Bauwerk
Sozialmedizinisches Zentrum Sophienspital
Martin Kohlbauer - Wien (A) - 1999
Baukunst in der Kostenschere
Mit verschiedenen Wettbewerbsvarianten versucht der Wiener Krankenanstaltenverbund im Spitalbau auch Maßstäbe zu setzen. Wie die eben fertiggestellte Erweiterung des Sophienspitals zeigt, mit Erfolg. Aber mit ungewisser Zukunft.
25. September 1999 - Christian Kühn
Im Jahr 1995 publizierte die britische „Royal Fine Art Commission “ein Buch mit dem Titel „What Makes a Good Building?“. Die Antwort, die darin gegeben wir ,ist einfach. Ein gutes Gebäude entsteht, wenn es eine gute Spezifikation der Aufgabe, einen guten Bauherrn und einen guten Architekten gibt. Die ersten beiden Voraussetzungen gehören eng zusammen: Ein guter Bauherr weiß, was er will und was er sich leisten kann. Ein guter Architekt respektiert diese Rahmenbedingungen und entwickelt mit dem Bauherrn die bestmögliche architektonische Lösung.
Das ist sicher eine Idealvorstellung. Wünsche und Budgets verändern sich, architektonische Konzepte bekommen eine Eigendynamik. Spannungen sind daher oft unvermeidlich. Trotzdem: Ohne ein Grundvertrauen zwischen dem Bauherrn und den Planern kann kein gutes Gebäude entstehen. Umso wichtiger ist daher die Frage, wie der gute Bauherr den passenden guten Architekten finden kann.
Was den öffentlichen Sektor betrifft, hat sich aber in den letzten Jahren vor allem mit dem EU-Beitritt vieles verändert. Seit geistig-schöpferische Leistungen, die aus öffentlichen Mitteln finanziert werden, ab einem Schwellenwert von 200.000 Euro ausgeschrieben werden müssen, gibt es selbst für kleine Planungsaufträge keine Direktvergabe mehr. Öffentliche Bereiche, die sich über Jahrzehnte jedem Wettbewerb hatten entziehen können, gerieten durch diese neuen Rahmenbedingungen unter einen spürbaren Anpassungsdruck.
Zu diesen Bereichen gehört der Spitalbau der Gemeinde Wien, seit 1993 dem Wiener Krankenanstaltenverbund zugeordnet – mit einem Jahresbudget von rund 30 Milliarden Schilling (2,18 Milliarden Euro), wobei 2,5 Milliarden auf den Bereich Bauten und Einrichtung entfallen, nicht gerade ein kleiner Bauherr. Dennoch blieb der Wiener Spitalbau bisher tief unterhalb der architektonischen Wahrnehmungsschwelle, Resultat einer gut eingespielten hermetischen Vergabepraxis auf niedrigem gestalterischem Niveau.
1994 wurde im KAV ein eigener Bereich Architektur geschaffen mit dem Ziel, die Qualität zu verbessern und zugleich den EU-Vorschriften für die Auftragsvergabe zu genügen. Bei einer Reihe von Projekten wurden verschiedene Varianten erprobt, vom offenen zweistufigen Wettbewerb bis zum Gutachterverfahren. Fertiggestellt wurde vor kurzem die Erweiterung des Sophienspitals, Ergebnis eines Wettbewerbs, den Martin Kohlbauer 1996 für sich entscheiden konnte.
Eine Besonderheit des Sophienspitals ist seine Lage genau gegenüber dem Westbahnhof. Zur Zeit seiner Entstehung grenzte das Spital an den Linienwall, wo heute der Gürtel, also eine der verkehrsreichsten Wiener Straßen, vorbeiführt. Als Ergänzung zu den bei den bestehenden Pavillons, zwischen denen ein kleiner Park mit altem Baumbestand liegt, war ein verbindender Trakt direkt am Gürtel zu planen.
Kohlbauers Entwurf arbeitet mit dem Motiv einer mehrfach abgestuften, den Park zum Gürtel hin begrenzenden Wand aus dunklem Klinker. Patientenzimmer liegen gartenseitig, Nebenräume sind zur Straße hin orientiert. Kohlbauer nutzt die Mauer nicht zur Abriegelung, sondern zur Schaffung von präzisen Zwischenbereichen, an denen der halböffentliche Raum des Spitals mit dem Stadtraum zusammenfließt. An einem Ende löst sich der Baukörper in eine Glaskonstruktion auf, die in mehreren Stufen hinter die Baulinie zurückspringt, während die Mauer als niedriger Paravent am Gürtel weitergezogen ist. Dazwischen entsteht ein schmaler baumbestandener Hof, der den Park auch vom Gürtel her spürbar werden läßt. Am anderen Ende läuft der Baukörper spitz zu und erlaubt einen diagonalen Einblick in den Park und umgekehrt von den Tagräumen aus den Blick zum Gürtel. Kohlbauer wollte hier, ebenso wie mit dem großen, über zwei Geschoße reichenden Fenster am Gürtel, hinter dem die Haupttreppe liegt, die belebte Straße als aktivierenden Kontrast zum Parkblick einbeziehen.
Der Bau bietet genau jenen Mehrwert, der aus dem Zusammentreffen eines guten Bauherrn mit einem guten Architekten entstehen kann: Optimale Arbeitsbedingungen für Ärzte und Pfleger, keine Aneinanderreihung von Funktionen, sondern ein wohlorganisiertes räumliches Kontinuum und schließlich eine vorbildliche Bereicherung des öffentlichen Raums. Lauter Qualitäten also, die sich nur schwer direkt in Zahlen ausdrücken lassen. Darauf hinzuweisen ist wichtig. Denn er Bau hat mehr gekostet, als im Budget veranschlagt war. Anfangs war von 100 Millionen Schilling die Rede, abgerechnet wurde jenseits von 125 Millionen.
Der Sprung von der architektonischen Niveaulosigkeit in das, was man heute von einem öffentlichen Bauherrn erwarten darf, hat den KAV bei einem anderen Projekt in arge Probleme gebracht. Auch beim Zubau eines OP-Traktes im Kaiserin-Elisabeth Spital ging man von einem unrealistisch niedrigen Budget aus. Die jungen Architekten Hemma Fasch und Jakob Fuchs haben den Wettbewerb gewonnen. Als sich im Vorentwurf eine Kostensteigerung von 210 auf 290 Millionen Schilling abschätzen ließ, wurden die Architekten unter äußerst unschönen Begleitumständen gekündigt. Letztlich dürften sie nicht an den angeblichen Fundierungsproblemen, sondern an einem Strukturproblem des KAV gescheitert sein: Die an sich vernünftige Dezentralisierung kann bei komplexeren Projekten dazu führen, daß zwar alle mitreden wollen, aber niemand mehr weiß, wer etwas zu entscheiden hat.
Es bleibt abzuwarten, welche Konsequenzen die Stadt Wien aus diesen Erfahrungen zieht. Jüngste Aussagen über eine „gestückelte Vorgangsweise“ zur Unterschreitung von EU-Schwellenwerten und das „Outsourcing“ von Bauherrnfunktionen an externe Berater lassen wenig Gutes erwarten.
Das ist sicher eine Idealvorstellung. Wünsche und Budgets verändern sich, architektonische Konzepte bekommen eine Eigendynamik. Spannungen sind daher oft unvermeidlich. Trotzdem: Ohne ein Grundvertrauen zwischen dem Bauherrn und den Planern kann kein gutes Gebäude entstehen. Umso wichtiger ist daher die Frage, wie der gute Bauherr den passenden guten Architekten finden kann.
Was den öffentlichen Sektor betrifft, hat sich aber in den letzten Jahren vor allem mit dem EU-Beitritt vieles verändert. Seit geistig-schöpferische Leistungen, die aus öffentlichen Mitteln finanziert werden, ab einem Schwellenwert von 200.000 Euro ausgeschrieben werden müssen, gibt es selbst für kleine Planungsaufträge keine Direktvergabe mehr. Öffentliche Bereiche, die sich über Jahrzehnte jedem Wettbewerb hatten entziehen können, gerieten durch diese neuen Rahmenbedingungen unter einen spürbaren Anpassungsdruck.
Zu diesen Bereichen gehört der Spitalbau der Gemeinde Wien, seit 1993 dem Wiener Krankenanstaltenverbund zugeordnet – mit einem Jahresbudget von rund 30 Milliarden Schilling (2,18 Milliarden Euro), wobei 2,5 Milliarden auf den Bereich Bauten und Einrichtung entfallen, nicht gerade ein kleiner Bauherr. Dennoch blieb der Wiener Spitalbau bisher tief unterhalb der architektonischen Wahrnehmungsschwelle, Resultat einer gut eingespielten hermetischen Vergabepraxis auf niedrigem gestalterischem Niveau.
1994 wurde im KAV ein eigener Bereich Architektur geschaffen mit dem Ziel, die Qualität zu verbessern und zugleich den EU-Vorschriften für die Auftragsvergabe zu genügen. Bei einer Reihe von Projekten wurden verschiedene Varianten erprobt, vom offenen zweistufigen Wettbewerb bis zum Gutachterverfahren. Fertiggestellt wurde vor kurzem die Erweiterung des Sophienspitals, Ergebnis eines Wettbewerbs, den Martin Kohlbauer 1996 für sich entscheiden konnte.
Eine Besonderheit des Sophienspitals ist seine Lage genau gegenüber dem Westbahnhof. Zur Zeit seiner Entstehung grenzte das Spital an den Linienwall, wo heute der Gürtel, also eine der verkehrsreichsten Wiener Straßen, vorbeiführt. Als Ergänzung zu den bei den bestehenden Pavillons, zwischen denen ein kleiner Park mit altem Baumbestand liegt, war ein verbindender Trakt direkt am Gürtel zu planen.
Kohlbauers Entwurf arbeitet mit dem Motiv einer mehrfach abgestuften, den Park zum Gürtel hin begrenzenden Wand aus dunklem Klinker. Patientenzimmer liegen gartenseitig, Nebenräume sind zur Straße hin orientiert. Kohlbauer nutzt die Mauer nicht zur Abriegelung, sondern zur Schaffung von präzisen Zwischenbereichen, an denen der halböffentliche Raum des Spitals mit dem Stadtraum zusammenfließt. An einem Ende löst sich der Baukörper in eine Glaskonstruktion auf, die in mehreren Stufen hinter die Baulinie zurückspringt, während die Mauer als niedriger Paravent am Gürtel weitergezogen ist. Dazwischen entsteht ein schmaler baumbestandener Hof, der den Park auch vom Gürtel her spürbar werden läßt. Am anderen Ende läuft der Baukörper spitz zu und erlaubt einen diagonalen Einblick in den Park und umgekehrt von den Tagräumen aus den Blick zum Gürtel. Kohlbauer wollte hier, ebenso wie mit dem großen, über zwei Geschoße reichenden Fenster am Gürtel, hinter dem die Haupttreppe liegt, die belebte Straße als aktivierenden Kontrast zum Parkblick einbeziehen.
Der Bau bietet genau jenen Mehrwert, der aus dem Zusammentreffen eines guten Bauherrn mit einem guten Architekten entstehen kann: Optimale Arbeitsbedingungen für Ärzte und Pfleger, keine Aneinanderreihung von Funktionen, sondern ein wohlorganisiertes räumliches Kontinuum und schließlich eine vorbildliche Bereicherung des öffentlichen Raums. Lauter Qualitäten also, die sich nur schwer direkt in Zahlen ausdrücken lassen. Darauf hinzuweisen ist wichtig. Denn er Bau hat mehr gekostet, als im Budget veranschlagt war. Anfangs war von 100 Millionen Schilling die Rede, abgerechnet wurde jenseits von 125 Millionen.
Der Sprung von der architektonischen Niveaulosigkeit in das, was man heute von einem öffentlichen Bauherrn erwarten darf, hat den KAV bei einem anderen Projekt in arge Probleme gebracht. Auch beim Zubau eines OP-Traktes im Kaiserin-Elisabeth Spital ging man von einem unrealistisch niedrigen Budget aus. Die jungen Architekten Hemma Fasch und Jakob Fuchs haben den Wettbewerb gewonnen. Als sich im Vorentwurf eine Kostensteigerung von 210 auf 290 Millionen Schilling abschätzen ließ, wurden die Architekten unter äußerst unschönen Begleitumständen gekündigt. Letztlich dürften sie nicht an den angeblichen Fundierungsproblemen, sondern an einem Strukturproblem des KAV gescheitert sein: Die an sich vernünftige Dezentralisierung kann bei komplexeren Projekten dazu führen, daß zwar alle mitreden wollen, aber niemand mehr weiß, wer etwas zu entscheiden hat.
Es bleibt abzuwarten, welche Konsequenzen die Stadt Wien aus diesen Erfahrungen zieht. Jüngste Aussagen über eine „gestückelte Vorgangsweise“ zur Unterschreitung von EU-Schwellenwerten und das „Outsourcing“ von Bauherrnfunktionen an externe Berater lassen wenig Gutes erwarten.
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