Veranstaltung
Die Moderne als Ruine
Ausstellung
20. Juni 2009 bis 20. September 2009
Generali Foundation Wien
Wiedner Hauptstraße 15
A-1040 Wien
Wiedner Hauptstraße 15
A-1040 Wien
Veranstalter:in: Generali Foundation
Eröffnung: Freitag, 19. Juni 2009, 19:00 Uhr
Eine Archäologie der Gegenwart
Mit Werken von Yona Friedman, Giuseppe Gabellone, Cyprien Gaillard, Isa Genzken, Dan Graham, Gordon Matta-Clark, Florian Pumhösl, Jeroen de Rijke / Willem de Rooij, Robert Smithson,
Rob Voerman, Stephen Willats
Die Ausstellung nimmt das Design der Moderne für eine menschlichere und zeitgenössische Gesellschaft seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts ins Visier: ein Design für neue Wohnformen und ein neues Gesicht der Städte. Was ist aus dieser Utopie geworden? Die architektonischen und Designkonzepte der KünstlerInnen der Ausstellung reflektieren „Modelle“ des utopischen, reinen Designs in ihrem Zustand der Deteriorisierung: Sie sind durchsetzt von Zerfall, Entropie, Ruinösem, dem „Rost“ (Smithson), manchmal noch Momente des Kristallinen bewahrend, doch sie nähren sich ebenso von der Idee der Bricolage, des Einsatzes „von dem, was da ist“, vom Konzept des Recyclings gewissermaßen. Sie formulieren damit Endzeitstadien, in denen an den Resten einer untergegangenen Zivilisation Überleben getestet wird. Sie, die Reste, sind die letzten Ressourcen. Andererseits nehmen sie dadurch einen nahezu utopischen Gedanken der „Nachhaltigkeit“ auf, die Idee von einer besseren Gesellschaft, geboren aus dem Geist der Dystopie.
Wenn Verwüstung, Verwahrlosung, Verslumung als trostlose und unbarmherzige letzte Zeugen einer ausbeuterischen, verrohten Gesellschaft der Konkurrenz, des Profits und des Fanatismus die Utopie einer humanen, aufgeklärten Gesellschaft zum Kollabieren gebracht haben, ist Demut gefordert, um mit den verbliebenen Mitteln nach der Katastrophe aus dem Nichts etwas zu machen. So bestehen diese Dystopien aus den Versatzstücken einer jahrtausendealten Menschheitsgeschichte, der Resonanz und gespiegelten Erinnerung von utopischem Design und Architektur, denen gegenüber das Bewusstsein generiert werden müsste, dass die zur Verfügung stehenden Ressourcen endlich sind und damit die Definition des Neuen, des Fortschritts überdacht werden muss.
Robert Smithson, Hotel Palenque, 1969-1972. Solomon R. Guggenheim Museum, New York
Nicht zufällig beginnt die Genealogie der KünstlerInnen der Ausstellung in den 1970er-Jahren, einer Zeit also, in der das Schillernde von Pop und Minimal zu bröckeln begann und das postindustrielle Zeitalter die Grenzen des Wachstums sichtbar werden ließ. Robert Smithson und Gordon Matta-Clark sind hier zentrale Figuren, die ihre Gegenwart auf ihre besondere Art und Weise kritisch und emphatisch, auch prophetisch analysiert haben. Sie gingen vom Konkreten der urbanen Realität, i. e. den Wastelands, heruntergekommenen oder verdrängten urbanen Wirklichkeiten, sowie den Monumenten der Industriearchäologie und der Vorstädte aus, um daran den entropischen Zustand der Gegenwart zu konstatieren oder gar zu beschwören. So anziehend die schillernden und spiegelnden Oberflächen der Moderne der Dreißigerjahre waren, die Smithson gleichermaßen ekstatisch wie ambivalent in seinem legendären Aufsatz Ultramoderne beschrieb, so sehr vertieften sich Smithson und Matta-Clark in das entropisch Ruinöse als Zeuge des Vergänglichen. Smithson hat allerdings auch mit dem Begriff der umgekehrten Ruine den Zustand postindustrieller Architekturen beschrieben, die sich zu Trümmern erheben, bevor sie gebaut werden. Diese negative Dialektik wird in Smithsons Partially Buried Woodshed oder Matta-Clarks sezierenden Interventionen als „undoing“ deutlich, zur Affirmation des Ruinösen durch Dekonstruktion. Entropische Bereiche wie Müllhalden, Orte des Übergangs und der Auflösung, wie sie beispielsweise Matta-Clarks Fire Child favorisiert, werden zu Orten alchimistischen Handelns: Die reinigende Kraft des Feuers dient weniger dazu, den unerwünschten Müll zu beseitigen, als in einem nahezu primordialen Ritual inmitten der urbanen Wastelands einen Ort nichtentfremdeten Handelns zu schaffen – aus Müll etwas Neues zu gewinnen: Allegorisch fungiert die Garbage Wall als Prototyp oder erster Baustein eines Bauwerks; später dient das Feuer dazu, ein Schwein zu braten und an jene zu verteilen, die gerade da sind.
Jeroen de Rijke / Willem de Rooij, Bantar Gebang, 2005. Courtesy Galerie Daniel Buchholz, Köln/Berlin
Was hier noch Schauplatz involvierten Handelns ist, einer „Kunst des Handelns“ des städtischen Flaneurs, der ein kritisch beobachtender Zeitgenosse ist, wird in Bantar Gebang von de Jeroen de Rijke und Willem de Rooij aus der Ferne, distanziert wahrgenommen: Menschen, die auf einer Müllhalde eine Siedlung angelegt haben, werden als Andere von einem Anderen wahrgenommen. Rob Voerman benutzt dagegen Teile von Müll, um seine hybriden Behausungen zu errichten.
Wenn Isa Genzken und Dan Graham in Chicago Drive oder Private „Public“ Space: The Corporate Atrium Garden die Versprechen der utopischen Architektur der Moderne, eben des Ultramoderne, in Streifzügen durch ein irisierendes, funkelndes, kristallines und gleichzeitig ätherisch-abweisendes, spiegelndes Chicago der Wolkenkratzer aufgreifen beziehungsweise dem Versuch von Corporate Buildings nachgehen, Natur heimzuholen, und also von der Schönheit des Architektonischen die Rede ist, so kommen andererseits auch deren Brüchigkeit und Vergänglichkeit und der falsche Schein zum Vorschein, allegorisch vorgeführt in der Eingangssequenz von Chicago Drive mit der Fahrt vorbei an der idyllischen ewigen Ruhe eines Friedhofs, einer besonderen Art von Vorstadt der Toten.
Cyprien Gaillard, Belief in the Age of Disbelief, Harlem, 2005. Courtesy BUGADA & CARGNEL (COSMIC GALLERY), Paris
Die Kehrseite dieser repräsentativen Bauten bilden nun die Vorstädte und ihre Wohnblocks, die von Stephen Willats und Cyprien Gaillard auf die ihnen eigene Art und Weise untersucht werden: Gaillard akzeptiert die marode Schönheit der zu Ruinen und sozialen Problemzonen verkommenen Siedlungen, die wie im Fall von Pruitt-Igoe, Scampìa oder der Pariser Banlieues in einem barocken Feuerwerk in Schutt und Asche gelegt werden, Willats führt seit den späten 1960er-Jahren systemische Untersuchungen mit den BewohnerInnen der Wohnviertel der Vorstädte durch und stellt die Ergebnisse in diagrammatischen Fotomontagen dar. Die inhärenten Schattenseiten der „Betonblocks“ kommen zur Sprache, werden aber nicht per se verteufelt; vielmehr werden die Veränderung der Lebensstile und das Versagen der Politik thematisiert.
Rob Voerman, Brother 2000. Courtesy Rob Voerman und Upstream Gallery, Amsterdam
In den 1970er-Jahren war die Krise des Kapitalismus am Niedergang mancher Städte, speziell New Yorks, deutlich ablesbar und damit ableitbar, was es heißen würde, wenn Ressourcen knapper werden und soziale Dienstleistungen ausbleiben, ganze Viertel verfallen und die Wirtschaft von Konzernen abhängig wird. Yona Friedman hat als Architekt hier schon früh seine Stimme erhoben und entgegen allen Erwartungen in Bezug auf die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts von einem „armen“ Jahrhundert gesprochen, in dem nun jeder angehalten sei, Ressourcen zu teilen.
Ökologische und sozialutopische Gedanken, wie sie Friedman oder auch der zum Architekten ausgebildete Matta-Clark entwickelten, haben nichts von ihrer Brisanz verloren, und so beziehen sich nicht wenige KünstlerInnen der Gegenwart bewusst auf „Vorläufer“ aus den Siebzigerjahren, aber es gibt auch einen indirekten Strang von die Themen der Moderne und ihrer Folgen umkreisenden Denkfiguren, die sich bis heute durchziehen und welche wir in der Ausstellung in Arbeiten von Rob Voerman, Jeroen de Rijke / Willem de Rooij, Giuseppe Gabellone, Florian Pumhösl, Gyprien Gaillard oder Stephen Willats reflektiert sehen. Hier spannt sich ein Bogen von Begrifflichkeiten wie dem Kristallinen, der Entropie, der Ruine oder der Bricolage, die in der Postmoderne in Reaktion auf den Formalismus verstärkt theoretisiert wurden, zu den konkreten Werken in der Ausstellung.
Kuratorin: Sabine Folie
Assistenz Kuratorin: Ilse Lafer
Wenn Verwüstung, Verwahrlosung, Verslumung als trostlose und unbarmherzige letzte Zeugen einer ausbeuterischen, verrohten Gesellschaft der Konkurrenz, des Profits und des Fanatismus die Utopie einer humanen, aufgeklärten Gesellschaft zum Kollabieren gebracht haben, ist Demut gefordert, um mit den verbliebenen Mitteln nach der Katastrophe aus dem Nichts etwas zu machen. So bestehen diese Dystopien aus den Versatzstücken einer jahrtausendealten Menschheitsgeschichte, der Resonanz und gespiegelten Erinnerung von utopischem Design und Architektur, denen gegenüber das Bewusstsein generiert werden müsste, dass die zur Verfügung stehenden Ressourcen endlich sind und damit die Definition des Neuen, des Fortschritts überdacht werden muss.
Robert Smithson, Hotel Palenque, 1969-1972. Solomon R. Guggenheim Museum, New York
Nicht zufällig beginnt die Genealogie der KünstlerInnen der Ausstellung in den 1970er-Jahren, einer Zeit also, in der das Schillernde von Pop und Minimal zu bröckeln begann und das postindustrielle Zeitalter die Grenzen des Wachstums sichtbar werden ließ. Robert Smithson und Gordon Matta-Clark sind hier zentrale Figuren, die ihre Gegenwart auf ihre besondere Art und Weise kritisch und emphatisch, auch prophetisch analysiert haben. Sie gingen vom Konkreten der urbanen Realität, i. e. den Wastelands, heruntergekommenen oder verdrängten urbanen Wirklichkeiten, sowie den Monumenten der Industriearchäologie und der Vorstädte aus, um daran den entropischen Zustand der Gegenwart zu konstatieren oder gar zu beschwören. So anziehend die schillernden und spiegelnden Oberflächen der Moderne der Dreißigerjahre waren, die Smithson gleichermaßen ekstatisch wie ambivalent in seinem legendären Aufsatz Ultramoderne beschrieb, so sehr vertieften sich Smithson und Matta-Clark in das entropisch Ruinöse als Zeuge des Vergänglichen. Smithson hat allerdings auch mit dem Begriff der umgekehrten Ruine den Zustand postindustrieller Architekturen beschrieben, die sich zu Trümmern erheben, bevor sie gebaut werden. Diese negative Dialektik wird in Smithsons Partially Buried Woodshed oder Matta-Clarks sezierenden Interventionen als „undoing“ deutlich, zur Affirmation des Ruinösen durch Dekonstruktion. Entropische Bereiche wie Müllhalden, Orte des Übergangs und der Auflösung, wie sie beispielsweise Matta-Clarks Fire Child favorisiert, werden zu Orten alchimistischen Handelns: Die reinigende Kraft des Feuers dient weniger dazu, den unerwünschten Müll zu beseitigen, als in einem nahezu primordialen Ritual inmitten der urbanen Wastelands einen Ort nichtentfremdeten Handelns zu schaffen – aus Müll etwas Neues zu gewinnen: Allegorisch fungiert die Garbage Wall als Prototyp oder erster Baustein eines Bauwerks; später dient das Feuer dazu, ein Schwein zu braten und an jene zu verteilen, die gerade da sind.
Jeroen de Rijke / Willem de Rooij, Bantar Gebang, 2005. Courtesy Galerie Daniel Buchholz, Köln/Berlin
Was hier noch Schauplatz involvierten Handelns ist, einer „Kunst des Handelns“ des städtischen Flaneurs, der ein kritisch beobachtender Zeitgenosse ist, wird in Bantar Gebang von de Jeroen de Rijke und Willem de Rooij aus der Ferne, distanziert wahrgenommen: Menschen, die auf einer Müllhalde eine Siedlung angelegt haben, werden als Andere von einem Anderen wahrgenommen. Rob Voerman benutzt dagegen Teile von Müll, um seine hybriden Behausungen zu errichten.
Wenn Isa Genzken und Dan Graham in Chicago Drive oder Private „Public“ Space: The Corporate Atrium Garden die Versprechen der utopischen Architektur der Moderne, eben des Ultramoderne, in Streifzügen durch ein irisierendes, funkelndes, kristallines und gleichzeitig ätherisch-abweisendes, spiegelndes Chicago der Wolkenkratzer aufgreifen beziehungsweise dem Versuch von Corporate Buildings nachgehen, Natur heimzuholen, und also von der Schönheit des Architektonischen die Rede ist, so kommen andererseits auch deren Brüchigkeit und Vergänglichkeit und der falsche Schein zum Vorschein, allegorisch vorgeführt in der Eingangssequenz von Chicago Drive mit der Fahrt vorbei an der idyllischen ewigen Ruhe eines Friedhofs, einer besonderen Art von Vorstadt der Toten.
Cyprien Gaillard, Belief in the Age of Disbelief, Harlem, 2005. Courtesy BUGADA & CARGNEL (COSMIC GALLERY), Paris
Die Kehrseite dieser repräsentativen Bauten bilden nun die Vorstädte und ihre Wohnblocks, die von Stephen Willats und Cyprien Gaillard auf die ihnen eigene Art und Weise untersucht werden: Gaillard akzeptiert die marode Schönheit der zu Ruinen und sozialen Problemzonen verkommenen Siedlungen, die wie im Fall von Pruitt-Igoe, Scampìa oder der Pariser Banlieues in einem barocken Feuerwerk in Schutt und Asche gelegt werden, Willats führt seit den späten 1960er-Jahren systemische Untersuchungen mit den BewohnerInnen der Wohnviertel der Vorstädte durch und stellt die Ergebnisse in diagrammatischen Fotomontagen dar. Die inhärenten Schattenseiten der „Betonblocks“ kommen zur Sprache, werden aber nicht per se verteufelt; vielmehr werden die Veränderung der Lebensstile und das Versagen der Politik thematisiert.
Rob Voerman, Brother 2000. Courtesy Rob Voerman und Upstream Gallery, Amsterdam
In den 1970er-Jahren war die Krise des Kapitalismus am Niedergang mancher Städte, speziell New Yorks, deutlich ablesbar und damit ableitbar, was es heißen würde, wenn Ressourcen knapper werden und soziale Dienstleistungen ausbleiben, ganze Viertel verfallen und die Wirtschaft von Konzernen abhängig wird. Yona Friedman hat als Architekt hier schon früh seine Stimme erhoben und entgegen allen Erwartungen in Bezug auf die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts von einem „armen“ Jahrhundert gesprochen, in dem nun jeder angehalten sei, Ressourcen zu teilen.
Ökologische und sozialutopische Gedanken, wie sie Friedman oder auch der zum Architekten ausgebildete Matta-Clark entwickelten, haben nichts von ihrer Brisanz verloren, und so beziehen sich nicht wenige KünstlerInnen der Gegenwart bewusst auf „Vorläufer“ aus den Siebzigerjahren, aber es gibt auch einen indirekten Strang von die Themen der Moderne und ihrer Folgen umkreisenden Denkfiguren, die sich bis heute durchziehen und welche wir in der Ausstellung in Arbeiten von Rob Voerman, Jeroen de Rijke / Willem de Rooij, Giuseppe Gabellone, Florian Pumhösl, Gyprien Gaillard oder Stephen Willats reflektiert sehen. Hier spannt sich ein Bogen von Begrifflichkeiten wie dem Kristallinen, der Entropie, der Ruine oder der Bricolage, die in der Postmoderne in Reaktion auf den Formalismus verstärkt theoretisiert wurden, zu den konkreten Werken in der Ausstellung.
Kuratorin: Sabine Folie
Assistenz Kuratorin: Ilse Lafer