Bauwerk
Shedhalle
Hans Hollein - St. Pölten (A) - 1997
Heiße Halle statt kühler Kiste
Einprägsam, bunt, beschwingt: Hans Hollein hat für St.Pölten den idealen Kulturbau der Freizeitgesellschaft entworfen. Kunst macht Spaß! lautet die Botschaft.
18. Mai 1996 - Christian Kühn
Zehn Jahre ist es her, daß die Bürger Niederösterreichs in einer Volksbefragung dafür gestimmt haben, St. Pölten zu ihrer Hauptstadt zu machen. Der erste Wettbewerb für das neue Landhausviertel fand 1989 statt, 1990 wurde in einer zweiten Stufe das Projekt von Ernst Hoffmann zur Ausführung bestimmt, seit 1992 wird gebaut; ein Jahr später wurden die Projekte für den Kulturbezirk mit Museum, Bibliothek und Festspielhaus präsentiert, und diesen Herbst werden die ersten Beamten von Wien nach St. Pölten übersiedeln.
All das ist eine bemerkenswerte Leistung. Zum Vergleich: 1987 fand der Wettbewerb für das Museumsquartier in den Wiener Hofstallungen statt. Was diesem Vorhaben seither angetan worden ist, wie Entscheidungsschwäche und Intrigen Wien um einen wichtigen kulturellen Impuls gebracht und die Museumsentwicklung der Stadt nachhaltig paralysiert haben, ist bemerkenswert.
Öffentliche Projekte dieser Dimension, das hat man in Niederösterreich richtig erkannt, müssen, sobald die Entscheidung getroffen ist, aus der tagespolitischen Diskussion herausgehalten werden. Sobald jemand versucht, mit einem „Ja, aber“ politisches Kleingeld zu machen, wird jedes Projekt zum Spielball von Interessen, die mit der Sache nichts zu tun haben.
In St.Pölten war man so klug, die Durchführung des Projekts aus der direkten politischen Einflußnahme herauszuhalten und eine eigene Gesellschaft für das Projektmanagement zu gründen, deren Vorstand - Norbert Steiner und Josef Ladenbauer - über einen international operierenden Personalberater ausgewählt wurde. Daß dieses komplexe Großprojekt zeitgerecht, im Kostenrahmen und ohne die gewohnten Skandale durchgeführt werden konnte, ist nicht zuletzt ein Erfolg dieser Vorgangsweise.
Städtebaulich ist man mit der Auswahl des Projekts von Hoffmann den Weg des geringsten Risikos gegangen. Radikalere, den Traisenfluß überspannende oder die Bahnlinie begleitende Vorschläge fanden im Wettbewerb keine Berücksichtigung. Hoffmanns Konzept sieht parallel zur Traisen lange Zeilen von Bürobauten vor, die, ganz im Sinne der metaphernfreudigen achtziger Jahre, unterschiedliche Typen von Straßenräumen begrenzen: einen gedeckten „Landhausboulevard“, eine „Neue Herrengasse“ genannte Alleestraße, als südlichen Abschluß einen „Anger“ und in der Mitte einen „Landhausplatz“.
Alle politisch bedeutenden Bauten sind hier aneinandergeschoben: das Landhaus, der Landtag, ein dem Landeshauptmann gewidmeter Trakt, die Landhauskapelle. Angesichts dieser Fülle von Wichtigkeiten gibt es manche formale Entgleisung. Die schwierige Balance zwischen Machtdarstellung und demokratischer Transparenz wird in einem geschwungenen Baukörper am Traisenfluß, der den Landtagssaal aufnimmt, offiziell „Das Schiff“ genannt, noch einigermaßen gehalten; dahinter erhebt sich jedoch der 80 Meter hohe „Klangturm“, eine abgestufte Stahlkonstruktion mit exzentrischem, aufgesetztem Schalldeckel. In Hoffmanns Wettbewerbsprojekt standen hier zwei schmale Türme, die die Architekten unter den Juroren wohl an Oscar Niemeyers Zentrum von Brasilia erinnern sollten.
Herausgekommen ist nun ein Objekt, das männliche Machtphantasien mit demokratischen Prinzipien versöhnen soll: Wie hier die abgedroschene Idee des Monumentalen - des Turms als Weltachse - durch Auflösung der Masse in ein Stahlskelett konterkariert wird, erscheint mir als monströser Kitsch. (Noch ist der Turm eingerüstet, und ich darf für die St.Pöltner hoffen, mit meiner Einschätzung so un-recht zu behalten wie die einstigen Kritiker des Eiffelturms.)
Der Landhausplatz markiert den Beginn einer Richtung Altstadt führenden Querachse, die am Kulturbezirk mit Archiv und Landesbibliothek, Festspielhaus und Ausstellungshalle vorbeiführt. Das Festspielhaus von Klaus Kada und die Bibliothek von Bily, Katzberger und Loudon flankieren einen leicht ansteigenden Platz, der „Franz-Schubert- Platz“ getauft wurde. Noch sind die beiden Objekte in Bau, aber es zeichnet sich ein spannungsvoller Dialog auf hohem gestalterischem Niveau ab.
Die Ausstellungshalle von Hans Hollein ist vom Volumen her das unbedeutendste der drei Gebäude, sie markiert aber mit ihrer Stirnseite die Hauptachse des Schubert-Platzes. Was Hollein hierher gesetzt hat, ist ein ins Überdimensionale vergrößertes Logo von starker Einprägsamkeit: eine wellenförmige Stahlkonstruktion, die vor demeigentlichen Baukörper zu schweben scheint. Der Assoziationsspielraum, den diese Form bietet, ist ebenso groß wie ihre gestaltpsychologische Wirkung. Daß Hollein sich gegen metaphorische Vereinnahmungen zu wehren versucht hat, nützt da nicht viel: Noch unzählige Reisegruppen werden sich vor der „Welle“ photographieren lassen.
Die Umsetzung der formalen Idee in ein dreidimensionales Objekt ist Hollein in gewohnt virtuoser Weise gelungen. Der mit Glasplatten gedeckte Gitterrost des geschwungenen Daches wird auf der linken Seite von einem stählernen Träger abgestützt, der sich vom Gesims des Hauptbaukörpers schräg nach unten zu einem massiven, dreieckigen Element spannt, das sich bei näherer Betrachtung als Aufgang der Tiefgarage erweist. Auf der rechten Seite tragen neun schlanke Stahlsäulen das Dach: Acht von ihnen sind gelb, die mittlere ist blau gestrichen, und weil sie ihre Lasten schräg in den Boden abtragen, ergeben sich, den Landesfarben entsprechend, hübsche blaugelbe Verschneidungen. Über dem Dach schwebt eine Tafel zur Ankündigung der Ausstellungen.
Der Eingang führt, zwischen den schrägen Stützen hindurch, in ein Foyer, an das linker Hand die Garderobe anschließt. Hier ist eine Art Erkerfenster eingeschnitten, das den Blick auf die abfallende Fläche des Schubert-Platzes lenkt und die vielen schrägen, geschwungenen Formen in das orthogonale System des Platzes zurückbindet.
Über das Innere der Halle lassen sich noch keine auf Erfahrung beruhenden Aussagen treffen: Die Gestalter der Ausstellung „1000 Jahre Österreich“, mit der das Gebäude eröffnet wurde, gaben sich alle Mühe, den Raum und seine Möglichkeiten für eine natürliche Belichtung zu ignorieren, indem alle Fenster verdunkelt wurden. Die Haupthalle verfügt sowohl über Sheddächer, die eine Belichtung von oben zulassen, als auch über seitliche Lichtschlitze und Lichtbänder an der südseitigen Stirnwand. Angrenzend an die zweigeschoßige Halle sitzt über dem Foyerbereich noch ein kleinerer Ausstellungsraum, von dem aus das Café mit Terrasse erreichbar ist. Eine Freitreppe führt von der Terrasse, an der Außenseite der Garderobe entlang, wieder auf den Vorplatz.
Zumindest bei der jetzigen Ausstellung ist diese Organisation verwirrend, da man vom Café mitten in die Ausstellung gelangt, ohne an der Kasse vorbei zu müssen. Allerdings handelt es sich beim Café um ein Provisorium, das in der nächsten Baustufe - bei Errichtung des großen Landesmuseums - verschwinden soll. Hollein begründet damit auch die Verkleidung des Körpers mit wetterfesten Sperrholzplatten. Daß man die Gestaltung des Café-Interieurs der lokalen Gastronomie überlassen hat, ist damit freilich kaum zu entschuldigen.
Betrachtet man die Ausstellungsgebäude von dort aus, wo einmal der Komplex des Lan-desmuseums stehen soll, wird die Zweiteilung der Anlage in einen expressiven Kopf und den Körper der eigentlichen Halle deutlich.
Hollein zeigt hier, daß er mit einem einfachen Baukörper nicht mehr anzufangen weiß, als ihn zu ornamentieren. Die Sheddächer bilden schräge Zacken, deren Linien sich in den diagonal geschnittenen, hell- und dunkel-grünen Verkleidungsplatten der Seitenwand fortsetzen.
In einer Zeit, in der die „kühlen Kisten“ der sechziger Jahre wieder in Mode sind, macht selbst die relativ sparsame Gestaltung, ganz zu schweigen vom formalen Feuerwerk an der Vorderseite, Holleins Halle zu einem „heißen“ Gebäude. Die markante Figur der „Welle“ und die räumliche Qualität des Eingangsbereiches werden die Zustimmung des Publikums sichern. Daß Kunst aber nicht nur Spaß macht, sondern oft brutal, erschreckend und aggressiv sein muß, davon schweigt Holleins beschwingtes Eingangsportal. Für das Kulturleben des Landes bleibt zu hoffen, daß wir durch dieses Portal hindurch auch manchmal eine andere Welt als die des Kulturkonsums werden betreten dürfen.
All das ist eine bemerkenswerte Leistung. Zum Vergleich: 1987 fand der Wettbewerb für das Museumsquartier in den Wiener Hofstallungen statt. Was diesem Vorhaben seither angetan worden ist, wie Entscheidungsschwäche und Intrigen Wien um einen wichtigen kulturellen Impuls gebracht und die Museumsentwicklung der Stadt nachhaltig paralysiert haben, ist bemerkenswert.
Öffentliche Projekte dieser Dimension, das hat man in Niederösterreich richtig erkannt, müssen, sobald die Entscheidung getroffen ist, aus der tagespolitischen Diskussion herausgehalten werden. Sobald jemand versucht, mit einem „Ja, aber“ politisches Kleingeld zu machen, wird jedes Projekt zum Spielball von Interessen, die mit der Sache nichts zu tun haben.
In St.Pölten war man so klug, die Durchführung des Projekts aus der direkten politischen Einflußnahme herauszuhalten und eine eigene Gesellschaft für das Projektmanagement zu gründen, deren Vorstand - Norbert Steiner und Josef Ladenbauer - über einen international operierenden Personalberater ausgewählt wurde. Daß dieses komplexe Großprojekt zeitgerecht, im Kostenrahmen und ohne die gewohnten Skandale durchgeführt werden konnte, ist nicht zuletzt ein Erfolg dieser Vorgangsweise.
Städtebaulich ist man mit der Auswahl des Projekts von Hoffmann den Weg des geringsten Risikos gegangen. Radikalere, den Traisenfluß überspannende oder die Bahnlinie begleitende Vorschläge fanden im Wettbewerb keine Berücksichtigung. Hoffmanns Konzept sieht parallel zur Traisen lange Zeilen von Bürobauten vor, die, ganz im Sinne der metaphernfreudigen achtziger Jahre, unterschiedliche Typen von Straßenräumen begrenzen: einen gedeckten „Landhausboulevard“, eine „Neue Herrengasse“ genannte Alleestraße, als südlichen Abschluß einen „Anger“ und in der Mitte einen „Landhausplatz“.
Alle politisch bedeutenden Bauten sind hier aneinandergeschoben: das Landhaus, der Landtag, ein dem Landeshauptmann gewidmeter Trakt, die Landhauskapelle. Angesichts dieser Fülle von Wichtigkeiten gibt es manche formale Entgleisung. Die schwierige Balance zwischen Machtdarstellung und demokratischer Transparenz wird in einem geschwungenen Baukörper am Traisenfluß, der den Landtagssaal aufnimmt, offiziell „Das Schiff“ genannt, noch einigermaßen gehalten; dahinter erhebt sich jedoch der 80 Meter hohe „Klangturm“, eine abgestufte Stahlkonstruktion mit exzentrischem, aufgesetztem Schalldeckel. In Hoffmanns Wettbewerbsprojekt standen hier zwei schmale Türme, die die Architekten unter den Juroren wohl an Oscar Niemeyers Zentrum von Brasilia erinnern sollten.
Herausgekommen ist nun ein Objekt, das männliche Machtphantasien mit demokratischen Prinzipien versöhnen soll: Wie hier die abgedroschene Idee des Monumentalen - des Turms als Weltachse - durch Auflösung der Masse in ein Stahlskelett konterkariert wird, erscheint mir als monströser Kitsch. (Noch ist der Turm eingerüstet, und ich darf für die St.Pöltner hoffen, mit meiner Einschätzung so un-recht zu behalten wie die einstigen Kritiker des Eiffelturms.)
Der Landhausplatz markiert den Beginn einer Richtung Altstadt führenden Querachse, die am Kulturbezirk mit Archiv und Landesbibliothek, Festspielhaus und Ausstellungshalle vorbeiführt. Das Festspielhaus von Klaus Kada und die Bibliothek von Bily, Katzberger und Loudon flankieren einen leicht ansteigenden Platz, der „Franz-Schubert- Platz“ getauft wurde. Noch sind die beiden Objekte in Bau, aber es zeichnet sich ein spannungsvoller Dialog auf hohem gestalterischem Niveau ab.
Die Ausstellungshalle von Hans Hollein ist vom Volumen her das unbedeutendste der drei Gebäude, sie markiert aber mit ihrer Stirnseite die Hauptachse des Schubert-Platzes. Was Hollein hierher gesetzt hat, ist ein ins Überdimensionale vergrößertes Logo von starker Einprägsamkeit: eine wellenförmige Stahlkonstruktion, die vor demeigentlichen Baukörper zu schweben scheint. Der Assoziationsspielraum, den diese Form bietet, ist ebenso groß wie ihre gestaltpsychologische Wirkung. Daß Hollein sich gegen metaphorische Vereinnahmungen zu wehren versucht hat, nützt da nicht viel: Noch unzählige Reisegruppen werden sich vor der „Welle“ photographieren lassen.
Die Umsetzung der formalen Idee in ein dreidimensionales Objekt ist Hollein in gewohnt virtuoser Weise gelungen. Der mit Glasplatten gedeckte Gitterrost des geschwungenen Daches wird auf der linken Seite von einem stählernen Träger abgestützt, der sich vom Gesims des Hauptbaukörpers schräg nach unten zu einem massiven, dreieckigen Element spannt, das sich bei näherer Betrachtung als Aufgang der Tiefgarage erweist. Auf der rechten Seite tragen neun schlanke Stahlsäulen das Dach: Acht von ihnen sind gelb, die mittlere ist blau gestrichen, und weil sie ihre Lasten schräg in den Boden abtragen, ergeben sich, den Landesfarben entsprechend, hübsche blaugelbe Verschneidungen. Über dem Dach schwebt eine Tafel zur Ankündigung der Ausstellungen.
Der Eingang führt, zwischen den schrägen Stützen hindurch, in ein Foyer, an das linker Hand die Garderobe anschließt. Hier ist eine Art Erkerfenster eingeschnitten, das den Blick auf die abfallende Fläche des Schubert-Platzes lenkt und die vielen schrägen, geschwungenen Formen in das orthogonale System des Platzes zurückbindet.
Über das Innere der Halle lassen sich noch keine auf Erfahrung beruhenden Aussagen treffen: Die Gestalter der Ausstellung „1000 Jahre Österreich“, mit der das Gebäude eröffnet wurde, gaben sich alle Mühe, den Raum und seine Möglichkeiten für eine natürliche Belichtung zu ignorieren, indem alle Fenster verdunkelt wurden. Die Haupthalle verfügt sowohl über Sheddächer, die eine Belichtung von oben zulassen, als auch über seitliche Lichtschlitze und Lichtbänder an der südseitigen Stirnwand. Angrenzend an die zweigeschoßige Halle sitzt über dem Foyerbereich noch ein kleinerer Ausstellungsraum, von dem aus das Café mit Terrasse erreichbar ist. Eine Freitreppe führt von der Terrasse, an der Außenseite der Garderobe entlang, wieder auf den Vorplatz.
Zumindest bei der jetzigen Ausstellung ist diese Organisation verwirrend, da man vom Café mitten in die Ausstellung gelangt, ohne an der Kasse vorbei zu müssen. Allerdings handelt es sich beim Café um ein Provisorium, das in der nächsten Baustufe - bei Errichtung des großen Landesmuseums - verschwinden soll. Hollein begründet damit auch die Verkleidung des Körpers mit wetterfesten Sperrholzplatten. Daß man die Gestaltung des Café-Interieurs der lokalen Gastronomie überlassen hat, ist damit freilich kaum zu entschuldigen.
Betrachtet man die Ausstellungsgebäude von dort aus, wo einmal der Komplex des Lan-desmuseums stehen soll, wird die Zweiteilung der Anlage in einen expressiven Kopf und den Körper der eigentlichen Halle deutlich.
Hollein zeigt hier, daß er mit einem einfachen Baukörper nicht mehr anzufangen weiß, als ihn zu ornamentieren. Die Sheddächer bilden schräge Zacken, deren Linien sich in den diagonal geschnittenen, hell- und dunkel-grünen Verkleidungsplatten der Seitenwand fortsetzen.
In einer Zeit, in der die „kühlen Kisten“ der sechziger Jahre wieder in Mode sind, macht selbst die relativ sparsame Gestaltung, ganz zu schweigen vom formalen Feuerwerk an der Vorderseite, Holleins Halle zu einem „heißen“ Gebäude. Die markante Figur der „Welle“ und die räumliche Qualität des Eingangsbereiches werden die Zustimmung des Publikums sichern. Daß Kunst aber nicht nur Spaß macht, sondern oft brutal, erschreckend und aggressiv sein muß, davon schweigt Holleins beschwingtes Eingangsportal. Für das Kulturleben des Landes bleibt zu hoffen, daß wir durch dieses Portal hindurch auch manchmal eine andere Welt als die des Kulturkonsums werden betreten dürfen.
Für den Beitrag verantwortlich: Spectrum
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