Bauwerk
Siedlung Im Fang
Cooperative Dornbirn - Hoechst (A) - 1979
Lebens- und Patinafähigkeit im Holzbau
Fünf zwei- bis dreigeschoßige Häuser in Holzskelettbauweise mit verglasten Veranden sind durch einen gedeckten Innenhof verbunden, an dem die Eingänge und Gemeinschaftsräume liegen.
15. Dezember 2001 - Otto Kapfinger
Wir wandern durch das nagelneue Haus Helbock der Cooperative in Koblach. Es ist 1981 die erste Architekturexkursion aus Wien zur »Vorarlberger Bauschule«. Am Rand des Grundstückes, etwas auf Distanz, stehen Vorarlberger Kollegen, Purin, Wäger, Gnaiger, deren Bauten wir ebenfalls sehen werden. Ich habe die Hausrunde beendet und trete zu ihnen, und Hans Purin erklärt gerade, nicht unheftig: »So bringen sie den Holzbau in Verruf!« Er weist auf die untere westliche Ecke, wo der Fußpfosten der Holzkonstruktion nahe der Grasnarbe ganz offen auf dem Betonunterbau aufliegt.
Auf dieser Reise sah ich erstmals die Bauten der 1. und 2. Generation der Vorarlberger Baukünstler, und in dem Satz Purins lag nicht nur fachliche Kritik, er verdeutlichte auch eine scheinbar periphere, doch klare Differenz zwischen den Älteren und den Jüngeren- speziell der Cooperative. »Im Fang« in Höchst war damals ganz neu, ganz in leuchtendes, unbehandeltes Fichten- und Kiefernholz gehüllt, und ich verhehle nicht, dass diese unbekümmerten, offenen Baustrukturen mich damals stärker berührten, als die ebenfalls so feingliedrigen, doch gediegener ausgeführten Arbeiten von Purin oder Wäger.
Fast zwei Jahrzehnte später besuchte ich nochmals »Im Fang« und andere kollektive Siedlungen vom Beginn der 80er Jahre. Nach den Gründerfamilien lebten hier offenbar bereits Zweit- oder sogar Drittnutzer. Die Anlagen waren mit Patina, mit den Spuren des Lebens, des Alltags und der Aneignung geradezu gesättigt. Man konnte sehen, dass da und dort auch Schäden entstanden waren, dass verändert und weitergebaut worden war, dass es zusätzlich Abdeckungen gab, dass Teile erneuert und andere erneuerungsbedürftig waren. Doch der unprätentiöse, der offene, räumliche Charme dieser Bauten hatte noch dazugewonnen. Diese Bauten waren »lebendige«, sichtbare »Zeitspeicher«, und es stimmte fast wehmütig, dies mit dem zu vergleichen, was 15 Jahre später von denselben Architekten nun in großer Stückzahl mit Bauträgern für die anonyme Mittelschicht gebaut wurde.
Die Frage nach der einfachen, rohen Bauweise als ästhetisches Konzept oder nach der Lebens- und Patinafähigkeit im Holzbau führt in diesem Zusammenhang zurück auf Purins Bemerkung und jene Distanz, die da zu seinen »Nachfolgern« sichtbar wurde. Purin und auch Wäger, der ja gelernter Zimmerer war, hatten mehr als ein Jahrzehnt gekämpft, um den Holzbau für die mittlere und untere Mittelschicht überhaupt wieder salonfähig zu machen, um die Vorurteile gegen das bäuerliche, billige, erhaltungsaufwendige, wenig prestigeträchtige Material mit ihren Beispielen zu entkräften. Konstruktiver Holzschutz und Detailsorgfalt waren dabei enorm wichtig, gerade in der alemannischen Gesellschaft, die extrem auf Sauberkeit, Ordnung, Tüchtigkeit, Effizienz etc. orientiert ist.
Für die nächste Architektengeneration waren andere Werte wichtig. Eberle & Co wollten schnell etwas bauen, schon während des Studiums, wollten billig bauen, wollten gemeinschaftlich bauen und wohnen. Holz war dazu das Naheliegendste, dem Selbstbau, der Bastelei, der leichten Veränderbarkeit, dem Lebensgefühl der Nach-68er adäquat. Diese Generation wollte sich nicht in fein geputzten, ordentlich jedes Jahr neu gestrichenen Häuschen einnisten. Man wollte kollektiv, alternativ leben, selbstbestimmt, die Ressourcen schonen, nomadisch und »natürlich« sein. Baubiologie war eher unbekannt. »Im Fang« hatte jede Menge an Spanplatten und am Dach Asbestwellplatten. Perfektion war kein Ideal, Langlebigkeit eine kleinbürgerliche Zwangsvorstellung. Nicht Wachsmanns Holzbaubuch war hier die Bibel, viel eher die »Handmade Houses« und »Shelter« - Kataloge der amerikanischen Dropout-Bewegung.
Speziell die Cooperative lag mehr auf der subversiven, pfiffigen Linie von Walter Segal. Selbstbau, einfachste Details ohne komplizierte Maschinen und Verfahren war die Devise: Veränderlichkeit in jeder Hinsicht war ein größerer Wert als Beständigkeit, das Zelt als Metapher lag viel näher als die Villa. Holz war dieser Generation ein Mittel zum Zweck, keine Weltanschauung, schon gar keine regionalistische. Als die Cooperative sich größeren Aufgaben zuwandte, wurde Holz fallengelassen und massiv gebaut. Dieser Pragmatismus im Idealismus der Jugendjahre war - aus meiner heutigen Sicht - die noch stärkere, die wirkliche Triebfeder.
Auf dieser Reise sah ich erstmals die Bauten der 1. und 2. Generation der Vorarlberger Baukünstler, und in dem Satz Purins lag nicht nur fachliche Kritik, er verdeutlichte auch eine scheinbar periphere, doch klare Differenz zwischen den Älteren und den Jüngeren- speziell der Cooperative. »Im Fang« in Höchst war damals ganz neu, ganz in leuchtendes, unbehandeltes Fichten- und Kiefernholz gehüllt, und ich verhehle nicht, dass diese unbekümmerten, offenen Baustrukturen mich damals stärker berührten, als die ebenfalls so feingliedrigen, doch gediegener ausgeführten Arbeiten von Purin oder Wäger.
Fast zwei Jahrzehnte später besuchte ich nochmals »Im Fang« und andere kollektive Siedlungen vom Beginn der 80er Jahre. Nach den Gründerfamilien lebten hier offenbar bereits Zweit- oder sogar Drittnutzer. Die Anlagen waren mit Patina, mit den Spuren des Lebens, des Alltags und der Aneignung geradezu gesättigt. Man konnte sehen, dass da und dort auch Schäden entstanden waren, dass verändert und weitergebaut worden war, dass es zusätzlich Abdeckungen gab, dass Teile erneuert und andere erneuerungsbedürftig waren. Doch der unprätentiöse, der offene, räumliche Charme dieser Bauten hatte noch dazugewonnen. Diese Bauten waren »lebendige«, sichtbare »Zeitspeicher«, und es stimmte fast wehmütig, dies mit dem zu vergleichen, was 15 Jahre später von denselben Architekten nun in großer Stückzahl mit Bauträgern für die anonyme Mittelschicht gebaut wurde.
Die Frage nach der einfachen, rohen Bauweise als ästhetisches Konzept oder nach der Lebens- und Patinafähigkeit im Holzbau führt in diesem Zusammenhang zurück auf Purins Bemerkung und jene Distanz, die da zu seinen »Nachfolgern« sichtbar wurde. Purin und auch Wäger, der ja gelernter Zimmerer war, hatten mehr als ein Jahrzehnt gekämpft, um den Holzbau für die mittlere und untere Mittelschicht überhaupt wieder salonfähig zu machen, um die Vorurteile gegen das bäuerliche, billige, erhaltungsaufwendige, wenig prestigeträchtige Material mit ihren Beispielen zu entkräften. Konstruktiver Holzschutz und Detailsorgfalt waren dabei enorm wichtig, gerade in der alemannischen Gesellschaft, die extrem auf Sauberkeit, Ordnung, Tüchtigkeit, Effizienz etc. orientiert ist.
Für die nächste Architektengeneration waren andere Werte wichtig. Eberle & Co wollten schnell etwas bauen, schon während des Studiums, wollten billig bauen, wollten gemeinschaftlich bauen und wohnen. Holz war dazu das Naheliegendste, dem Selbstbau, der Bastelei, der leichten Veränderbarkeit, dem Lebensgefühl der Nach-68er adäquat. Diese Generation wollte sich nicht in fein geputzten, ordentlich jedes Jahr neu gestrichenen Häuschen einnisten. Man wollte kollektiv, alternativ leben, selbstbestimmt, die Ressourcen schonen, nomadisch und »natürlich« sein. Baubiologie war eher unbekannt. »Im Fang« hatte jede Menge an Spanplatten und am Dach Asbestwellplatten. Perfektion war kein Ideal, Langlebigkeit eine kleinbürgerliche Zwangsvorstellung. Nicht Wachsmanns Holzbaubuch war hier die Bibel, viel eher die »Handmade Houses« und »Shelter« - Kataloge der amerikanischen Dropout-Bewegung.
Speziell die Cooperative lag mehr auf der subversiven, pfiffigen Linie von Walter Segal. Selbstbau, einfachste Details ohne komplizierte Maschinen und Verfahren war die Devise: Veränderlichkeit in jeder Hinsicht war ein größerer Wert als Beständigkeit, das Zelt als Metapher lag viel näher als die Villa. Holz war dieser Generation ein Mittel zum Zweck, keine Weltanschauung, schon gar keine regionalistische. Als die Cooperative sich größeren Aufgaben zuwandte, wurde Holz fallengelassen und massiv gebaut. Dieser Pragmatismus im Idealismus der Jugendjahre war - aus meiner heutigen Sicht - die noch stärkere, die wirkliche Triebfeder.
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