Bauwerk
Häuser am Wasser
Jürgen Radatz - Wien - 2016
Nah am Wasser gebaut
Intelligente Verdichtung bei baupolizeilichen Beschränkungen: zum Neubau eines Kleingarten-Doppelhauses an der Unteren Alten Donau. Bemerkenswert, raffiniert!
9. September 2017 - Iris Meder
„Häuser am Wasser“ nennt der Architekt Jürgen Radatz das Doppel-Kleingartenhaus. Oder Kleingarten-Doppelhaus? Egal, „Häuser am Wasser“. Das löst Assoziationen aus: Seezugang mit eigenem Bootssteg? Blick auf adriatische Gestade? Oder Gelseninvasion und Überflutung?
Wasserzugang gibt es natürlich nicht nur in Altaussee, Antibes und Alicante, sondern auch in Wien. In den 1920er- und 1930er-Jahren boomten die Wochenendhauskolonien in Klosterneuburg und Kritzendorf, in denen sich eigene Weekend-Gesellschaften als soziale Biotope mit lockeren Umgangsformen und lässig-sportivem Lifestyle entwickelten. Auch Ansätze, durch Reihenhauszeilen die Kosten zu senken und die Weekendhaus-Zersiedelung der Donauufer einzudämmen, gab es schon damals. Heute ist vom damaligen Weekend-Bewusstsein praktisch nichts mehr da, die hölzernen Weekendhäuser an der Donau erfreuen sich aber bei einer jungen Klientel neuer Beliebtheit, verbunden mit entsprechenden Preisen. Manche Häuser sind auch grobschlächtigen Ausbauten für eine Dauernutzung nicht entgangen.
Auch in Wiener Kleingartenanlagen geht der Trend seit Langem zum legalisierten Dauerwohnen. Vielfach ist hier auf „Gartensiedlung“ gewidmet worden, was maßstabsprengende dreigeschoßige Bauten erlaubt. Bei Kleingarten-Widmungen halten rigidere baupolizeiliche Beschränkungen der Grundflächen und Volumen Auswüchse im Zaum. Für Planer und Planerinnen bedeuten derartige Bauaufgaben einen sorgfältigen Umgang mit der mitunter kniffligen Entwicklungvon Raumprogrammen, was dem Ergebnis, richtig verstanden und umgesetzt, aber nur guttun kann. Gleichzeitig haben Kleingartenanlagen mit ihrer teils öffentlichen Durchwegung und ihrem hohen Anteil an Grün eine nicht zu unterschätzende Bedeutung fürdas städtische Mikroklima und die Qualität urbaner Erholungszonen.
Beim Bau der beiden Häuser an der Alten Donau wurde die geltende Kleingartensiedlungs-Beschränkung auf maximal zwei oberirdische Geschoße – je 50 Quadratmeter Fläche – als positive Herausforderung begriffen. Gewünscht war dabei durchaus die Qualität von Einfamilienhäusern mit Garten, allerdings in reflektierter Weise: Auf den beiden je 200 Quadratmeter großen Kleingarten-Parzellen sollte mit Bauland sparsam umgegangen und der obligatorische Abstand der Gebäude zur Grundstücksgrenze nicht für Alibi-Grünstreifen verschwendet, sondern für größere, qualitätvollere Freiräume genutzt werden. Die Entscheidung für eine verdichtete Bauweise mit einem Doppelhaus anstelle zweier frei stehender Häuser lag daher auf der Hand. Eine 90-Grad-Abwinkelung ermöglichte dabei die Ausbildung von geschützten Gartenhöfen für beide Einheiten. Sichtschutz zum belebten öffentlichen Fuß- und Radweg bieten efeubewachsene Grünwände. Bäume und Weinstöcke, die denHolzbau sukzessive weiter in die Vegetation einwachsen lassen, sind gepflanzt, duftenderbodendeckender Thymian ersetzt pflegeintensive Rasenflächen.
Im nördlichen Hausteil nimmt das Erdgeschoß eine vermietete Zweizimmerwohnung ein, das Obergeschoß Büro und Archiv des Auftraggebers, der selbst ein Naheverhältnis zur Architektur hat. Entsprechend eng war die Zusammenarbeit mit dem Architekten, aus der eine bemerkenswerte Lösung für die Bauaufgabe des kleinen suburbanen Einfamilienhauses entstanden ist. Äußerlich gibt sich das in Holzriegelbauweiseerrichtete Doppelhaus unauffällig mit ruhig gruppierten Quadern und einer Fassade in hell lasierter Rot-Zeder, die allmählich ergraut und dabei einen warmen Rotbraunton behält. Geschützte Sitzplätze und Pergolen, deren Sichtbeton-Oberflächen den gleichen Holzbretter-Rhythmus haben wie die Fassade, sichern im Erdgeschoß Privatsphäre, während die Obergeschoße mit großen Fenstern den Ausblick auf Fluss und Stadt ins Haus holen.
Besonders der südliche Hausteil erweist sich in seinem Inneren als raffinierte Schichtung von Raumvolumen auf insgesamt sieben Ebenen, die – kein Zufall, da Auftraggeber und Architekt mit den Qualitäten der Wiener Moderne vertraut sind – als intelligente Umsetzung eines Loos'schen Raumplans im kleinen Maßstab gesehen werden kann: Das oberste Niveau bildet der Arbeitsraum der Bauherrin, von dem sich, halbstöckig versetzt, das Raumkontinuum des als offene Empore ausgebildeten Wohnzimmers und der niedrigen Küche mit luftigem, hohem Essplatz zur Eingangsebene hin staffelt. Das im Tiefparterre liegende Schlafzimmer bleibt im Sommer kühl, verstellbare Metall-Lamellen schützen tagsüber vor Sonne und geben nachts Sicherheit. Weiter in dieErde eingegraben sind die Niveaus der Sanitärräume und eines kleinen Pool-Dampfbad-Bereichs, der über ein Glas-Oberlicht mit Tageslicht versorgt wird.
Während die Häuser äußerlich über den Maßstab der umgebenden Bauten nur unwesentlich hinausgehen, bieten sie in ihrem Inneren jeweils rund 120 Quadratmeter helle Wohnfläche. Zum Raumkonzept gehören neben Schrägdurchblicke ermöglichenden Treppenläufen und offenen Emporenebenenauch Einbaumöbel, die das begrenzte Raumangebot bestmöglich ausnutzen. Für eine angenehme Haptik und ein gutes Klima nicht nur in architektonischer, sondern auch in technischer Hinsicht sorgen Zellulosedämmung, Massivholzdecken, Lehm-Innenputz und eine zentrale Wasser-Wärmepumpe, die über die rötlichen Akazien-Stabparkett-Fußböden heizt und kühlt.
Vom geschützten Wohnbereich aus erweitert sich die Wohnqualität ganz selbstverständlich nicht nur für die Besitzer des Hauses, sondern für die Allgemeinheit auch in den öffentlichen Bereich hinein: Über den Fußweg auf den frei zugänglichen Badesteg und ins laue Naturgewässer gesprungen – morgens im glitzernden Gegenlicht, abends bei spektakulär verfärbtem Himmel über der Wolkenkratzer-Skyline der Großstadt und manchmal mit der akustischen Untermalung einer Frosch-Sinfonie.
Da möchte man wieder einmal Tucholsky zitieren: „Ja, das möchste: / Eine Villa im Grünen mit großer Terrasse, / vorn die Ostsee, hinten die Friedrichstraße; / mit schöner Aussicht, ländlich-mondän, / vom Badezimmer ist die Zugspitze zu sehn – / aber abendszum Kino hast dus nicht weit.“ In der Tat, ein Spaziergang von zehn Minuten entlang der Alten Donau bringt einen zur U-Bahn und den Lichtern der Metropole zurück.
Wasserzugang gibt es natürlich nicht nur in Altaussee, Antibes und Alicante, sondern auch in Wien. In den 1920er- und 1930er-Jahren boomten die Wochenendhauskolonien in Klosterneuburg und Kritzendorf, in denen sich eigene Weekend-Gesellschaften als soziale Biotope mit lockeren Umgangsformen und lässig-sportivem Lifestyle entwickelten. Auch Ansätze, durch Reihenhauszeilen die Kosten zu senken und die Weekendhaus-Zersiedelung der Donauufer einzudämmen, gab es schon damals. Heute ist vom damaligen Weekend-Bewusstsein praktisch nichts mehr da, die hölzernen Weekendhäuser an der Donau erfreuen sich aber bei einer jungen Klientel neuer Beliebtheit, verbunden mit entsprechenden Preisen. Manche Häuser sind auch grobschlächtigen Ausbauten für eine Dauernutzung nicht entgangen.
Auch in Wiener Kleingartenanlagen geht der Trend seit Langem zum legalisierten Dauerwohnen. Vielfach ist hier auf „Gartensiedlung“ gewidmet worden, was maßstabsprengende dreigeschoßige Bauten erlaubt. Bei Kleingarten-Widmungen halten rigidere baupolizeiliche Beschränkungen der Grundflächen und Volumen Auswüchse im Zaum. Für Planer und Planerinnen bedeuten derartige Bauaufgaben einen sorgfältigen Umgang mit der mitunter kniffligen Entwicklungvon Raumprogrammen, was dem Ergebnis, richtig verstanden und umgesetzt, aber nur guttun kann. Gleichzeitig haben Kleingartenanlagen mit ihrer teils öffentlichen Durchwegung und ihrem hohen Anteil an Grün eine nicht zu unterschätzende Bedeutung fürdas städtische Mikroklima und die Qualität urbaner Erholungszonen.
Beim Bau der beiden Häuser an der Alten Donau wurde die geltende Kleingartensiedlungs-Beschränkung auf maximal zwei oberirdische Geschoße – je 50 Quadratmeter Fläche – als positive Herausforderung begriffen. Gewünscht war dabei durchaus die Qualität von Einfamilienhäusern mit Garten, allerdings in reflektierter Weise: Auf den beiden je 200 Quadratmeter großen Kleingarten-Parzellen sollte mit Bauland sparsam umgegangen und der obligatorische Abstand der Gebäude zur Grundstücksgrenze nicht für Alibi-Grünstreifen verschwendet, sondern für größere, qualitätvollere Freiräume genutzt werden. Die Entscheidung für eine verdichtete Bauweise mit einem Doppelhaus anstelle zweier frei stehender Häuser lag daher auf der Hand. Eine 90-Grad-Abwinkelung ermöglichte dabei die Ausbildung von geschützten Gartenhöfen für beide Einheiten. Sichtschutz zum belebten öffentlichen Fuß- und Radweg bieten efeubewachsene Grünwände. Bäume und Weinstöcke, die denHolzbau sukzessive weiter in die Vegetation einwachsen lassen, sind gepflanzt, duftenderbodendeckender Thymian ersetzt pflegeintensive Rasenflächen.
Im nördlichen Hausteil nimmt das Erdgeschoß eine vermietete Zweizimmerwohnung ein, das Obergeschoß Büro und Archiv des Auftraggebers, der selbst ein Naheverhältnis zur Architektur hat. Entsprechend eng war die Zusammenarbeit mit dem Architekten, aus der eine bemerkenswerte Lösung für die Bauaufgabe des kleinen suburbanen Einfamilienhauses entstanden ist. Äußerlich gibt sich das in Holzriegelbauweiseerrichtete Doppelhaus unauffällig mit ruhig gruppierten Quadern und einer Fassade in hell lasierter Rot-Zeder, die allmählich ergraut und dabei einen warmen Rotbraunton behält. Geschützte Sitzplätze und Pergolen, deren Sichtbeton-Oberflächen den gleichen Holzbretter-Rhythmus haben wie die Fassade, sichern im Erdgeschoß Privatsphäre, während die Obergeschoße mit großen Fenstern den Ausblick auf Fluss und Stadt ins Haus holen.
Besonders der südliche Hausteil erweist sich in seinem Inneren als raffinierte Schichtung von Raumvolumen auf insgesamt sieben Ebenen, die – kein Zufall, da Auftraggeber und Architekt mit den Qualitäten der Wiener Moderne vertraut sind – als intelligente Umsetzung eines Loos'schen Raumplans im kleinen Maßstab gesehen werden kann: Das oberste Niveau bildet der Arbeitsraum der Bauherrin, von dem sich, halbstöckig versetzt, das Raumkontinuum des als offene Empore ausgebildeten Wohnzimmers und der niedrigen Küche mit luftigem, hohem Essplatz zur Eingangsebene hin staffelt. Das im Tiefparterre liegende Schlafzimmer bleibt im Sommer kühl, verstellbare Metall-Lamellen schützen tagsüber vor Sonne und geben nachts Sicherheit. Weiter in dieErde eingegraben sind die Niveaus der Sanitärräume und eines kleinen Pool-Dampfbad-Bereichs, der über ein Glas-Oberlicht mit Tageslicht versorgt wird.
Während die Häuser äußerlich über den Maßstab der umgebenden Bauten nur unwesentlich hinausgehen, bieten sie in ihrem Inneren jeweils rund 120 Quadratmeter helle Wohnfläche. Zum Raumkonzept gehören neben Schrägdurchblicke ermöglichenden Treppenläufen und offenen Emporenebenenauch Einbaumöbel, die das begrenzte Raumangebot bestmöglich ausnutzen. Für eine angenehme Haptik und ein gutes Klima nicht nur in architektonischer, sondern auch in technischer Hinsicht sorgen Zellulosedämmung, Massivholzdecken, Lehm-Innenputz und eine zentrale Wasser-Wärmepumpe, die über die rötlichen Akazien-Stabparkett-Fußböden heizt und kühlt.
Vom geschützten Wohnbereich aus erweitert sich die Wohnqualität ganz selbstverständlich nicht nur für die Besitzer des Hauses, sondern für die Allgemeinheit auch in den öffentlichen Bereich hinein: Über den Fußweg auf den frei zugänglichen Badesteg und ins laue Naturgewässer gesprungen – morgens im glitzernden Gegenlicht, abends bei spektakulär verfärbtem Himmel über der Wolkenkratzer-Skyline der Großstadt und manchmal mit der akustischen Untermalung einer Frosch-Sinfonie.
Da möchte man wieder einmal Tucholsky zitieren: „Ja, das möchste: / Eine Villa im Grünen mit großer Terrasse, / vorn die Ostsee, hinten die Friedrichstraße; / mit schöner Aussicht, ländlich-mondän, / vom Badezimmer ist die Zugspitze zu sehn – / aber abendszum Kino hast dus nicht weit.“ In der Tat, ein Spaziergang von zehn Minuten entlang der Alten Donau bringt einen zur U-Bahn und den Lichtern der Metropole zurück.
Für den Beitrag verantwortlich: Spectrum
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