Bauwerk

Meidlinger Markt WC und Marktplatz
Gerhard Steixner - Wien (A) - 2006
Meidlinger Markt WC und Marktplatz, Foto: Gerhard Steixner
Meidlinger Markt WC und Marktplatz, Foto: Gerhard Steixner

Die Crux, der Clou, das Klo

Wien, Meidlinger Markt: Architektur für alles, was an- und abfällt. Eine Abfallsammelstelle mit beweglicher Haut und eine WC-Anlage, die leuchtet. Zwei Beiträge zum Thema Alltagsdesign.

29. Oktober 2006 - Liesbeth Waechter-Böhm
Diesmal geht es um Ausscheidungen, um Ausscheidungsarchitektur im weitesten Sinn. Die eine dient der Abfallwirtschaft auf dem Meidlinger Markt, die andere der Notdurft der Marktbesucher. Anders formuliert: Johann Georg Gsteu hat eine „Hütte“ entwickelt, wo der Abfall gesammelt und dann entsorgt wird; und Gerhard Steixner hat ein kleines Gebäude mit Doppelfunktion gebaut, es ist gleichzeitig überdachte Busstation und Einhausung der öffentlichen Klos.

Der Meidlinger Markt ist keine romantische, auch keine besonders lebendige Einrichtung mehr. In den Pavillons wird über das übliche Maß hinaus - obwohl durchsetzt mit mehr oder weniger „globalen“ Offerten - nichts Spezielles angeboten. Mit dem ungleich größeren Wiener Naschmarkt, wo sich die Gourmets regelrecht drängen, hat dieser Bezirksmarkt nichts zu tun. Kein Wunder: Gleich daneben befindet sich ein großer Interspar (mit eigener Parkgarage). Das ist die Crux: Einerseits wollen alle, dass Einrichtungen wie der Meidlinger Markt am Leben bleiben, andererseits lässt man die Ansiedlung eines großen Supermarktes gleich daneben zu - ein Widerspruch in sich. Letztlich halten die älteren Bewohner der Umgebung den Markt am Leben - und natürlich unsere Mitbürger ausländischer Herkunft, für die ein lebendiger Marktbetrieb Teil der kommunikativen Seite ihres Alltags ist.

Johann Georg Gsteu hat jedenfalls das Thema Marktabfall bearbeitet. Und er hat es gleich auf eine prototypische Lösung angelegt. Seine „Hütte“ hat genau die Dimensionen von zwei Marktpavillons samt Erschließungsweg. Sie liegt logischerweise am Rand - denn sie muss von den Entsorgungsfahrzeugen angefahren werden können. Aber dieser Rand ist eine Einbahnstraße, und genau gegenüber der Müllsammelstelle liegen die Einfahrten in die Parkgaragen von Interspar und einem privaten Anbieter. Diese Platznot war ein Thema, und natürlich die Frage der Hygiene.

Gsteu musste drei Presscontainer und 17 Großraumbehälter in einem Raum unterbringen, in einem zweiten Bereich sind ein kleines Büro samt Nebenräumen für den Angestellten untergebracht, der die Anlage betreut, außerdem eine Problemstoff-Sammelstelle. Die Haustechnik wurde unter die Erde gelegt.

Es ist interessant, was Gsteu aus dieser scheinbar simplen Aufgabe gemacht hat. Den Ansprüchen der Hygiene hat er mit industriellen Oberflächen beziehungsweise einer Lochblechhaut entsprochen, die rund um die Uhr, also auch zu den Schließzeiten, für eine gewisse Durchlüftung sorgt. Die Halle ist stützenfrei. Wenn die ziemlich großen Müllwägen kommen, um die Presscontainer zu holen, dann können sie diese Manöver gefahrlos durchführen - es kann eigentlich nichts beschädigt werden.

Aber der Clou ist etwas anderes: Gsteu hat Dach und Straßenfront als eine Haut interpretiert, und die lässt sich hydraulisch öffnen. Bei normalem Betrieb rastet sie etwa bei drei Meter Höhe ein; wenn die Container geholt werden, dann wird der Deckel dieser Müllschatulle auf beachtliche 5,50 Meter angehoben - das ist genau die Höhe, die man für die Manipulation mit den Containern braucht. Die Idee ist gut, und man kann nachvollziehen, dass Gsteu von einer prototypischen Lösung spricht. Alle anderen vergleichbaren Einrichtungen bei Wiener Märkten sind erstens nicht stützenfrei und zweitens nicht so benutzerfreundlich, denn hier finden tatsächlich alle Manöver - vom Befüllen bis zum Entleeren - im überdachten Bereich statt.

Man kann auch nicht sagen, dass hier vermeidbarer logistischer Aufwand getrieben worden wäre. Es gibt keine Fertigprodukte in dieser Länge, außerdem hätten Falttore sowieso nicht entsprochen, weil sie von der zulässigen Höhe viel zu viel Platz weggenommen hätten. Und man darf eines nicht gering achten: Gsteus Lösung ist ein ernsthafter Beitrag zum Thema Alltagsdesign. Nichts Auffälliges, nichts Protziges, schlicht, sehr schlicht. Trotzdem fängt das Objekt in den Abendstunden fast poetisch zu leuchten an. Ein schöner Nebeneffekt der luftdurchlässigen Lochblechhaut.

Übrigens leuchtet es auch bei Gerhard Steixners öffentlicher WC-Anlage. Da allerdings etwas luxuriöser und in einem völlig anderen Zusammenhang: Im Haltestellenbereich seines kleinen Gebäudes, das ja eine Doppelfunktion erfüllt, konnte er beleuchtete Vitrinen für Werbung realisieren, die ungemein edel ausgeführt sind. Sie sitzen flächengleich in der Haut des elliptischen Baukörpers, haben also gekrümmte Glasoberflächen, und das ist durchaus etwas Besonderes. Es ist sicher kurios - und auch amüsant -, einmal von der Architektur einer öffentlichen Bedürfnisanstalt zu reden. Diese hier ist sehr klein, für den Markt hat sie aber Bedeutung. Sie liegt direkt an der Hauptstraße und begrenzt einen kleinen, freien Platz dahinter - nur bestückt mit zwei Bäumen und einem Brunnen.

Steixner hat die viereckige Pavillonform, die den Markt ausnahmslos beherrscht, durchbrochen. Städtebaulich ist das an dieser besonderen Stelle in Ordnung. Er hatte mit seinen elliptischen Kurven aber noch etwas anderes im Sinn: Ecken, heimliche Pissecken wollte er vermeiden. Bei der Klientel, die sich vor allem abends hier herumtreibt, ist das eine legitime Überlegung. Eine zweite Überlegung: Das Gebäude als Möbel, als Stadtmöbel. Es steht frei im Raum, ohne Vorder-, ohne Rückseite. Gleichwertig in alle Richtungen.

Der Baukörper der öffentlichen Bedürfnisanstalt setzt sich in ein weit auskragendes Dach fort: darunter eine Sitzbank für diejenigen, die auf den Bus warten. Früher war hier eine Luigi-Blau-Haltestelle. Wie die aussehen, weiß man; sie sind - entsprechend den Vorgaben des Bauherrn - ziemlich klein. Jetzt ist viel mehr Platz da - und er ist trotzdem wettergeschützt. Das muss man als Plus verbuchen.

Steixner konnte nur ein Pissoir, eine geschlechtsneutrale - so heißt das jetzt - WC-Kabine und eine behindertengerechte realisieren. Zahlen müssen übrigens wie immer die Damen, die Pissoirbenutzer kommen kostenlos davon.

Was mir gleich aufgefallen ist: Auf dem Ganzen lastet ein dickes Dach. Aber das Rätselraten, was in dieser dicken Dachschicht enthalten sein könnte, hatte bald ein Ende. Steixner hat die „Hutkrempen“ der umliegenden Pavillons in seiner Architektur weitergeführt. Das war ganz bestimmt richtig. Er hat natürlich besonders auf Oberflächen gesetzt, die industriell, hart, glatt sind. Das heißt, seine Mischkonstruktion aus Stahl und Holz und zwei Sichtbetonscheiben ist entsprechend gerüstet. Die Betonscheiben sind mit einer Glasfaserbeschichtung ausgestattet, alles Übrige mit Aluminiumpaneelen verkleidet - innen teilweise farbig pulverbeschichtet.

Steixner ist mit dem Meidlinger Markt schon länger verbunden, er hat auch das Büro des Marktamtes geplant. Seine bisherigen Interventionen sind ein optimistisches, elegantes Statement. Auf dem Meidlinger Markt kann es nur aufwärts gehen.

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