die ist nämlich nur geklebt und völlig ohne zusätzliche mechanische Halterung ausgeführt.

Bereits vor fünf Jahren stellten die beiden Architekten einen formal ähnlichen Zubau in Salzburg fertig. Damals scheiterte die reine Klebeverbindung an den österreichischen Normen, die zusätzlich mechanische Verbindungen vorschreiben. Diesmal sollte es jedenfalls ohne gehen.

Zwei Firmen gäbe es in ganz Österreich, so Aneta Bulant-Kamenova, die so komplizierte Lösungen umsetzen können. In diesem Fall war es die niederösterreichische Fuchs-Glastechnik, die sich ins Zeug legte, um die 1,90 m breiten und 4,20 m langen Glasteile - das ist die maximale Produktionsgröße von Verbundsicherheitsglas - aneinander zu fügen.

Für besten Durchblick sorgt neben der minimierten Konstruktion auch die Glaswahl: Diamantglas extra weiß hat einen geringen Eisenanteil und wirkt deshalb auch bei einer Stärke von 36 mm noch ganz klar. Man suchte eine Alternative zu Silikon oder Gießharz, die alle Anforderungen hinsichtlich Festigkeit, Elastizität sowie Frost- und UV-Beständigkeit erfüllt. Der passende Einkomponenten-Kleber wurde eigens für dieses Bauvorhaben gemischt, und nach gründlicher Prüfung durch die Staatliche Versuchsanstalt in Linz durfte die Konstruktion schließlich ohne zusätzlich sichernde Metallverschraubungen ausgeführt werden. Die einzigen Fremdkörper in der gläsernen Hülle sind die Türbänder.

Warum tut man sich das für einen Wintergarten an? Kostengünstigkeit scheidet als Motivation auf jeden Fall aus. Die progressive Technologie sei nur Mittel zum Zweck, betonen die beiden Architekten. „Das Bauwerk wird zum aktivierenden Organ der Interaktion mit der Umgebung“, drücken sie es aus.

Durch die Beschränkung auf das Material Glas bleibt die Wahrnehmung des Freiraums ungetrübt. Wenn die beiden aber erzählen, mit wie vielen Spezialisten und Firmen sie Know-how ausgetauscht haben, um zu einer optimalen Lösung zu kommen, wird klar, dass wohl auch ein hohes Maß an Forschergeist und sportlichem Ehrgeiz mit im Spiel war.

Es ist nicht nur der Glaskubus allein, der das 150 Jahre alte Haus jetzt um soviel lebenswerter macht. Zusätzlich wurde die Terrasse erweitert und ein bequemerer Gartenzugang errichtet. Überspannt ist alles von einer Pergola, bei der es sich im Vergleich zu üblichen Schattenspendern um Juwelierarbeit handelt. Sie besteht aus Yachtmasten, in deren Nuten anstelle der Takelage ein textiler Sonnenschutz geführt ist. Durch die Hohlräume der elliptischen Masten wurde die Verkabelung für die Außenbeleuchtung gefädelt.

Das Tüfteln hat sich jedenfalls gelohnt. In seiner Reduziertheit beeinträchtigt der Zubau das Erscheinungsbild der Biedermeiervilla nur positiv, ihren Charakter zerstört er nicht.

Anfangs waren die Bauherren wegen der hohen Transparenz skeptisch. Heute genießen sie den Raum zu jeder Tages- und Jahreszeit. „Herbstregen und winterliche Schneestürme verwandeln sich hier von einer lästigen Plage zu einem poetischen Ereignis.“ Das allein schon war die Mühe wert.

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