Bauwerk

UnterWasserReich Ramsar-Zentrum Schrems
AH3 Architekten - Schrems (A) - 2005
UnterWasserReich Ramsar-Zentrum Schrems, Foto: Dieter Schewig
UnterWasserReich Ramsar-Zentrum Schrems, Foto: Dieter Schewig

Großes Theater im Moor

Selten gehen Architektur und Kunst, Landschaftsplanung und Ausstellungsgestaltung eine derart symbiotische Beziehung ein wie hier: das Ramsar-Zentrum in Schrems - ein Ausflug ins Waldviertler Hochmoor.

3. Dezember 2006 - Franziska Leeb
Es gibt keinen Abenteuerspielplatz, keine knallgelbe Hüpfburg und keinen Shop mit Plüschottern und Plastiklurchen; Kindern wird dennoch nicht fad. Es fehlen auch die Designer-Bar und andere Konsum stimulierenden Verführungen ebenso wie architektonische und audiovisuelle Spektakel. Es handelt sich vielmehr um eine Bildungseinrichtung über die Waldviertler Hochmoor-Landschaft. Dennoch ist das Ambiente attraktiv für Menschen jeder Bildungs-, Einkommens- und Altersschicht. In Zeiten, wo zum Zwecke der Maximierung von medialer Aufmerksamkeit und Besucherzahlen jedes Mittel recht ist, um Touristen in entlegene Gegenden zu locken, klingt das ziemlich anachronistisch.

Die Rede ist vom Ramsar-Zentrum in Schrems, auch „Unterwasserreich“ genannt. Seinen Namen hat die Institution von der indischen Stadt Ramsar, wo 1971 eine der ältesten internationalen Konventionen zum Umweltschutz, in diesem Fall ein Übereinkommen über Feuchtgebiete von internationaler Bedeutung, unterzeichnet wurde.

Das von den Brüdern Johannes und Michael Kislinger gegründete Büro AH3 Architekten hat den im Jahr 2003 ausgelobten Wettbewerb für ein Besucher- und Forschungszentrum, das Einblicke in die Welt der Feuchtgebiete gibt, mit einem bescheidenen und doch signifikanten Gebäude für sich entschieden. Die in Horn ansässigen Architekten haben sich auf ökologisches Bauen spezialisiert und sind bereits mehrfach mit qualitätsvoller Architektur - darunter etliche öffentliche Gebäude - aufgefallen.

Kein übergroßes Logo, auch kein Maskottchen oder sonst einen baulichen Narrenhut haben die mit Bedacht agierenden Baukünstler für notwendig erachtet, um Werbung für das Haus zu machen. Der gekurvte Baukörper schmiegt sich in die Landschaft. Dunkelgrauer Beton bildet Ton in Ton mit dem Erdboden seinen Rücken. Eine von der Decke bis zum Boden reichende Glasfassade formt den transparenten Bauch. Nur das über dem Eingang weit auskragende Dach bricht als einladendes Element aus dem ruhigen Monolithen aus.

Für den „Prunk“ haben im Unterwasserreich andere als die Architekten mit ihrem zurückhaltenden Gebäude gesorgt. Allen voran die Künstlerin Ingeborg Strobl, die mit Amphibien und Reptilien sowie einem nach oben hin dichter werdenden Geflecht von Skeletten der Glasfassade nicht nur den nötigen Sonnenschutz und einen thematisch passenden Filter zwischen Innen und Außen verpasste, sondern auch eine ausdrucksvolle Schauseite zum anschließenden Freigelände hin. Transparenz, Barrierefreiheit und das Verschmelzen von Innen und Außen sind die dominierenden architektonischen Themen.

Das Glas scheint fast den Wasserspiegel zu berühren, der beinahe an das Fußbodenniveau des Inneren heranreicht. Die umgebende Landschaft (gestaltet von Gerhard Prähofer) mit See, Moorteich, Schilfgürtel, Pflanzterrassen und Fischottergehege ist stets präsent, solange man sich im Foyer oder im lang gestreckten temporären Ausstellungsbereich entlang der Glasfassade aufhält. Emotionell und ästhetisch dazu kontrastierend ist die von Hans Kudlich als amorphes Grottenszenario eingerichtete fixe Ausstellung, in der auf einer künstlichen, aber sehr sinnlichen Ebene Wissen über das Leben in den Wasserwelten vermittelt wird.

Das Gebäude dient all dem als unprätentiöser Hintergrund und Halt. Selten gehen Architektur, Kunst, Landschaftsplanung und Ausstellungsgestaltung eine so symbiotische Beziehung ein wie hier. Keine Disziplin erdrückt die andere, keine spielt sich über Gebühr auf. Bloß dem Fischotter, dem unbestrittenen Star im Freibereich, würde man ein etwas attraktiver gestaltetes Gehege wünschen als den jetzigen Maschendrahtzaun.

Für das Gebäude, das sich der Landschaft und dem Umfeld gegenüber respektvoll verhält, dennoch Aufmerksamkeit und Sinne längerfristig zu stimulieren vermag und nicht als lautes Spektakel angelegt ist, wurden die AH3 Architekten jüngst mit dem Niederösterreichischen Kulturpreis in der Sparte Architektur geehrt.

In einem völlig anderen Kontext fügt es sich in einer modernen Architektursprache in sein Umfeld ebenso gut ein wie das zweite mit eben dieser Auszeichnung gewürdigte Projekt, der neue Campus Krems von Feichtinger Architectes. Und den Würdigungspreis für Verdienste um die Architektur in Niederösterreich erhielt „Spectrum“-Autor Walter Zschokke, dessen jüngste Publikation „ORTE - Architektur in Niederösterreich 1997 - 2007“ dieser Tage im Springer Verlag, Wien, erscheint und der einiges dazu beigetragen hat, dass Architektur in Niederösterreich keine Randerscheinung mehr ist.

Das Ramsar-Zentrum ist in Schrems übrigens nicht das einzige lohnende Ausflugsziel, das auch aus architektonischen Gründen sehenswert ist. In den letzten Jahren hat sich hier einiges getan. Gleich nebenan befindet sich das Moorbad Schrems (Architekt: Thomas Konrad), das dank der Freiraumgestaltung von Jakob Fina von großer Anmut ist. Und nicht weit weg davon, auf einer Lichtung im Wald, befindet sich ein drittes Kleinod aus der jüngsten Vergangenheit, die Aussichtswarte Himmelsleiter von Manfred Rapf.

Für touristische Zwecke zu bauen ist eine heikle Angelegenheit. Schließlich geht es darum, Attraktionen für ein möglichst zahlreiches Publikum zu schaffen. Verführerisch locken schnelles Geld und mediale Aufmerksamkeit. Oft wird dabei mittels flott inszenierter Eventarchitektur, die selten nachhaltig im umfassenden Sinn ist, über das Ziel hinausgeschossen. In Schrems hingegen entstand ein Gebäude, das dem Besucher großes Theater im besten Sinn zu bieten imstande ist, ohne sich selbst zu sehr aufzuspielen.

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