Veranstaltung

Die Moderne als Ruine
Ausstellung
Die Moderne als Ruine
20. Juni 2009 bis 20. September 2009
Generali Foundation Wien
Wiedner Hauptstraße 15
A-1040 Wien


Veranstalter:in: Generali Foundation
Eröffnung: Freitag, 19. Juni 2009, 19:00 Uhr

In den Trümmern der Zeit

In Tirol ist ein Lobgesang auf die Moderne zu hören. In Wien wird die gleiche Epoche als ruinöses Scheitern dargestellt. Zwei Ausstellungen, die mehr gemeinsam haben, als man ihnen auf den ersten Blick zutraut.

13. Juni 2009 - Wojciech Czaja
In Krisenzeiten, sagt man, werden die Röcke länger getragen. In Krisenzeiten, sagt man, besinnen sich die Menschen aufs gute alte Comfort Food. In Krisenzeiten, könnte man ergänzen, werden die Häuser wieder eckig und kantig gebaut.

„Ich mache seit einigen Monaten die Beobachtung, dass die Studenten die High-Tech-Blasen und wabbeligen Blobs absolut satthaben“, erklärt Arno Ritter, Leiter des Tiroler Architekturhauses aut und Lehrbeauftragter an der TU Innsbruck, „anstatt sich nur von Architekturgeschichte berieseln zu lassen, zeigen sie Gesprächsbereitschaft und schrecken auch nicht vor Konflikten zurück.“ Und was bringen die angehenden Architekten aufs Papier? Kisten. Quadratisch, praktisch und unübertroffen gut wie zu Opapas Zeiten.

Da kommt die von Arno Ritter eigens kuratierte Ausstellung Konstantmodern. Fünf Positionen zur Architektur gerade richtig. Sie zeigt alte und neue Projekte von Gerhard Garstenauer, Johann Georg Gsteu, Rudolf Wäger, Werner Wirsing sowie vom Schweizer Büro Atelier 5. „Es ist kein Zufall, dass wir ausgerechnet jetzt eine Reise in die Vergangenheit unternehmen. Ich glaube, dass die Menschen für die Belange der Moderne offen sind.“ Das habe auch die Ausstellungseröffnung gezeigt. Still und regungslos stand es da, das Publikum, lauschte den Worten des Kurators und zog respektvoll von einem Exponat zum nächsten. „Es war unglaublich. Oft dreht sich alles nur um Smalltalk, Sekt und Brötchen. Diesmal war es anders.“

Doch was fesselt uns an der Moderne? Was ist so faszinierend an all den pragmatischen Wohngebilden aus den Sechzigern und Siebzigern, um die es in dieser Schau in erster Linie geht? „Es war eine Zeit des Umdenkens“, sagt Ritter, „damals sind Wohnkonzepte und Ansätze von Urbanität entstanden, die bis heute nichts an Aktualität eingebüßt haben und die vielen Architekten immer noch als Grundlage dienen.“

Zum Beispiel die Wohnsiedlungen des Architektenkollektivs Atelier 5. Für die einen sind es hässliche Trutzburgen aus Beton, für die anderen zukunftsweisende Mikrostädte mit allem Drum und Dran. „Unsere Bauten sind eigentlich Geräte, sollen praktisch und nicht unbedingt schön, sondern eher Gebrauchsgegenstände sein“, sagt Architekt Heinz Müller. „In Neapel sehen die Häuser ziemlich gebraucht aus, aber die Leute scheinen zufrieden zu sein, weil sie sich nicht um den äußeren Schein kümmern müssen. So ähnlich sehe ich auch unsere Siedlungen.“

Wohnsiedlung für Liebhaber

Wie in einem Film von Jacques Tati, der dem satirischen Blick auf das Übermorgen bekanntermaßen nicht abgeneigt war, sieht man auf einem der historischen Fotos einen neugierigen Herrn mit Hornbrille auf der Nase und Hut auf dem Kopf, umzingelt von hängenden Knoblauchstangen, Salamiwürsten und Thomy-Mayonnaisetuben. Ob der Herr wohl nach der Moderne Ausschau hält?

Nein, es ist einfach nur ein kleines, charmantes Nahversorgungsgeschäft inmitten der Wohnsiedlung Halen in der Nähe von Bern. Was heute so selbstverständlich scheint, ist jedoch die Utopie alter Tage. Immerhin: Wir schreiben das Jahr 1961, und die 78 Wohnhäuser rundherum sehen aus, als wären sie Le Corbusiers talentiertem Zeichenhändchen entfleucht.

„Es sind nach wie vor Liebhaber, die in einer Siedlung von Atelier 5 wohnen“, sagt Müller, „interessant ist dabei, dass die Bewohner ihre Häuser bis heute pflegen und sie nicht verkaufen. Sie meinen, die Architekten hätten zwar eine tolle Siedlung gebaut, nur keine schönen Materialien verwendet.“ Jahrzehntelang diente der grobe Beton als kletterbare Unterlage für diverses Zeug mit roten und grünen Blättern dran. Heute liegt die brutalistische Oberfläche unter einem Pflanzensaum. Fast scheint es, als würde sich die Natur ihren einst geraubten Raum zurückerobern.

„Genau das ist der Punkt“, sagt Sabine Folie am anderen Ende des Landes, „man muss akzeptieren, dass nichts für die Ewigkeit gebaut ist. Auch wenn Architektur das Privileg der immerwährenden Existenz für sich beansprucht, wird sie eines Tages wohl oder übel verfallen und wieder zu einem Teil der Natur. Das ist unvermeidlich.“

Folie, Kuratorin der Ausstellung Die Moderne als Ruine. Eine Archäologie der Gegenwart, die kommenden Freitag in der Generali Foundation in Wien eröffnet wird, hat ein Faible für das Scheitern. Und wenn Atelier 5 in einem kürzlich geführten Interview stolz behauptet, man plane gegen die Vereinzelung, gegen das isolierte Denken und gegen den maximalen Gewinn für das Individuum, dann stellt Folie (mit einem Sicherheitspuffer von einigen hundert Kilometern) ganz bewusst infrage, ob diese Utopie denn jemals Berechtigung hatte.

„Ich finde es interessant, dass die Moderne letztendlich Schiffbruch erlitten hat“, so Folie. Es sei doch kein Zufall, dass Yona Friedman, ausgerechnet ein Architekt, die Zeit zwischen 1950 und 2000 als das „Jahrhundert der Armut“ bezeichnet hatte.

Keine Bange, die Generali Foundation ist dieser Tage bei weitem kein Ort der trockenen Theorie. Ganz im Gegenteil. Künstlerpositionen aus aller Herren Länder und Epochen wurden eingeflogen, um den feschen Ausstellungsraum in der Wiedner Hauptstraße mit kritischen und überaus witzigen Inhalten zu füllen.

Prominent im Eingangsbereich platziert, empfängt der niederländische Künstler Rob Voerman die Besucher mit einer zusammengeschusterten Installation aus Kunststoff und Holz. Mit slicker Architektur heutiger Tage hat die rotzige Do-it-yourself-Hütte, die auf den Namen Tarnung #3 hört, nichts zu tun. „Wissen Sie, ich lebe in einem Land, in dem Design und Baukunst bis zur Perfektion getrieben werden“, erklärt Voerman mit dem Hammer in der Hand, „und eigentlich habe ich es satt, denn es lässt absolut keinen Freiraum für anderes übrig.“

Neben diversen Must-haves von Althasen wie etwa Dan Graham, Robert Smithson und Gordon Matta-Clark, die den Häusern auf ihre Weise an den Kragen gehen, fallen vor allem die Collagen des in Paris lebenden Cyprien Gaillard auf. Endzeitstimmung macht sich breit: Aus den idyllischen Kupferstichen nach Vorlage von Rembrandt und Konsorten lässt Gaillard - völlig unerwartet - riesige Wohnsilos emporwachsen. Das vorgefundene Bild ist verstörend schön und beklemmend zugleich. Oder - wie es der Künstler selbst ausdrückt: „Mich faszinieren Hochhäuser. In diesen neuen Schlössern, die andere als hässlich empfinden, erkenne ich eine unglaubliche Schönheit.“

Orte der Erinnerung

Beide Ausstellungen decken auf, wie sich Architektur im Laufe der Zeit verändert. So konstant die Moderne in den Augen des Kurators Arno Ritter auch sein mag, früher oder später wird sie unter der Last der Zeit zusammenbrechen. Erste Anklänge davon sind bereits zu erkennen. Eine mal wohlwollende, mal kritische Dokumentation der angeblich beständigen Moderne ist in jedem Fall begrüßenswert.

Diese Sichtweise teilt die Kunst: „Ich kann den Gedanken nicht ertragen, dass man all diese Bauten, die eines Tages zerstört sein werden, nicht erhalten kann“, sagte Cyprien Gaillard einmal in einem Interview, „diese Häuser brauchen einen Ort, wo sie als Monumente der Erinnerung weiterleben können, auch wenn sie längst nicht mehr da sind.“

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