Bauwerk
Kongreßhaus
Gerhard Garstenauer - Bad Gastein (A) - 1974
Geht Gastein baden?
Verkitscht, verschleudert, verschandelt: Die Bauwerke Gerhard Garstenauers in Bad Gastein werden sträflich vernachlässigt. Ein Appell zu Erhalt und Revitalisierung.
21. Februar 2009 - Norbert Mayr
Neue Töne aus Bad Gastein: „Die Architektur stört uns nicht, ganz im Gegenteil.“ So sprach Bürgermeister Gerald Steinbauer vergangenen Oktober über das Kongresszentrum. Das Symposium „Moderne zwei 1948–1984“ zur Baukultur der Nachkriegszeit würdigte das von Architekt Gerhard Garstenauer 1968/1974 ins Zentrum des einst mondänen Weltkulturorts gepflanzte Gebäude. Am Kongresszentrum schieden sich die Geister. Teuer errichtet vom Baulöwen Porr, erhielt es ein Betonklotz-Image am Bein der finanziell schwächelnden Stadt, die es in der Folgeverkommen ließ. Vor wenigen Jahren wurde das Kongresszentrum zum „Schleuderpreis“,so Landeshauptmannstellvertreter Wilfried Haslauer, an Franz Duval und Franz Wojnarowski verkauft. Das Wiener Investoren-Duo lässt seit Jahren seine insgesamt fünf Immobilien in Bad Gastein leer stehen, statt die angekündigten Revitalisierungen zu starten, und ließ sogar den öffentlichen Platz vor dem Kongresshaus absperren. Spekulanten sind sie nicht nur für Bürgermeister Steinbauer, der den Kauf rückabwickeln will. Duval und Wojnarowski schlagen aber immer wieder Kaufangebote aus, obwohl der mehrfache Betrag ihres Kaufpreises geboten wurde. Bad Gasteins Zentrum befindet sich in lähmender Geiselhaft.
Gegen den steten Niedergang des mondänen Kurorts entwickelte der heute 84-jährige Architekt Gerhard Garstenauer mit Anton Kerschbaumer Mitte der 1960er-Jahre eine Vision für das Gasteinertal. Der Bürgermeister und sein Architekt erneuerten den traditionsreichen Kurbetrieb und setzten auf den rasant wachsenden Tourismus. Dieser Aufbruch fand im Felsenbad 1966/68 die erste Umsetzung. Wegen des beengten Bauplatzes ließ Garstenauer die Schwimmhalle aus dem Bergrücken heraussprengen. Der Kontrast zwischen unbearbeiteten Tauerngneiswänden und konstruktiv-präzisen Sichtbeton-Elementen prägt den bemerkenswerten Raumeindruck.
Auch das 1974 fertiggestellte Kongresszentrum fand internationale Beachtung und erhielt 1976 den Architekturpreis des Landes Salzburg. Garstenauer schuf einen Kontrapunkt zum gewohnten Bad-Gastein-Bild. Dieses hatten ab dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts Wiener und Münchner Architektenals großstädtisches, im alpinen Tal fremd anmutendes „Wolkenkratzerdorf in den Bergen“ geformt. Dicht gefügt sitzen die gründerzeitlichen Hotelblöcke jeweils auf mehreren Untergeschoßen im steilen Gelände. In analoger Weiterführung dieser „Gasteiner Substruktionen“ setzte Garstenauer – so der Architekturhistoriker Friedrich Achleitner – eine konstruktiv geprägte „rigorose Spätmoderne“ um. Die markante Horizontale des imSteilhang dramatisch aufgeständerten Bauwerks prägt das Zentrum, für Garstenauer der „sichtbare Ausdruck als Ort der Begegnung.“ Anstelle der ehemaligen engen, verschatteten Straße öffnete die begehbare kommunale Platz- und Dachlandschaft das Zentrum großzügig zu Sonne und Tal. – Ergänzend sollte die Neugründung „Sportgastein“ im Talschluss auf 1600 Meter Seehöhe eine sportliche Klientel anziehen. Unverwirklicht blieben die „Badeschlucht“ mit Appartementanlage und eine Gletscherbahn auf das 3100 Meter hohe Schareck. Realisieren konnte Garstenauer 1970 den Kreuzkogel-Lift mit insgesamt vier sphärischen Kugelbauten aus Aluminium. Tal- und Bergstation, Beobachtungs- und Aussichtskugel bildeten eindrucksvolle Kontraste in der hochalpinen Gebirgslandschaft mit ihren bizarren Schnee- und Eisformationen.
Während Ende der 1960er-Jahre in Wien junge Architekten an „primitiven ,Domes‘ und biomorph aufgeblasenen Wolkentürmen und techno-uteralen Wohnhöhlen bastelten“, setzte Gerhard Garstenauer – so der Wiener Architekturpublizist Otto Kapfinger – „perfekte Alu-Glas-Kugeln per Hubschrauber in die Gletscherregion“ und passte „seine aus hochdifferenziertem Beton gefügten ,Flugzeugträger‘ des Felsenbades und des Kongresszentrums ins Hochgebirge und in die mondäne Hotelschlucht“ – „parallel zu den ähnlich gelagerten Wagnissen von Frei Otto und Günther Behnisch für die Olympiabauten“ in München.
Bedauerlicherweise verlor nach Bürgermeister Kerschbaumers zehnjähriger Amtszeit und seinem Tod 1975 Bad Gastein die mit Garstenauer entwickelte, übergeordnete Planungsperspektive und fiel in eine selbstzerstörerische Depression. Seither bereicherte kein einziges zeitgemäßes Gebäude von Rang die Silhouette, im Gegenteil, sie wird massiv beeinträchtigt durch Abriss stattlicherGründerzeithotels und die Errichtung banalster Neubauten. Postmodern-historisierende Hotels wie das Bellevue oder plumpe, unförmige Baumassen wie die drei Nebengebäude des Hotels Kaiserhof von Hapimag entwerten oder bedrängen die ehrwürdigen Gründerzeit-Palazzi. Einhellig erklärte die Stadtpolitik den Haupttrakt des städtebaulich wie architektonisch bedeutenden Gasteinerhofes zum „Schandfleck“, er wurde schließlich abgerissen.
Dieser stete Raubbau an der Baukultur macht Bad Gasteins Erscheinungsbild ordinär. Auch Garstenauers Bauten sind in Gefahr. Längst verschwunden sind seine futuristischen Panoramagondeln für die Stubnerkogel-Seilbahn. Diese 1972 an drei Raumachsen konstruierten Superellipsen aus Sonnenschutz-Acrylglas boten in geschützten Miniräumen optimalen Landschaftsbezug. Die Naturschutzbehörde, die neue Unterstände in „Holzblockbauweise mit matt-anthrazit-grau gefärbtem Satteldach“ vorschrieb, veranlasste, eine der vier Lift-Kugeln zu demontieren. Drei Jahrzehnte trotzten die Kugeln mit optimierter Form und minimierter Oberfläche dem rauen Hochgebirgswetter, bis der Naturschutz ausreichend Angriffsfläche fand. Zumindest das Abbruchunternehmen erkannte die Qualitäten und stellte die Kugel im Firmengelände auf, statt sie zu verschrotten.
Ohne Einflussmöglichkeit für Garstenauerwurden und werden sein Solarbad in Dorfgastein von 1978 und sein Felsenbad unbedarft verändert. Zahlreiche Memoranden dokumentieren seine Angebote unentgeltlicher Beratung. Auch das Kongresszentrum wurde vernachlässigt. Schon lange unbenutzbar ist etwa auf dem Dach die Trinkhalle in vier kristallinen Kugeln. Die Verkitschung des Äußeren und andere Verschandelungen sind leicht reversibel. Die Bausubstanz des Kongresszentrums macht insgesamt noch einen guten Eindruck, allerdings ist der Leerstand schädlich.
Bei Duvals fünf Gasteiner Immobilien das Denkmalamt als Verhinderer oder Verzögerer hinzustellen ist absurd. Schließlich streben die Wiener Investoren unangemessene Kubaturzuwächse an und beeinträchtigen damit massiv die Bauwerke wie den Charakter des Stadtbildes. Das verdeutlichen auch ihre dilletantisch-verstümmelnden Umbau-„Vorschläge“ für das Kongresszentrum.
Viele Baudenkmäler der 1960er- und 1970er-Jahre nutzten „moderne“ Baumaterialien wie Stahl, Glas und (Sicht-)Beton sowie neue Konstruktionen. Auf ihrer Erforschung basieren Pflege, Konservierung und Adaptierung der Bausubstanz und die Entwicklung gestalterisch wie bauphysikalisch anspruchsvoller Lösungen. Nur die denkmalpflegerische Betreuung kann dem Bad Gasteiner Kongresszentrum eine respektvolle und gelungene Revitalisierung sichern. Schließlich bietet das mit Betonfertigteilen präzis komponierte Gebäude zahlreiche Potenziale, die für Bad Gastein dringend aktiviert, zeitgemäß und qualitätvoll weiterentwickelt werden könnten. Die Verwendung von Betonfertigteilen und die Präzision im konstruktiven Anspruch ist mit Roland Rainers denkmalgeschütztem ORF-Zentrum auf dem Küniglberg (1968/1985) vergleichbar. Gegen die probeweise Außendämmung schrieb der verdiente Architekturpublizist Walter Zschokke energisch und zu Recht an („Spectrum“, 27. Mai 2006): „Würde man heute den Strebepfeilern und dem Chormauerwerk einer regional bedeutenden gotischen Kirche eine Außendämmung verpassen? Wohl kaum.“ Zschokkes Forderung nach einem ingenieurwissenschaftlichen Gesamtkonzept zur wärmetechnischen Sanierung des ORF gilt auch für das Gasteiner Kongresszentrum. Allein die Erneuerung dergroßflächigen Verglasungen würde eine große energetische Verbesserung bedeuten.
Schon kleine, aber unbedacht gesetzte Maßnahmen wie Fensteraustausch, Dämmung und Bemalung können zerstörerische Wirkung auf die Ausgewogenheit von Proportionen und Materialien entfalten. Um das zu vermeiden, war bereits im Jahr 2000 für die drei noch erhaltenen Bauensembles Kongresszentrum, Felsenbad und Liftkugeln eine Unterschutzstellung beim Bundesdenkmalamt angeregt worden. Der damalige Präsident Georg W. Rizzi, der unter anderem auch bei Anton Schweighofers „Stadt des Kindes“ und dem Mittelbahnsteig des Salzburger Hauptbahnhofs versagte, hat dies jahrelang verschleppt. Haben in Deutschland oder der Schweiz die Denkmalämter längst außergewöhnliche Bauwerke der 1960er- und 1970er-Jahre aufgearbeitet, so hinkt in Österreich das personell und finanziell ausgehungerte Denkmalamt – verschärft durch das Desinteresse Rizzis als Präsident 1998 bis 2008 und Architekturdirektor – weit hinterher.
So kam es zu absurden Entwicklungen. Voreinigen Jahren stellte das Landeskonservatorat Salzburg Margarete Schütte-Lihotzkys konventionell gestaltetes Wohnhaus in Radstadt (1950) unter Schutz, während bis heute keines der Hauptwerke Gerhard Garstenauers – zentrale Bauwerke der österreichischen Architekturgeschichte – geschützt ist.
Nun ist es an der neuen Präsidentin des Bundesdenkmalamts, Barbara Neubauer, ihrem erfreulichen Bekenntnis zur Nachkriegsarchitektur beim Antritts-Statement imFrühjahr 2008 Taten folgen zu lassen. Ihr Grundsatz-Statement beim Symposium „Moderne zwei“ widmete sich den jungen Baudenkmälern in Österreich und Strategien gegen deren akute Gefährdungen.
Die Bewusstseinsbildung für die Architektur der Nachkriegszeit kann das Denkmalamtalleine nicht leisten. Die Planer von heute sind gefordert, die Leistungen vergangener Generationen respektvoll weiterzuentwickeln,die Architekturfakultäten müssen der Denkmalpflege wieder einen größeren Stellenwert einräumen. Städte und Gemeinden müssen ihre Vorbildfunktion als Bauherr und Baubehörde verstärken, sind doch erhaltenswerte historische wie zeitgemäße Architekturen Teil ihrer Identität. Mit dem Symposium hat die „Architektonische Begutachtung“ der MA 19 in Wien die Lücken bei der Erfassung der Nachkriegsarchitektur erkannt. Die Magistratsabteilung „Architektur und Stadtgestaltung“ arbeitet an der Aufarbeitung. Auch Bad Gastein hat dazu die Chance.
Gegen den steten Niedergang des mondänen Kurorts entwickelte der heute 84-jährige Architekt Gerhard Garstenauer mit Anton Kerschbaumer Mitte der 1960er-Jahre eine Vision für das Gasteinertal. Der Bürgermeister und sein Architekt erneuerten den traditionsreichen Kurbetrieb und setzten auf den rasant wachsenden Tourismus. Dieser Aufbruch fand im Felsenbad 1966/68 die erste Umsetzung. Wegen des beengten Bauplatzes ließ Garstenauer die Schwimmhalle aus dem Bergrücken heraussprengen. Der Kontrast zwischen unbearbeiteten Tauerngneiswänden und konstruktiv-präzisen Sichtbeton-Elementen prägt den bemerkenswerten Raumeindruck.
Auch das 1974 fertiggestellte Kongresszentrum fand internationale Beachtung und erhielt 1976 den Architekturpreis des Landes Salzburg. Garstenauer schuf einen Kontrapunkt zum gewohnten Bad-Gastein-Bild. Dieses hatten ab dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts Wiener und Münchner Architektenals großstädtisches, im alpinen Tal fremd anmutendes „Wolkenkratzerdorf in den Bergen“ geformt. Dicht gefügt sitzen die gründerzeitlichen Hotelblöcke jeweils auf mehreren Untergeschoßen im steilen Gelände. In analoger Weiterführung dieser „Gasteiner Substruktionen“ setzte Garstenauer – so der Architekturhistoriker Friedrich Achleitner – eine konstruktiv geprägte „rigorose Spätmoderne“ um. Die markante Horizontale des imSteilhang dramatisch aufgeständerten Bauwerks prägt das Zentrum, für Garstenauer der „sichtbare Ausdruck als Ort der Begegnung.“ Anstelle der ehemaligen engen, verschatteten Straße öffnete die begehbare kommunale Platz- und Dachlandschaft das Zentrum großzügig zu Sonne und Tal. – Ergänzend sollte die Neugründung „Sportgastein“ im Talschluss auf 1600 Meter Seehöhe eine sportliche Klientel anziehen. Unverwirklicht blieben die „Badeschlucht“ mit Appartementanlage und eine Gletscherbahn auf das 3100 Meter hohe Schareck. Realisieren konnte Garstenauer 1970 den Kreuzkogel-Lift mit insgesamt vier sphärischen Kugelbauten aus Aluminium. Tal- und Bergstation, Beobachtungs- und Aussichtskugel bildeten eindrucksvolle Kontraste in der hochalpinen Gebirgslandschaft mit ihren bizarren Schnee- und Eisformationen.
Während Ende der 1960er-Jahre in Wien junge Architekten an „primitiven ,Domes‘ und biomorph aufgeblasenen Wolkentürmen und techno-uteralen Wohnhöhlen bastelten“, setzte Gerhard Garstenauer – so der Wiener Architekturpublizist Otto Kapfinger – „perfekte Alu-Glas-Kugeln per Hubschrauber in die Gletscherregion“ und passte „seine aus hochdifferenziertem Beton gefügten ,Flugzeugträger‘ des Felsenbades und des Kongresszentrums ins Hochgebirge und in die mondäne Hotelschlucht“ – „parallel zu den ähnlich gelagerten Wagnissen von Frei Otto und Günther Behnisch für die Olympiabauten“ in München.
Bedauerlicherweise verlor nach Bürgermeister Kerschbaumers zehnjähriger Amtszeit und seinem Tod 1975 Bad Gastein die mit Garstenauer entwickelte, übergeordnete Planungsperspektive und fiel in eine selbstzerstörerische Depression. Seither bereicherte kein einziges zeitgemäßes Gebäude von Rang die Silhouette, im Gegenteil, sie wird massiv beeinträchtigt durch Abriss stattlicherGründerzeithotels und die Errichtung banalster Neubauten. Postmodern-historisierende Hotels wie das Bellevue oder plumpe, unförmige Baumassen wie die drei Nebengebäude des Hotels Kaiserhof von Hapimag entwerten oder bedrängen die ehrwürdigen Gründerzeit-Palazzi. Einhellig erklärte die Stadtpolitik den Haupttrakt des städtebaulich wie architektonisch bedeutenden Gasteinerhofes zum „Schandfleck“, er wurde schließlich abgerissen.
Dieser stete Raubbau an der Baukultur macht Bad Gasteins Erscheinungsbild ordinär. Auch Garstenauers Bauten sind in Gefahr. Längst verschwunden sind seine futuristischen Panoramagondeln für die Stubnerkogel-Seilbahn. Diese 1972 an drei Raumachsen konstruierten Superellipsen aus Sonnenschutz-Acrylglas boten in geschützten Miniräumen optimalen Landschaftsbezug. Die Naturschutzbehörde, die neue Unterstände in „Holzblockbauweise mit matt-anthrazit-grau gefärbtem Satteldach“ vorschrieb, veranlasste, eine der vier Lift-Kugeln zu demontieren. Drei Jahrzehnte trotzten die Kugeln mit optimierter Form und minimierter Oberfläche dem rauen Hochgebirgswetter, bis der Naturschutz ausreichend Angriffsfläche fand. Zumindest das Abbruchunternehmen erkannte die Qualitäten und stellte die Kugel im Firmengelände auf, statt sie zu verschrotten.
Ohne Einflussmöglichkeit für Garstenauerwurden und werden sein Solarbad in Dorfgastein von 1978 und sein Felsenbad unbedarft verändert. Zahlreiche Memoranden dokumentieren seine Angebote unentgeltlicher Beratung. Auch das Kongresszentrum wurde vernachlässigt. Schon lange unbenutzbar ist etwa auf dem Dach die Trinkhalle in vier kristallinen Kugeln. Die Verkitschung des Äußeren und andere Verschandelungen sind leicht reversibel. Die Bausubstanz des Kongresszentrums macht insgesamt noch einen guten Eindruck, allerdings ist der Leerstand schädlich.
Bei Duvals fünf Gasteiner Immobilien das Denkmalamt als Verhinderer oder Verzögerer hinzustellen ist absurd. Schließlich streben die Wiener Investoren unangemessene Kubaturzuwächse an und beeinträchtigen damit massiv die Bauwerke wie den Charakter des Stadtbildes. Das verdeutlichen auch ihre dilletantisch-verstümmelnden Umbau-„Vorschläge“ für das Kongresszentrum.
Viele Baudenkmäler der 1960er- und 1970er-Jahre nutzten „moderne“ Baumaterialien wie Stahl, Glas und (Sicht-)Beton sowie neue Konstruktionen. Auf ihrer Erforschung basieren Pflege, Konservierung und Adaptierung der Bausubstanz und die Entwicklung gestalterisch wie bauphysikalisch anspruchsvoller Lösungen. Nur die denkmalpflegerische Betreuung kann dem Bad Gasteiner Kongresszentrum eine respektvolle und gelungene Revitalisierung sichern. Schließlich bietet das mit Betonfertigteilen präzis komponierte Gebäude zahlreiche Potenziale, die für Bad Gastein dringend aktiviert, zeitgemäß und qualitätvoll weiterentwickelt werden könnten. Die Verwendung von Betonfertigteilen und die Präzision im konstruktiven Anspruch ist mit Roland Rainers denkmalgeschütztem ORF-Zentrum auf dem Küniglberg (1968/1985) vergleichbar. Gegen die probeweise Außendämmung schrieb der verdiente Architekturpublizist Walter Zschokke energisch und zu Recht an („Spectrum“, 27. Mai 2006): „Würde man heute den Strebepfeilern und dem Chormauerwerk einer regional bedeutenden gotischen Kirche eine Außendämmung verpassen? Wohl kaum.“ Zschokkes Forderung nach einem ingenieurwissenschaftlichen Gesamtkonzept zur wärmetechnischen Sanierung des ORF gilt auch für das Gasteiner Kongresszentrum. Allein die Erneuerung dergroßflächigen Verglasungen würde eine große energetische Verbesserung bedeuten.
Schon kleine, aber unbedacht gesetzte Maßnahmen wie Fensteraustausch, Dämmung und Bemalung können zerstörerische Wirkung auf die Ausgewogenheit von Proportionen und Materialien entfalten. Um das zu vermeiden, war bereits im Jahr 2000 für die drei noch erhaltenen Bauensembles Kongresszentrum, Felsenbad und Liftkugeln eine Unterschutzstellung beim Bundesdenkmalamt angeregt worden. Der damalige Präsident Georg W. Rizzi, der unter anderem auch bei Anton Schweighofers „Stadt des Kindes“ und dem Mittelbahnsteig des Salzburger Hauptbahnhofs versagte, hat dies jahrelang verschleppt. Haben in Deutschland oder der Schweiz die Denkmalämter längst außergewöhnliche Bauwerke der 1960er- und 1970er-Jahre aufgearbeitet, so hinkt in Österreich das personell und finanziell ausgehungerte Denkmalamt – verschärft durch das Desinteresse Rizzis als Präsident 1998 bis 2008 und Architekturdirektor – weit hinterher.
So kam es zu absurden Entwicklungen. Voreinigen Jahren stellte das Landeskonservatorat Salzburg Margarete Schütte-Lihotzkys konventionell gestaltetes Wohnhaus in Radstadt (1950) unter Schutz, während bis heute keines der Hauptwerke Gerhard Garstenauers – zentrale Bauwerke der österreichischen Architekturgeschichte – geschützt ist.
Nun ist es an der neuen Präsidentin des Bundesdenkmalamts, Barbara Neubauer, ihrem erfreulichen Bekenntnis zur Nachkriegsarchitektur beim Antritts-Statement imFrühjahr 2008 Taten folgen zu lassen. Ihr Grundsatz-Statement beim Symposium „Moderne zwei“ widmete sich den jungen Baudenkmälern in Österreich und Strategien gegen deren akute Gefährdungen.
Die Bewusstseinsbildung für die Architektur der Nachkriegszeit kann das Denkmalamtalleine nicht leisten. Die Planer von heute sind gefordert, die Leistungen vergangener Generationen respektvoll weiterzuentwickeln,die Architekturfakultäten müssen der Denkmalpflege wieder einen größeren Stellenwert einräumen. Städte und Gemeinden müssen ihre Vorbildfunktion als Bauherr und Baubehörde verstärken, sind doch erhaltenswerte historische wie zeitgemäße Architekturen Teil ihrer Identität. Mit dem Symposium hat die „Architektonische Begutachtung“ der MA 19 in Wien die Lücken bei der Erfassung der Nachkriegsarchitektur erkannt. Die Magistratsabteilung „Architektur und Stadtgestaltung“ arbeitet an der Aufarbeitung. Auch Bad Gastein hat dazu die Chance.
Für den Beitrag verantwortlich: Spectrum
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