Bauwerk
Umbau Praterstern
KENH Architekten ZT GmbH - Wien (A) - 2022
Platzumgestaltung Praterstern in Wien
Der Praterstern ist ein Ort mit vielen Menschen und vielen sozialen Friktionen. Nach etlichen glücklosen Umplanungen in den letzten Jahrzehnten wurde der Platz nun ein weiteres Mal erneuert – diesmal allerdings behutsam und nicht nur mit der Kraft von Architektur und Stadtplanung, sondern auch in enger Zusammenarbeit mit der Sucht- und Drogenkoordinationsstelle der Stadt Wien.
2. April 2024 - Wojciech Czaja
Die Straßenbahn 5, eine der längsten Linien Wiens, dreht gerade ihre Endschleife, der Bus 80A fährt in die Haltestelle ein, oben die S-Bahn mit Bahnsteigdurchsage, unten ein Polizeiwagen mit Blaulicht und Sirene, dazwischen liegt, irgendwo auf einer der vielen Bänke, ein obdachloser Mann, Schlafsack, Plastiktüte, Weißwein im Tetrapack.
Ein ganz normaler Moment am Praterstern, könnte man meinen, auf einem der quirligsten öffentlichen Stadträume Wiens, sagen die einen, mitten im ewigen Sorgenkind und Hotspot von Drogen, Alkohol und Kriminalität, sagen die anderen. »Und beides ist irgendwie richtig«, sagt Isabella Lehner-Oberndorfer, Sicherheitsbeauftragte in der Sucht- und Drogenkoordinationsstelle der Stadt Wien, »denn der Praterstern ist ein hochfrequentierter Ort, an dem Menschen aus unterschiedlichen sozialen Gruppen zusammenkommen, und das sorgt naturgemäß für Friktionen.« Pro Tag, so benennt es die Statistik, laufen hier 150 000 bis 200 000 Menschen über den Platz, steigen ein und aus und um, verlieren sich im Dickicht der sozialen Kontraste.
Schön ist der Platz schon lange nicht mehr. Nach den Bombenschäden im Zweiten Weltkrieg wurde der alte Nordbahnhof gesprengt und durch einen hässlichen Nutzbau in betonierter Hochlage ersetzt. Albert Wimmer stülpte 2007 eine gläserne Bahnhofshalle darüber, Boris Podrecca errichtete drei Jahre später eine Platzüberdachung mit ganz viel Metallgestänge und verdeckte damit die Bahnhofsuhr, und irgendwie wollte der Platz nie so richtig in die Gänge kommen. Statt in die Architekturgazetten schaffte es der Praterstern als Tatort von Vergewaltigungen und Messerstechereien immer bloß in die Boulevardmedien.
»Als 2014 klar wurde, dass die lokale Polizeistation von hier wegzieht und die alte Wachstube mitten am Platz frei wird«, erzählt Eric-Emanuel Tschaikner, CEO von KENH Architekten, »wurden wir eingeladen, für einen Gastronomen das Haus umzubauen, ein gestalterisches Konzept zu entwickeln und den unmittelbaren Freiraum rund um das Gebäude mitzuplanen.« Mit Erfolg. Der Gastronom pachtete das in den 1980er-Jahren errichtete Polizeihäuschen und startete mit den Planungen.
Als kurz darauf die Stadt Wien auf das Vorhaben aufmerksam wurde, praktischerweise knapp vor den Wiener Gemeinderatswahlen 2015, beschloss sie, die Ideen des Privatiers aufzugreifen, einen öffentlichen Wettbewerb für eine abermalige Umplanung des bis dahin erfolglosen, von vielen Menschen gemiedenen Platzes auszuschreiben, auf dem 2018 ein offizielles Waffen- und Alkoholverbot ausgehängt wurde, dem einzigen Ort mit Restriktionen dieser Art in ganz Wien – und die Renaissance des Pratersterns zum SPÖ-Wahlkampfthema hochzuzüchten.
KENH Architekten nahmen am zweistufigen Realisierungsverfahren teil und holten sich aus strategischen Gründen das Wiener Landschaftsplanungsbüro DD mit an Bord, schließlich haben Anna Detzlhofer und Sabine Dessovic mit öffentlichen Auftraggeber:innen und Projekten im öffentlichen Raum schon mehr als reichlich Erfahrung. Mit insgesamt 40 »Interventionen«, die punktuell ansetzen, ohne den bestehenden Platz komplett auf den Kopf zu stellen, belegte die Arbeitsgemeinschaft den 1. Platz. Im Herbst 2021 starteten die Bauarbeiten, im Sommer darauf wurden die letzten Arbeiten fertiggestellt.
»Am allerwichtigsten war uns, ein neues Narrativ auf den Platz zu bringen«, sagt Architekt Tschaikner. »Wir wollten das Stigma als Problemort mit Drogen, Alkohol und Kriminalität loswerden und stattdessen einen Platz für alle schaffen – für Kinder und Jugendliche, für Anrainer:innen aus der Umgebung, für Leute auf dem Weg von A nach B, aber natürlich nach wie vor einen Ort für Menschen aus marginalisierten Gruppen, die hier unter freiemHimmel ein Zuhause gefunden haben.« In enger Zusammenarbeit mit der Sucht- und Drogenkoordinationsstelle der Stadt Wien, die auf dem Platz schon seit vielen Jahren Sozialarbeit leistet und die Ängste und Bedürfnisse der unterschiedlichen Stakeholder gut kennt, wurde ein Sitz- und Aufenthaltskonzept entwickelt.
Dieses umfasst ein Spektrum an unterschiedlich dimensionierten Betonringen, die im Grundriss die Form des Praterstern-Kreisverkehrs aufnehmen. Bei den sogenannten Pratoiden (Copyright KENH) handelt es sich um Betonfertigteile in verschiedenen Radien, mal mit ebener Oberfläche, mal geböscht und gewölbt, mal mit laminierten Sitzauflagen, mal ohne, mal mit Armlehnen und Aufstehhilfen, mal ohne. Um das subjektive Sicherheitsgefühl am Platz zu steigern, wurden die scheinbar über dem Boden schwebenden Betonringe mit einer indirekten Beleuchtung ausgestattet. Ergänzt wird das Sitzkonzept von durchaus poetischen Betoneiern, die ein wenig wie frei platzierte Hinkelsteine mal da, mal dort herumliegen.
»Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Menschen aus unterschiedlichen sozialen Gruppen sich eher in die Nähe von anderen wagen und sich dort wohlfühlen, wenn die Blickrichtungen voneinander wegweisen und nicht zueinander gerichtet sind«, erklärt Isabella Lehner-Oberndorfer. Auf den Betonringen sitzen die Menschen an warmen Tagen Rücken an Rücken, das scheint zu funktionieren. Die Platzierung der Sitzelemente folgt der Geografie des Platzes: Entlang der hochfrequentierten Wege gibt es eher Einzelsitze und geböschte Oberflächen fürs schnelle Hinsetzen zwischendurch, an den etwas abgelegenen Pfaden wiederum sind eher größere Sitz- und Liegeflächen zu finden – für die, die zu zweit kuscheln oder einfach nur alleine schlafen wollen. Interessantes Learning für andere Städte: »An den meisten Problemorten mit marginalisierten Gruppen und sozialen Friktionen werden die Sitzgelegenheiten in der Anzahl stark reduziert«, sagt Lehner-Oberndorfer. »Wir haben das Gegenteil gemacht! Wir haben so viele Sitzmöglichkeiten geschaffen, dass Menschen mit Alkoholproblemen und Obdachlosigkeiten das Angebot gar nicht ausfüllen können. Es gibt genug Verweilorte für alle.« Insgesamt wurden 192 offizielle Sitzmöglichkeiten geschaffen. »Und ja, das Konzept ist aufgegangen, es gibt keinerlei Raumkonkurrenz.«
Neben dem Sitzen zeichnet sich der mit »Interventionen« erfrischte, erneuerte Platz durch Licht, Grün und Wasser aus. Das Beleuchtungskonzept wurde vereinheitlicht und durch energieeffiziente LED-Masten ersetzt, die Versiegelungsfläche wurde reduziert, und wo es die Wege und Platzüberquerungen zugelassen haben, wurden begrünte Flächen vorgesehen. Um die genauen Flächen und Konturen zu bestimmen, wurden die Wege und Trampelpfade der Menschen analysiert. Schließlich wurde entlang des Kreisverkehrs Boris Podreccas Metallkranz entfernt, der den Praterstern einst wie eine Dornenkrone einfasste.
»Wir haben den Platz zum Teil großflächig entsiegelt, neue Rasenflächen geschaffen und das bestehende Material wie etwa Betonplatten und Granitpflaster behutsam entfernt und im Sinne der Kreislaufwirtschaft an anderer Stelle wieder eingebaut«, sagt Sabine Dessovic, Partnerin bei DD Landschaftsplanung. Anstelle von Podreccas Einfassung, der für die Umgestaltung des Pratersterns übrigens keinerlei Verständnis hat und die Begrünungsmaßnahmen als »städtebauliche Gaudi«, »grünen Populismus« und »pseudo-ökologisches Krebsgeschwür« bezeichnet, wurde ein 1,4 m hoher Begrünungsring geschaffen, der v. a. als emotionaler, atmosphärischer Sichtschutz dient.
»Wir wollten den Autoverkehr etwas ausblenden, gleichzeitig aber keine neuen visuellen Barrieren schaffen. Daher haben wir die Höhe beschränkt. Zugleich haben wir uns um eine Auswahl mit robusten, klimaresistenten Pflanzen und möglichst langer Blütenabfolge bemüht.« Weitaus komplexer war das Pflanzen der insgesamt 44 neuen Bäume – darunter Platanen, Kastanien, Robinien, Ulmen und Zelkoven. Um das Urban-Heat-Phänomen nicht erst in vielen Jahren, sondern schon jetzt einzudämmen, entschied sich DD, zum Teil erwachsene, bis zu 20 Jahre Bäume einzusetzen.
»Und das war alles andere als einfach«, so Dessovic. »Wir sind den gesamten Platz mit dem ober- und unterirdischen Leitungs- und Installationsplan abgegangen, der aussieht wie ein wilder Spaghetti-Teller, und ich kann mit bestem Gewissen sagen: Es gibt heute keinen einzigen Quadratmeter mehr, an dem man noch einen weiteren Baum pflanzen könnte. Alle Reserven sind ausgeschöpft, mehr geht nicht mehr.« Schon jetzt ist die subjektiv gefühlte Temperatur im Hochsommer, wie Studien ergeben haben, um 10 bis 15 Grad Celcius kühler als die tatsächliche Umgebungstemperatur.
Highlight des neuen Pratersterns jedoch – unscheinbar in der kalten Jahreszeit, ein erfrischendes Paradies im heißen Sommer – ist das 500 m² große Wasserspiel in der innenstadtzugewandten Platzmitte. Aus rund 250 Auslässen in der Bodenplatte sprudeln je nach Wetter in einer auf das jeweilige Klima abgestimmten Choreografie Wasser und feuchter Nebel. Nicht nur Kinder, sondern auch Erwachsene aus allen möglichen Kulturen und Lebenswelten laufen an heißen Sommertagen durch die Wolke aus Abkühlung und Lebensfreude.
»Wir machen wirklich viele Projekte im öffentlichen Raum«, sagt Sabine Dessovic, »aber wir haben selten so viel positive Resonanz in Form von E-Mails und Anrufen erhalten, von Medien, aber auch von Menschen, die den Praterstern nun neu kennengelernt haben und uns kontaktieren und sich für die Planung bedanken möchten.« Die Dutzenden, Hunderten, Tausenden Silhouetten, die sich in der allsommerlichen Hitze mit Wasser umgeben, tun ihr Übriges. Ruhe, Kindergeschrei und zwischenmenschliches Chaos an einem Ort in lokaler Überlagerung. Schönheit, lehrt uns dieser Ort, ist in allererster Linie ein sozialer Aspekt. So gesehen ist der Praterstern nun endlich schön geworden.
Ein ganz normaler Moment am Praterstern, könnte man meinen, auf einem der quirligsten öffentlichen Stadträume Wiens, sagen die einen, mitten im ewigen Sorgenkind und Hotspot von Drogen, Alkohol und Kriminalität, sagen die anderen. »Und beides ist irgendwie richtig«, sagt Isabella Lehner-Oberndorfer, Sicherheitsbeauftragte in der Sucht- und Drogenkoordinationsstelle der Stadt Wien, »denn der Praterstern ist ein hochfrequentierter Ort, an dem Menschen aus unterschiedlichen sozialen Gruppen zusammenkommen, und das sorgt naturgemäß für Friktionen.« Pro Tag, so benennt es die Statistik, laufen hier 150 000 bis 200 000 Menschen über den Platz, steigen ein und aus und um, verlieren sich im Dickicht der sozialen Kontraste.
Schön ist der Platz schon lange nicht mehr. Nach den Bombenschäden im Zweiten Weltkrieg wurde der alte Nordbahnhof gesprengt und durch einen hässlichen Nutzbau in betonierter Hochlage ersetzt. Albert Wimmer stülpte 2007 eine gläserne Bahnhofshalle darüber, Boris Podrecca errichtete drei Jahre später eine Platzüberdachung mit ganz viel Metallgestänge und verdeckte damit die Bahnhofsuhr, und irgendwie wollte der Platz nie so richtig in die Gänge kommen. Statt in die Architekturgazetten schaffte es der Praterstern als Tatort von Vergewaltigungen und Messerstechereien immer bloß in die Boulevardmedien.
»Als 2014 klar wurde, dass die lokale Polizeistation von hier wegzieht und die alte Wachstube mitten am Platz frei wird«, erzählt Eric-Emanuel Tschaikner, CEO von KENH Architekten, »wurden wir eingeladen, für einen Gastronomen das Haus umzubauen, ein gestalterisches Konzept zu entwickeln und den unmittelbaren Freiraum rund um das Gebäude mitzuplanen.« Mit Erfolg. Der Gastronom pachtete das in den 1980er-Jahren errichtete Polizeihäuschen und startete mit den Planungen.
Als kurz darauf die Stadt Wien auf das Vorhaben aufmerksam wurde, praktischerweise knapp vor den Wiener Gemeinderatswahlen 2015, beschloss sie, die Ideen des Privatiers aufzugreifen, einen öffentlichen Wettbewerb für eine abermalige Umplanung des bis dahin erfolglosen, von vielen Menschen gemiedenen Platzes auszuschreiben, auf dem 2018 ein offizielles Waffen- und Alkoholverbot ausgehängt wurde, dem einzigen Ort mit Restriktionen dieser Art in ganz Wien – und die Renaissance des Pratersterns zum SPÖ-Wahlkampfthema hochzuzüchten.
KENH Architekten nahmen am zweistufigen Realisierungsverfahren teil und holten sich aus strategischen Gründen das Wiener Landschaftsplanungsbüro DD mit an Bord, schließlich haben Anna Detzlhofer und Sabine Dessovic mit öffentlichen Auftraggeber:innen und Projekten im öffentlichen Raum schon mehr als reichlich Erfahrung. Mit insgesamt 40 »Interventionen«, die punktuell ansetzen, ohne den bestehenden Platz komplett auf den Kopf zu stellen, belegte die Arbeitsgemeinschaft den 1. Platz. Im Herbst 2021 starteten die Bauarbeiten, im Sommer darauf wurden die letzten Arbeiten fertiggestellt.
»Am allerwichtigsten war uns, ein neues Narrativ auf den Platz zu bringen«, sagt Architekt Tschaikner. »Wir wollten das Stigma als Problemort mit Drogen, Alkohol und Kriminalität loswerden und stattdessen einen Platz für alle schaffen – für Kinder und Jugendliche, für Anrainer:innen aus der Umgebung, für Leute auf dem Weg von A nach B, aber natürlich nach wie vor einen Ort für Menschen aus marginalisierten Gruppen, die hier unter freiemHimmel ein Zuhause gefunden haben.« In enger Zusammenarbeit mit der Sucht- und Drogenkoordinationsstelle der Stadt Wien, die auf dem Platz schon seit vielen Jahren Sozialarbeit leistet und die Ängste und Bedürfnisse der unterschiedlichen Stakeholder gut kennt, wurde ein Sitz- und Aufenthaltskonzept entwickelt.
Dieses umfasst ein Spektrum an unterschiedlich dimensionierten Betonringen, die im Grundriss die Form des Praterstern-Kreisverkehrs aufnehmen. Bei den sogenannten Pratoiden (Copyright KENH) handelt es sich um Betonfertigteile in verschiedenen Radien, mal mit ebener Oberfläche, mal geböscht und gewölbt, mal mit laminierten Sitzauflagen, mal ohne, mal mit Armlehnen und Aufstehhilfen, mal ohne. Um das subjektive Sicherheitsgefühl am Platz zu steigern, wurden die scheinbar über dem Boden schwebenden Betonringe mit einer indirekten Beleuchtung ausgestattet. Ergänzt wird das Sitzkonzept von durchaus poetischen Betoneiern, die ein wenig wie frei platzierte Hinkelsteine mal da, mal dort herumliegen.
»Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Menschen aus unterschiedlichen sozialen Gruppen sich eher in die Nähe von anderen wagen und sich dort wohlfühlen, wenn die Blickrichtungen voneinander wegweisen und nicht zueinander gerichtet sind«, erklärt Isabella Lehner-Oberndorfer. Auf den Betonringen sitzen die Menschen an warmen Tagen Rücken an Rücken, das scheint zu funktionieren. Die Platzierung der Sitzelemente folgt der Geografie des Platzes: Entlang der hochfrequentierten Wege gibt es eher Einzelsitze und geböschte Oberflächen fürs schnelle Hinsetzen zwischendurch, an den etwas abgelegenen Pfaden wiederum sind eher größere Sitz- und Liegeflächen zu finden – für die, die zu zweit kuscheln oder einfach nur alleine schlafen wollen. Interessantes Learning für andere Städte: »An den meisten Problemorten mit marginalisierten Gruppen und sozialen Friktionen werden die Sitzgelegenheiten in der Anzahl stark reduziert«, sagt Lehner-Oberndorfer. »Wir haben das Gegenteil gemacht! Wir haben so viele Sitzmöglichkeiten geschaffen, dass Menschen mit Alkoholproblemen und Obdachlosigkeiten das Angebot gar nicht ausfüllen können. Es gibt genug Verweilorte für alle.« Insgesamt wurden 192 offizielle Sitzmöglichkeiten geschaffen. »Und ja, das Konzept ist aufgegangen, es gibt keinerlei Raumkonkurrenz.«
Neben dem Sitzen zeichnet sich der mit »Interventionen« erfrischte, erneuerte Platz durch Licht, Grün und Wasser aus. Das Beleuchtungskonzept wurde vereinheitlicht und durch energieeffiziente LED-Masten ersetzt, die Versiegelungsfläche wurde reduziert, und wo es die Wege und Platzüberquerungen zugelassen haben, wurden begrünte Flächen vorgesehen. Um die genauen Flächen und Konturen zu bestimmen, wurden die Wege und Trampelpfade der Menschen analysiert. Schließlich wurde entlang des Kreisverkehrs Boris Podreccas Metallkranz entfernt, der den Praterstern einst wie eine Dornenkrone einfasste.
»Wir haben den Platz zum Teil großflächig entsiegelt, neue Rasenflächen geschaffen und das bestehende Material wie etwa Betonplatten und Granitpflaster behutsam entfernt und im Sinne der Kreislaufwirtschaft an anderer Stelle wieder eingebaut«, sagt Sabine Dessovic, Partnerin bei DD Landschaftsplanung. Anstelle von Podreccas Einfassung, der für die Umgestaltung des Pratersterns übrigens keinerlei Verständnis hat und die Begrünungsmaßnahmen als »städtebauliche Gaudi«, »grünen Populismus« und »pseudo-ökologisches Krebsgeschwür« bezeichnet, wurde ein 1,4 m hoher Begrünungsring geschaffen, der v. a. als emotionaler, atmosphärischer Sichtschutz dient.
»Wir wollten den Autoverkehr etwas ausblenden, gleichzeitig aber keine neuen visuellen Barrieren schaffen. Daher haben wir die Höhe beschränkt. Zugleich haben wir uns um eine Auswahl mit robusten, klimaresistenten Pflanzen und möglichst langer Blütenabfolge bemüht.« Weitaus komplexer war das Pflanzen der insgesamt 44 neuen Bäume – darunter Platanen, Kastanien, Robinien, Ulmen und Zelkoven. Um das Urban-Heat-Phänomen nicht erst in vielen Jahren, sondern schon jetzt einzudämmen, entschied sich DD, zum Teil erwachsene, bis zu 20 Jahre Bäume einzusetzen.
»Und das war alles andere als einfach«, so Dessovic. »Wir sind den gesamten Platz mit dem ober- und unterirdischen Leitungs- und Installationsplan abgegangen, der aussieht wie ein wilder Spaghetti-Teller, und ich kann mit bestem Gewissen sagen: Es gibt heute keinen einzigen Quadratmeter mehr, an dem man noch einen weiteren Baum pflanzen könnte. Alle Reserven sind ausgeschöpft, mehr geht nicht mehr.« Schon jetzt ist die subjektiv gefühlte Temperatur im Hochsommer, wie Studien ergeben haben, um 10 bis 15 Grad Celcius kühler als die tatsächliche Umgebungstemperatur.
Highlight des neuen Pratersterns jedoch – unscheinbar in der kalten Jahreszeit, ein erfrischendes Paradies im heißen Sommer – ist das 500 m² große Wasserspiel in der innenstadtzugewandten Platzmitte. Aus rund 250 Auslässen in der Bodenplatte sprudeln je nach Wetter in einer auf das jeweilige Klima abgestimmten Choreografie Wasser und feuchter Nebel. Nicht nur Kinder, sondern auch Erwachsene aus allen möglichen Kulturen und Lebenswelten laufen an heißen Sommertagen durch die Wolke aus Abkühlung und Lebensfreude.
»Wir machen wirklich viele Projekte im öffentlichen Raum«, sagt Sabine Dessovic, »aber wir haben selten so viel positive Resonanz in Form von E-Mails und Anrufen erhalten, von Medien, aber auch von Menschen, die den Praterstern nun neu kennengelernt haben und uns kontaktieren und sich für die Planung bedanken möchten.« Die Dutzenden, Hunderten, Tausenden Silhouetten, die sich in der allsommerlichen Hitze mit Wasser umgeben, tun ihr Übriges. Ruhe, Kindergeschrei und zwischenmenschliches Chaos an einem Ort in lokaler Überlagerung. Schönheit, lehrt uns dieser Ort, ist in allererster Linie ein sozialer Aspekt. So gesehen ist der Praterstern nun endlich schön geworden.
Für den Beitrag verantwortlich: deutsche bauzeitung
Ansprechpartner:in für diese Seite: Ulrike Kunkel
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