Veranstaltung
Werkbundsiedlung Wien 1932
Ausstellung
6. September 2012 bis 13. Januar 2013
Wien Museum Karlsplatz
Karlsplatz 8
A-1040 Wien
Karlsplatz 8
A-1040 Wien
Veranstalter:in: Wien Museum
Leben im Museum
Widersprüchlich, heterogen und ein einzigartiges Zeugnis der Wiener Moderne: Die Wiener Werkbundsiedlung ist das Aushängeschild des Österreichischen Werkbunds. Zur Ausstellung anlässlich ihres 80-jährigen Bestehens im Wien Museum am Karlsplatz.
22. September 2012 - Iris Meder
Bauausstellungen waren in den 1920er- und 1930er-Jahren wichtig: mit 1:1-Häusern, die man anfassen, durchwandern und die man sich als neue Behausung im Sinne des Neuen Bauens ausmalen konnte. Da gab es viele Mustereinrichtungen, die temporär im Künstlerhaus und Museum für Kunst und Industrie (heute MAK) zu begutachten waren. Bei der „Wohnung und Siedlung“ in Linz und diversen Wochenend- und Kleinhausschauen im Messepalast (heute Museumsquartier) und dem noch unverbauten Gelände hinter dem MAK wurden richtige Häuser aus Stahl, Ziegeln, Beton und Holz aufgebaut und eingerichtet. Nach Ende der Ausstellung wurden alle wieder abgebaut. Das vielleicht berühmteste Beispiel ist Ludwig Mies van der Rohes Barcelona-Pavillon, gebaut als repräsentativer Empfangsraum des Deutschen Reichs auf der Weltausstellung von 1929. Hier war der Phantomschmerz über den beim Abtransport verschollenen Pavillon so groß, dass er in den 1980er-Jahren am Originalstandort auf dem Messegelände von Barcelona rekonstruiert wurde.
Anders war dies bei den Werkbundsiedlungen, die alle für ein permanentes Bewohnen nach der Dauer der Ausstellung konzipiert waren, teils als Mietshäuser wie in der Stuttgarter Siedlung, teils als großbürgerliche Villenkolonien mit Häusern nach den Wünschen der Bauherren wie in der Baba-Siedlung in Prag. Die im gleichen Jahr wie die Prager entstandene Wiener Werkbundsiedlung wurde zu einem Zwischending: Einige Häuser waren schon vor ihrer Fertigstellung verkauft, andere nach dem Ende der Ausstellung erweitert und adaptiert, der Großteil über die GESIBA vermietet. Einem Abriss entging die Werkbundsiedlung in der Zeit des Nationalsozialismus durch die Tatsache, dass der erste NS-Bürgermeister Wiens zur Zeit des Baus der Siedlung Präsident des Österreichischen Werkbunds gewesen war und die Siedlung als solcher mitgetragen und eröffnet hatte. Es folgten eine lange Zeit des Vergessens, eine Wiederentdeckung durch die Architekten der Wiener Nachkriegsmoderne, eine architektonisch fundierte, aber in den Ausführungsmodalitäten unglücklich verlaufene Sanierung, Bauschäden, Stagnation und eine neuerliche denkmalpflegerische Bestandsaufnahme und Restaurierung durch das Architekturbüro p.good.
In der schwierigen Entstehungs- und Bestandsgeschichte der Wiener Werkbundsiedlung, der das Wien Museum zurzeit anlässlich ihres 80. Geburtstags eine Ausstellung widmet, spiegelt sich die komplexe, immer wieder von Sezessionen und Animositäten geprägte Geschichte des Österreichischen Werkbundes. Gegründet wurde der Österreichische Werkbund vor exakt 100 Jahren. Seine Entstehung fällt zusammen mit der 6. Jahresversammlung des Deutschen Werkbundes, die im Juni 1912 in Wien stattfand.
Die Gründung eines Österreichischen Werkbundes, nun etwa mit Adolf Loos und Josef Frank, versprach neue Möglichkeiten für das Wiener Kunsthandwerk, das sich in einer der Industralisierung geschuldeten Krise befand. Unterschiedliche Auffassungen vom allumfassenden, einheitlich durchgestalteten Gesamtkunstwerk (Hoffmann) bzw. vom unpathetischen, widersprüchlichen, nicht formbaren Lebensumfeld (Frank und Loos) führten zunehmend zu Konflikten und 1920 zur ersten Werkbundspaltung mit Austritt der Hoffmann-Gruppe, die einen mangels eloquenter Vertreter nur begrenzt aktiven „Wiener Werkbund“ gründete. 1923 folgte noch dazu die Gründung des Steiermärkischen Werkbundes, den künstlerischer und großteils auch politischer Konservatismus kennzeichnete.
In der internationalen Wahrnehmung löste Frank Hoffmann zunehmend ab. Als einziger Österreicher baute er 1927 in der Stuttgarter Werkbundsiedlung und war er 1928 auf der Gründungstagung der Internationalen Kongresse für Neues Bauen CIAM im Schweizer La Sarraz. Trotz allem gelang damals mit viel gutem Willen die Wiedervereinigung von Österreichischem und Wiener Werkbund. Die Wiener Siedlung wurde schließlich nicht wie geplant zur Werkbund-Tagung 1930 fertig, sondern erst zwei Jahre später. Die mühsam aufrechterhaltene Einheit zerbrach kurz darauf, als Hoffmann, Clemens Holzmeister und Peter Behrens sich mit dem „Neuen Werkbund Österreichs“ erneut abspalteten. Auf der Weltausstellung in Paris stellte man noch gemeinsam aus, zu einer Wiedervereinigung kam es nicht mehr. Mit dem Anschluss wurde 1938 auch der Werkbund liquidiert.
Die Mehrzahl der Protagonisten der Wiener Moderne kehrte aus der Emigration nicht zurück. Der Werkbund versuchte einen Neustart mit Erich Boltenstern, Franz Schuster, Max Fellerer und Oswald Haerdtl. Haerdtl engagierte sich mit Grete Schütte-Lihotzky, Wilhelm Schütte und Karl Schwanzer in einer neu formierten österreichischen CIAM-Gruppe. 1949 zog Schwanzer in einem Brief an die Werkbund-Leitung ein resigniertes Resümee: „Nach der Gründung des Österreichischen Werkbundes ist dieser noch nicht mit wesentlichen Taten an die Öffentlichkeit getreten. Stattdessen erfreut sich die reaktionäre Baugesinnung in Wien und Österreich größter Blüte.“ Die Zeiten der engagierten Werkbund-Arbeit waren vorbei. Der Österreichische Werkbund wurde 1976 aus dem Vereinsregister gelöscht. Seine sichtbarste Hinterlassenschaft bleibt die Wiener Werkbundsiedlung – widersprüchlich, heterogen und ein einzigartiges Zeugnis der Wiener Moderne.
Anders war dies bei den Werkbundsiedlungen, die alle für ein permanentes Bewohnen nach der Dauer der Ausstellung konzipiert waren, teils als Mietshäuser wie in der Stuttgarter Siedlung, teils als großbürgerliche Villenkolonien mit Häusern nach den Wünschen der Bauherren wie in der Baba-Siedlung in Prag. Die im gleichen Jahr wie die Prager entstandene Wiener Werkbundsiedlung wurde zu einem Zwischending: Einige Häuser waren schon vor ihrer Fertigstellung verkauft, andere nach dem Ende der Ausstellung erweitert und adaptiert, der Großteil über die GESIBA vermietet. Einem Abriss entging die Werkbundsiedlung in der Zeit des Nationalsozialismus durch die Tatsache, dass der erste NS-Bürgermeister Wiens zur Zeit des Baus der Siedlung Präsident des Österreichischen Werkbunds gewesen war und die Siedlung als solcher mitgetragen und eröffnet hatte. Es folgten eine lange Zeit des Vergessens, eine Wiederentdeckung durch die Architekten der Wiener Nachkriegsmoderne, eine architektonisch fundierte, aber in den Ausführungsmodalitäten unglücklich verlaufene Sanierung, Bauschäden, Stagnation und eine neuerliche denkmalpflegerische Bestandsaufnahme und Restaurierung durch das Architekturbüro p.good.
In der schwierigen Entstehungs- und Bestandsgeschichte der Wiener Werkbundsiedlung, der das Wien Museum zurzeit anlässlich ihres 80. Geburtstags eine Ausstellung widmet, spiegelt sich die komplexe, immer wieder von Sezessionen und Animositäten geprägte Geschichte des Österreichischen Werkbundes. Gegründet wurde der Österreichische Werkbund vor exakt 100 Jahren. Seine Entstehung fällt zusammen mit der 6. Jahresversammlung des Deutschen Werkbundes, die im Juni 1912 in Wien stattfand.
Die Gründung eines Österreichischen Werkbundes, nun etwa mit Adolf Loos und Josef Frank, versprach neue Möglichkeiten für das Wiener Kunsthandwerk, das sich in einer der Industralisierung geschuldeten Krise befand. Unterschiedliche Auffassungen vom allumfassenden, einheitlich durchgestalteten Gesamtkunstwerk (Hoffmann) bzw. vom unpathetischen, widersprüchlichen, nicht formbaren Lebensumfeld (Frank und Loos) führten zunehmend zu Konflikten und 1920 zur ersten Werkbundspaltung mit Austritt der Hoffmann-Gruppe, die einen mangels eloquenter Vertreter nur begrenzt aktiven „Wiener Werkbund“ gründete. 1923 folgte noch dazu die Gründung des Steiermärkischen Werkbundes, den künstlerischer und großteils auch politischer Konservatismus kennzeichnete.
In der internationalen Wahrnehmung löste Frank Hoffmann zunehmend ab. Als einziger Österreicher baute er 1927 in der Stuttgarter Werkbundsiedlung und war er 1928 auf der Gründungstagung der Internationalen Kongresse für Neues Bauen CIAM im Schweizer La Sarraz. Trotz allem gelang damals mit viel gutem Willen die Wiedervereinigung von Österreichischem und Wiener Werkbund. Die Wiener Siedlung wurde schließlich nicht wie geplant zur Werkbund-Tagung 1930 fertig, sondern erst zwei Jahre später. Die mühsam aufrechterhaltene Einheit zerbrach kurz darauf, als Hoffmann, Clemens Holzmeister und Peter Behrens sich mit dem „Neuen Werkbund Österreichs“ erneut abspalteten. Auf der Weltausstellung in Paris stellte man noch gemeinsam aus, zu einer Wiedervereinigung kam es nicht mehr. Mit dem Anschluss wurde 1938 auch der Werkbund liquidiert.
Die Mehrzahl der Protagonisten der Wiener Moderne kehrte aus der Emigration nicht zurück. Der Werkbund versuchte einen Neustart mit Erich Boltenstern, Franz Schuster, Max Fellerer und Oswald Haerdtl. Haerdtl engagierte sich mit Grete Schütte-Lihotzky, Wilhelm Schütte und Karl Schwanzer in einer neu formierten österreichischen CIAM-Gruppe. 1949 zog Schwanzer in einem Brief an die Werkbund-Leitung ein resigniertes Resümee: „Nach der Gründung des Österreichischen Werkbundes ist dieser noch nicht mit wesentlichen Taten an die Öffentlichkeit getreten. Stattdessen erfreut sich die reaktionäre Baugesinnung in Wien und Österreich größter Blüte.“ Die Zeiten der engagierten Werkbund-Arbeit waren vorbei. Der Österreichische Werkbund wurde 1976 aus dem Vereinsregister gelöscht. Seine sichtbarste Hinterlassenschaft bleibt die Wiener Werkbundsiedlung – widersprüchlich, heterogen und ein einzigartiges Zeugnis der Wiener Moderne.
Für den Beitrag verantwortlich: Spectrum
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