Bauwerk

Campus Nordbahnhof Gertrude Fröhlich-Sandner
kaufmann.wanas architekten - Wien (A) - 2010
Campus Nordbahnhof Gertrude Fröhlich-Sandner, Foto: Rupert Steiner
Campus Nordbahnhof Gertrude Fröhlich-Sandner, Foto: Rupert Steiner

Campus Gertrude Fröhlich-Sandner

13. November 2010 - Az W
Im Herbst 2010 wurde der „Campus“ nach nur elf Monaten Bauzeit eröffnet. Das Gebäude nimmt, so wie der angrenzende Rudolf-Bednar-Park, die Richtung der Schienen auf: der Baukörper erstreckt sich auf fast 180 Meter Länge. Im Eingangsbereich bilden drei V-förmige Stützen ein städtebauliches Signal. Den Mittelpunkt des Gebäudes bildet der Speisesaal, der über drei Geschosse bis zum Glasdach durchgreift und von allen Ebenen einsehbar ist. Zahlreiche Vertikaldurchbrüche in Form von durchgestanzten, zweigeschossigen Atrien fördern den Lichteinfall und schaffen über den Tagesverlauf unterschiedliche Lichtstimmungen im Gebäude. Einige der Atrien sollen als Indoor-Gärten genutzt werden und auch Platz für Schildkröten bieten. Noch präsentiert sich das Gebäude, das erst seit wenigen Wochen den Betrieb aufgenommen hat, sehr nüchtern und pragmatisch. Mit Ausnahme der bunt gestalteten Türnischen und Nassräume wurde mit Farbe sparsam umgegangen, die Wände bieten ein neutrales Tableau für die Schülerarbeiten, die in naher Zukunft die Gänge zieren werden. Im Eingangsbereich begrüßt ein farbenfrohes Mosaik der Künstlerin Christina Gschwantner die Kinder.

Künftig werden hier elf Kindergartengruppen und 17 Volksschulklassen untergebracht. Noch ist der Großteil des ehemaligen Nordbahnhofareals eine Baustelle, folglich wird am Campus erst ein Bruchteil der Klassen und Kindergartengruppen in Anspruch genommen. Mit jedem weiteren fertig gestellten Wohnhaus wird auch die Anzahl der Kinder hier am Campus zunehmen. Das neuartige Konzept des „Campus“ sieht vor, dass Kindergartenkinder und Volksschulkinder gemeinsam das Raumangebot nutzen und sich frei bewegen können, das gilt auch für den Gartenbereich, der vom Obergeschoss über eine Freitreppe begehbar ist. Gartenseitig wurde die Fassade mit erkerartigen Einschnitten kleinteilig gegliedert. Die Erker ermöglichen mit ihren niedrigen Fenstern für die Kindergartenkinder Blickkontakt zu den benachbarten Gruppen. Große Freibereiche für Projektunterricht, neues Lernen und Ateliers runden das Raumangebot ab.

Barrierefreiheit ist Standard in Schulen und Kindergärten. Zusätzlich gibt es nun auch Gender Mainstreaming Richtlinien für den Schulbau. Diese Richtlinien basieren auf Beobachtungen, dass Buben und Mädchen große Entwicklungsunterschiede aufweisen, die sich vor allem in der Gruppendynamik bemerkbar machen. Die Ausführung der Richtlinien ermöglicht Chancengleichheit für Mädchen wie Buben sowie schüchterne und laute Kinder. Im Gartenbereich wurde beim Ballkäfig ein alternativer zweiter, niederschwelliger Eingang in Form von Holzdecks, die mit Stufen zum Käfig hinführen, geschaffen. Schüchterne Kinder trauen sich so eher den Ballkäfig zu benutzen, ohne beim Betreten „mit der Tür ins Haus“ fallen zu müssen. Holzblöcke dienen als Sitzgelegenheit, ohne dass sie dezidiert eine Bank darstellen. Ebenso können die Mäuerchen, welche die Grünflächen einfassen, als Sitzgelegenheiten genutzt werden. Nach nur wenigen Wochen des Campus-Betriebs konnte beobachtet werden, dass die Inanspruchnahme der Angebote im Gartenbereich tatsächlich ausgewogener und gerechter ist als bei herkömmlich gestalteten Freizeitangeboten. Wenn die Bäume im Gartenbereich größer sind, wird hier ein grünes Klassenzimmer zur Verfügung stehen, wo Unterricht im Freien im Schatten der Baumkronen stattfinden kann.

Das Bauwerk ist ein PPP-Projekt, d.h. die Gemeinde Wien mietet den Schulbau auf 20 Jahre. Die Kalkulation der Bauausführung beruht auf Berechnungen, wieviel das Gebäude auf 20 Jahre kosten wird. Dank dieser langfristigen Kalkulation konnten hochwertige Materialien (z.B. Natursteinplatten als Bodenbelag) verarbeitet werden. (Text: Martina Frühwirth)

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Für den Beitrag verantwortlich: Architekturzentrum Wien

Ansprechpartner:in für diese Seite: Maria Welzigwelzig[at]azw.at