Bauwerk

Wohnbau Max-Mell-Allee
Nussmüller Architekten - Graz (A) - 2018
Wohnbau Max-Mell-Allee, Foto: Simon Oberhofer
Wohnbau Max-Mell-Allee, Foto: Simon Oberhofer

Holzplektron mit sozialem Herz

Im Grazer Nobelviertel Rosenhain errichtete die Siedlungsgenossenschaft Ennstal einen Holzbau für vor allem einkommensschwächere Familien. Das gemütliche Atrium im Inneren soll die Bewohner zusammenführen.

13. Juni 2019 - Wojciech Czaja
Große Villen, üppig begrünte Grundstücke, ein Wäldchen mit kleinen Fischteichen: Rosenhain im Grazer Bezirk Geidorf zählt zu den nobelsten und teuersten Adressen der steirischen Landeshauptstadt. Kein Wunder, dass das Grazer Immobilienunternehmen Immo Circle in Zusammenarbeit mit dem Fertighaushersteller Griffner genau hier sieben luxuriöse Nobelvillen entwickelt, die um rund 6200 Euro pro Quadratmeter am Markt stehen. Geplante Fertigstellung: Sommer 2020.

„Rosenhain ist eine Wohngegend, in der üblicherweise gewerblicher Wohnbau mit Profitmaximierung entsteht“, sagt der Grazer Architekt Stefan Nussmüller. „Niemand hätte erwartet, dass sich die Stadt Graz entschließt, genau hier einen Übertragungswohnbau für sozial schwache Einkommensschichten zu errichten. Das Bekenntnis zur sozialen Durchmischung in dieser Konsequenz ist ein echter Glücksfall.“

Das Projekt, auf das der Architekt anspielt, befindet sich in der Max-Mell-Allee 6, ein paar Schritte nur vom Uni-Sportzentrum entfernt, und umfasst nach seinen Plänen insgesamt 38 kompakt geschnittene Wohnungen, die in ihrer cleveren Winzigkeit sogar die Wiener Smart-Wohnungen überbieten. Das Spektrum reicht von kleinen Garçonnièren bis hin zu Fünf-Zimmer-Wohnungen auf gerade mal 85 Quadratmetern Nutzfläche. Das Angebot richtet sich an einkommensschwächere, auch kinderreiche Familien, denen die Anzahl der getrennten Schlafzimmer finanziell bedingt wichtiger ist als ein komfortabel dimensioniertes Wohnzimmer. In manchen Wohnungen misst die Wohnküche kaum 20 Quadratmeter.

„Der Bedarf an solchen kompakten Wohnungen ist groß“, sagt Birgit Schauer, Projektleiterin in der gemeinnützigen Siedlungsgenossenschaft Ennstal, die das Projekt im Rahmen eines Bauträgerwettbewerbs mit nachgeschaltetem Architekturwettbewerb entwickelt hat. „Wir verwalten die Anlage nur. Sowohl das Grundstück als auch das Einweisungsrecht liegen nach wie vor in den Händen der Stadt Graz.“ Durch das Baurecht sowie durch behördliche Anreize wie etwa den Entfall der sogenannten Bauabgabe sei es möglich gewesen, die Mietkosten auf 7,85 Euro pro Quadratmeter zu reduzieren – inklusive Umsatzsteuer, Betriebskosten und eingebauter Küchenzeile.

Nicht alltäglich ist auch die Bauweise: Nachdem in der Steiermark 25 Prozent aller geförderten Wohnbauten in Holz errichtet werden müssen, fiel die Entscheidung für das Baumaterial nicht schwer. Die Wahl fiel auf massives Brettschichtholz für die Decken und Innenwände sowie auf eine Riegelkonstruktion mit innenliegender Wärmedämmung für die Außenwände. Durch den platzsparenden Wandaufbau konnten gegenüber einer klassischen massiven Außenwandkonstruktion bei gleichbleibendem Außenvolumen zusätzlich 50 verwertbare Quadratmeter gewonnen werden.

Das Holz kam nicht nur konstruktiv zum Einsatz, sondern prägt das Haus, das im Grundriss wie ein überdimensionales Plektron daherkommt, auch optisch: Jeder Wohnung ist eine breite Balkon- und Loggienschicht vorgelagert, die an der Fassade mit zueinander versetzten Lärchenholzrosten verkleidet ist. Die hölzernen, über zwei Geschoße reichenden Schattenspender dienen zugleich als Sichtschutz und Rankgerüst für Pflanzen. Die Freiräume sind bewusst groß dimensioniert und sollen die oft knappen Wohnflächen kompensieren.

Doch die wahre Besonderheit des Hauses liegt im Innenhof verborgen: Nachdem sämtliche Wohnungen von hier aus – entweder direkt über den Hof oder über einen Laubengang – erschlossen werden, entschied sich Architekt Nussmüller, diesen Flächen eine Zweitfunktion zu geben: „Es ist in Österreich brandschutzrechtlich verboten, brennbare Gegenstände auf den Gang zu stellen. Aber unsere Gänge sind so breit, dass für kleinere Sachen dennoch Platz ist. Wenn man heute durch die Anlage spaziert, sieht man bereits Schuhe, Kräutertöpfe, Sitzbankerln, und ich gehe davon aus, dass diese lebendige Bespielung in den kommenden Jahren noch deutlich zunehmen wird. Hier findet das soziale Leben statt.“

Trotz aller Qualitäten war das Objekt (Baukosten 4,4 Millionen Euro) schwieriger zu verwerten als vergleichbare Häuser in anderen Lagen: „Für einige Familien mit Migrationshintergrund war Rosenhain alles andere als eine begehrte Wohnlage im Grünen“, sagt Schauer, „vielmehr lediglich ein Bezirk mit zu wenig Infrastruktur und zu großer Entfernung zur Innenstadt und zu den vielen kleinen Geschäften in Gries und Lend.“

Und auch der Gemeinschaftsraum muss hier, damit er tatsächlich genutzt wird, von außen programmiert werden: Regelmäßig organisiert die SG Ennstal, die sogar eine eigene Mediationsabteilung hat, Frühstücke, Spielenachmittage und Nachhilfestunden für Kinder und Jugendliche.

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