Bauwerk

Wanda Lanzer Schule
Silbermayr Welzl Architekten - Wien (A) - 2018
Wanda Lanzer Schule, Foto: Hertha Hurnaus
Wanda Lanzer Schule, Foto: Hertha Hurnaus
Wanda Lanzer Schule, Foto: Hertha Hurnaus

Wie muss Schule sein? Mehr Raum, mehr Pausen

Trotz verkehrstechnischer Tücken und städtebaulichem Autismus gelungen: die Wanda-Lanzer-Schule in Wien-Stammersdorf und die Volksschule in der Wagramer Straße 224. Ein Lokalaugenschein in Transdanubien.

22. September 2018 - Franziska Leeb
Das Baugrundstück für die Errichtung der Wanda-Lanzer-Schule hatte seine Tücken: schmal und lang gestreckt auf dem Gleisgelände der aufgelassenen Stammersdorfer Lokalbahn gelegen, daneben bahnen sich auf der Brünner Straße der Autoverkehr und die Straßenbahn ihren Weg an die nördliche Stadtgrenze.

Nun hat die Stadt Wien in ihrem Neubauprogramm für Bildungsbauten den klassischen Gangschulen eine Absage erteilt. Wie sind aber hier mehrere Bildungsräume um eine gemeinsame Multifunktionsfläche anzuordnen, ohne einzelnen davon den Nachteil der Lage an der Straße zuzumuten?

Die Antwort der Silbermayr Welzl Architekten ist bestechend einfach. Sie nahmen die Länge nicht als zu bekämpfenden Nachteil, sondern erkannten deren Vorteile: Eine geringe Gebäudetiefe gestattet beste Versorgung mit Tageslicht sowie eine gute Verschränkung zwischen innen und außen, selbst wenn Terrassen nur an einer Seite sinnvoll sind. Rankgerüste und Lamellen bilden zur Straße einen Filter. Dahinter liegen weniger frequentierte Räume wie Nassräume und Garderoben. Zum Garten öffnet sich die Schule in allen drei Ebenen und über die ganze Länge raumhoch verglast zum vom Atelier Landschaft naturnah gestalteten Freiraum und auf die Balkonbänder. Zwischen der Nebenraumzone und der intensiv genutzten Flanke mit den Klassenzimmern legten die Architekten eine Promenade an, die sich zwischen den Raumgruppen nach beiden Seiten zu offenen Lern- und Aufenthaltszonen weitet, die gartenseitig auf die Loggien und Balkone ins Freie münden.

Die luftige Leichtigkeit der Schule versinnbildlicht sich am deutlichsten in der Aula, wo eine skulptural wirkende Stiege mit verschränkten Treppenläufen in die Geschoße führt. Hellroter Terrazzo am Boden, weiße Treppenwangen und Wände sowie Glasbrüstungen bilden einen eleganten Hintergrund. In den Bildungsbereichen setzen ein sonnengelber Bodenbelag und von Architektin Ulrike Lambert als Patchwork aus Regalen, Schränken und Laden mit verschiedenen Oberflächen maßgeschneiderte Einbaumöbel Akzente. Die Schule ist eine Offene Neue Musikmittelschule, also mit Nachmittagsbetreuung und Freizeitprogramm. Sie ist aber auch offen für andere Institutionen und Vereine. Eng zusammengearbeitet wird mit der Musikschule Floridsdorf, die auch die Band-Proberäume im Untergeschoß nutzt. Zahlreiche Sportvereine sorgen für abendliche Belebung des Turnsaals, dessen Foyer auch als zusätzlicher Veranstaltungsraum gute Figur macht.

„Total durchdacht“ lobt Direktorin Katja Kraml die Architektur der Schule. Schon im heißen August konnte sie feststellen, dass es trotz vieler Glasflächen weder zu Überhitzung komme noch Straßenlärm zu hören sei. Die Schüler seien begeistert, nicht nur, weil es nun zwei lange Pausen statt einer gibt, um die multifunktionalen Flächen und den Garten noch mehr genießen zu können. Rasch hat sich die Schulgemeinschaft eingelebt, sicher auch deshalb, weil sich Lehrerkollegium wie Schüler bereits davor mit dem neuen Gebäude vertraut machen konnten und die Architekten nicht für unbekannte Nutzer planen mussten.

Diesen Vorteil hatte Architektin Sne Veselinović bei der Volksschule in der Wagramer Straße nicht, zudem war weiteren Erschwernissen beizukommen. Schon 2012 hatte sie den Wettbewerb für einen Campus auf dem Eckgrundstück zur Maculangasse gewonnen. Realgymnasium und Volksschule sollten einen gemeinsamen Vorhof umschließen. Es änderten sich die Rahmenbedingungen und Besitzverhältnisse auf dem Areal, noch ehe die erste Baustufe, das Evangelische Realgymnasium an der Maculangasse, 2015 fertiggestellt war.

Die Ecke, an der die Volksschule entlang der Wagramer Straße ansetzen sollte, wurde – städtebaulich autistisch und auch sonst keine Zierde – von einer Geschäftsstelle des AMS besetzt. Dann wurde noch die Idee geboren, über der Schule ein Wohnheim aufzustocken. Also musste auf verkleinertem Grundstück sowohl mehr untergebracht werden als auch der Zutritt zur Schule von der Wagramer Straße erfolgen.

Ihr Anliegen, hier ein angenehmes Entree samt Schwellenraum zum Gehweg mit Verweilqualität zu schaffen, löste die Architektin einerseits mit dem Abrücken von der Baulinie und einer „Faltung“ der zweigeschoßigen Schulfassade. Es rhythmisiert die Länge und bringt durch schräg gestellte zweigeschoßige Verglasungen Licht und Außenbezug in die dahinter liegende interne Spiel- und Erschließungsstraße des kammförmigen Gebäudes, setzt sie aber nicht frontal der Straße aus. Ein Text der Künstlerin Ingeborg Kumpfmüller, der das Gemeinsame in den Vordergrund stellt (auf dem Foto noch nicht zu sehen) wertet zudem die Ansicht auf.

Schule und Wohnheim haben separate Zugänge, zwecks Raum- und Budgetökonomie hat Veselinović sie so ineinander verschränkt, dass ein Lift beide Einheiten erschließen kann. Die Bildungsräume organisierte sie als Cluster in den gartenseitigen „Fingern“, zwischen denen die kleinen, aber feinen Freiräume (gestaltet von DnD Landschaftsplanung) liegen. Der Luftraum der Aula und das Lichtatrium zwischen den Turnräumen im Untergeschoß verweben die Geschoße.

Über Eck gezogene Fensterbänder in den Bildungsräumen und raumhohe Verglasungen in den Allgemeinbereichen schaffen räumliche Weite, Ausblick und viel Tageslicht, und für Gartenbezug auch im Obergeschoß sorgen große Balkone. Deren elegante Geländer mit zarten, V-förmig angeordneten Rundstäben und ein subtiles Farbkonzept sind nur zwei der Details, die auch hier Herz und Auge erfreuen.

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