Bauwerk

Villa im Wienerwald, Umbau
ARTEC Architekten - Tullnerbach (A) - 2005
Villa im Wienerwald, Umbau, Foto: ARTEC Architekten ZT GmbH
Villa im Wienerwald, Umbau, Foto: ARTEC Architekten ZT GmbH

High-Tech in der Märchenwelt

Eine Villa wie aus dem Märchenbuch: Unter Veranden, pittoresken Türmchen und Erkern scheint die Zeit stehen geblieben. Doch die Artec-Architekten erweckten das Haus zu neuem Leben: Ein Nurglaserker durchbricht die Eternitfassade und bringt Licht ins Haus.

30. September 2006 - Isabella Marboe
Über den Hängen der Westbahnstrecke lässt sich eine Villenkolonie von gaudíesker Formenfülle entdecken. Errichtet wurden die ferialen Spekulationsobjekte in Tullnerbach, als die Sommerfrische im Wienerwald um 1890 noch hoch im Kurs stand. Ein findiger Baumeister schlug zu. Keine der pittoresken Villen gleicht der anderen. Ihre schmucken Holzveranden und kühnen Krüppelwalme, ihre Kamine, Türme und Erkerchen boten ideale Kulissen zum kultivierten Zeitvertreib im Garten. Doch leider waren die Häuser der Sommerfrische nicht winterfest.

Die Bauherren sind Freunde, sie teilen sich Arbeitswege und Vorlieben. Lange suchten sie nach einem Zweifamilienhaus mit Garten, wo ihre Kinder - synergetisch betreut - gemeinsam aufwachsen konnten. Die Wiener Grünlagen waren zu teuer, da stießen sie auf eine verwahrloste Villa inmitten der historischen Tullnerbacher Kolonie. Dem bezaubernden Steilhang mit Rosengarten, Sonnenblumen und efeuumrankten Baumriesen erlagen sie sofort - vom Traumblick gar nicht erst zu sprechen.

Substanz mit Tücken

Ein Bauingenieur prüfte, ob ein Umbau sich lohne, und vermittelte prompt die Artec-Architekten. Das Budget war klein, die Substanz steckte voller Tücken: Die Räume waren verwinkelt, die Kamine waren defekt, und nicht zuletzt entpuppten sich die planlich eingezeichneten Stahlträger vor Ort als zweckentfremdete Eisenbahnschienen.

Behutsam nahmen die Architekten Wandmasse aus dem Bestand. Durchbrüche und viel Glas bringen Licht und Weite, die reizvollen Blickbezüge kommen nun endlich voll zur Geltung. Die beiden Wohnungen liegen an einer Hauptstiege, jede Wohnung bekam zudem ihre eigene Innentreppe. Strategisch günstig liegt sie zwischen der südlichen Wohn- und der nördlichen Schlafhälfte. Durch ihre großflächig perforierte Brüstung greift man leicht zum gewünschten Schmöker aus der Bücherwand, die über zwei Geschoße hochklettert. Ohne Raum zu rauben, bietet sie viel Platz für Lektüre.

Alle Einbauten sind als multifunktionale Raummöbel aus MDF-Platten gestaltet, die Eschenfurnieroptik ist auffällig und eigenwillig. Ein hoher Glasschlitz im Norden legt eine sonnige Sichtachse durchs ganze Haus. Der Sanitärblock ist durch ein Oberlichtband von der Decke abgesetzt. Gleichzeitig bietet die dicke Wand dem Vorzimmer tiefe Garderobenschränke.

Über den Boden ergießt sich spritzwasserfester Estrich, der zugunsten wohlig gewärmter Füße beheizt ist. Und dann: wieder Bücher. Entlang der überwölbten Bibliothek gleitet man in die Sonnenseite des Erdgeschoßes, wo sich der L-förmige Einraum zum trapezförmigen Wohnerker ausbuchtet. Eine warmluftbestrahlte Glasfront lässt viel Südlicht, dafür aber keine Kälte durch die Veranda. Wie ein Band aus zart gehäkelter Spitze rahmt ihre Holzschnitzerei den Wienerwaldblick.

Erker entzücken

Die Küchenzeile befindet sich an der Mittelmauer, frei steht davor der Arbeitsblock mit integrierter Bank, unter deren cleveren Klappsitzen sich wertvoller Stauraum verbirgt. Der eine Erker mit seinem integrierten Eschenfurnier-Schrank ist zum Schlafen da, der große, fast quadratische Raum dahinter gehört dem Kind.

In der Wohnung darüber bricht ein Nurglaserker wie ein Baumhaus aus der Westfassade. Föhrenwipfel spiegeln sich darin. Dem Kind bietet das verschnittene Steildach ein besonderes Raumerlebnis, die Eltern indes genießen das Leben von ihrer Terrasse aus.

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Gabriela De Raaij
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