Bauwerk

Pfarrheim Sierning
Architekturbüro Arkade - Sierning (A) - 2017
Pfarrheim Sierning, Foto: Peter Philipp
Pfarrheim Sierning, Foto: Peter Philipp

Zwanzig Bauherren sei Dank

Das Pfarrheim der katholischen Pfarre St. Stephanus in Sierning wurde mit dem Neubau mitten ins Ortszentrum gerückt, ganz nah an die Kirche.

28. April 2018 - Tobias Hagleitner
Pfarrer Karl Sperker fand erst im zweiten Bildungsweg zur geistlichen Berufung. Vorher arbeitete er als Techniker und Projektleiter am Bau. Das biografische Fundament lässt sich noch ahnen, wenn der Kirchenmann mit Kenntnis und Begeisterung von der Entstehung des neuen Pfarrheims erzählt. Zu Recht ist auch etwas Stolz dabei. Denn die Pfarre hat es sich nicht leicht gemacht.

Mit dem neuen Haus wollte man den unterschiedlichsten Interessengruppen entgegenkommen. Es sollte nicht nur der Pfarrgemeinde intern dienen, sondern sich der Bevölkerung von Sierning insgesamt öffnen und einen Beitrag zur Lebendigkeit mitten im Ortskern leisten.

Räumliche Nähe

Der Bauausschuss der Pfarre, das Baureferat der Diözese, das Denkmalamt und viele engagierte Gemeindemitglieder waren in Vorbereitung, Entwicklung und Planung involviert. Die wichtigen Fragen, was das künftige Pfarrheim eigentlich können muss, welche Funktionen es für wen erfüllen soll, wurden leidenschaftlich debattiert.

Einmal ausverhandelt, gingen die Beteiligten mit einem umso solideren Raumprogramm in Phase zwei. Architekturbüros wurden zum Hearing geladen, mit der Architektenkammer wurde darauf ein geladener Wettbewerb akkordiert, den Architekt Klaus Landerl, Linzer „Filialist“ des Architekturbüros ARKADE, gewann.

Anstelle eines abgerissenen Bestands fügt sich der Neubau in das attraktive Sierninger Kernensemble aus Kirche, Gemeindeamt, Schloss und Wirtshaus. Die expressive Geste (asymmetrische Grundform, weit und spitz auskragende Dächer, Freitreppe), mit der die Kirche „umarmt“ wird, wirkt auf den ersten Blick als formale Übertreibung.

ie erweist sich aber insgesamt als wirksam, mit den beengten Verhältnissen am Bauplatz räumlich umzugehen. Äußerst nah rückt das großflächig verglaste Objekt an die Kirche aus Steyrtaler Konglomerat heran. Das in Teilen über tausend Jahre alte Baudenkmal wird zum integralen Teil des Raumerlebnisses im Pfarrsaal. Die Farbe der Metallfassade, der verwendete Stein, bewusst gesetzte Blickachsen und auch die künstlerische Glasarbeit an der Nordostfassade bringen Ort, Kirche und Pfarrheim in Dialog – ohne Anbiederung, selbstbewusst, aber mit Respekt.

Gelebte Baukultur

Auf den Bauplatz so passgenau zugeschnitten wie auf die Bedürfnisse der Gemeinde bietet das Haus im oberen Geschoß flexible Trennmöglichkeiten für kleine wie große Veranstaltungen (bis zu 160 Sitzplätze). Zusammen mit dem natürlich belichteten Untergeschoß ergibt sich für kirchliche wie weltliche, für Erwachsene wie Jugendliche Nutzungen der passende Rahmen.

Von „gefühlt zwanzig Bauherren“ spricht Architekt Klaus Landerl und verhehlt nicht, dass basisdemokratisches Vorgehen alle Beteiligten sehr fordert. Bis in die Bauphase wurde Mitsprache gewährt. Die entscheidende Rolle des Architekten war es, die vielfältigen Wünsche in ein bauliches Ganzes zu bringen, und zwar so, dass sich in der Architektur am Ende nicht ein schwacher Kompromiss, sondern die Überzeugungskraft des Konsenses zeigt.

Tatsächlich gibt das Haus seiner gemeinschaftsbildenden, öffentlichen Funktion eine passende Form. Es zeigt sich rundum offen, einladend, ohne „Rückseite“. Es ist ein Ort der Zusammenkunft mitten im Dorf. Und das ist nicht nur frommer Wunsch, sondern gelebte Wirklichkeit. Denn, glaubt man Pfarrer Sperker, und das sei dem Mann Gottes zugestanden, so steht die Gemeinde heute geschlossen hinter „ihrem“ Bauwerk. Das ist der eigentlich wertvollste Lohn all der Mühen im Entstehungsprozess.

Das kirchliche Vorbild sollte deshalb zu denken geben, insbesondere den weltlichen Teilen der Macht, also all jenen, die öffentliche Mittel verwalten, verplanen und verbauen und dabei dennoch glauben, auf Beteiligungsverfahren und ordentliche Wettbewerbe verzichten zu können.

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Für den Beitrag verantwortlich: Oberösterreichische Nachrichten

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