Bauwerk
Kunst.Halle.Krems
Adolf Krischanitz - Krems an der Donau (A) - 1995
Andere haben das nicht
Die einen streiten, die anderen bauen einfach – eine Kunsthalle zum Beispiel. Krems ließ die seine von Adolf Krischanitz planen. Funktionell ist sie geworden, schlicht und elegant.
25. März 1995 - Walter Zschokke
Es war eine große Jury, die vor bald drei Jahren in einem Gutachterverfahren unter sechs Projekten einstimmig eines als das beste erkor. Namen wie Friedrich Achleitner, Peter Baum, Hermann Czech und Werner Hofmann gaben der Entscheidung Gewicht. Adolf Krischanitz, assistiert von seinen langjährigen Mitarbeitern Jürg Meister und Gerhard Schlager, sollte die neue Kunsthalle in Krems bauen. Am 31. März wird die Halle mit einem Tag der offenen Tür vorgestellt, im Mai wird mit einer von Werner Hofmann konzipierten Ausstellung eröffnet.
Als Standort der neuen Kremser Kunsthalle war die alte Tabakfabrik vor dem Kremser Tor der Steiner Altstadt auserkoren worden. Sie besetzt seit eineinhalb Jahrhunderten an der Steiner Landstraße ein Eckgrundstück, dessen linker Rand von einer Verbindungsstraße definiert wird, die nach Norden führt. Das zweigeschoßige, breitgelagerte Gebäude blickt mit 17 Fensterachsen über eine von Straßenanlagen besetzte Fläche auf die Donau, der den Namen „Franz-Zeller-Platz“ trägt. Im kommenden Jahr soll eine Tankstelle abgesiedelt und ein öffentlicher Raum geschaffen werden, der diesen Namen verdient. Denn Krems ist stolz auf seine neue Kunsthalle.
Der im Grundriß winkelförmige Altbau schloß an der Rückseite einen Hof von zirka 27 mal 32 Meter ein. Um die anderen beiden Hofwände zieht sich die hohe Gefängnismauer, überragt von einem Wachturm. Zu dieser Mauer müssen bauliche Anlagen fünf Meter Abstand einhalten. Damit war der Spielraum für einen Neubau definiert. Im Innern wies der in mehreren Etappen erstellte Bau im Erdgeschoß eine von gedrungenen, geböschten Pfeilern getragene Halle auf. Darüber lag ein Fabrikationssaal, von einer Doppelreihe schlanker Holzsäulen durchzogen, die im neueren Flügel in gleicher Reihung aufgestellt, aber aus Gußeisen gefertigt waren. Der nach hinten anschließende Gebäudeflügel wies kleinere, von starken Mauern umschlossene Räume auf. Der Bauzustand war nicht besonders gut, da und dort leckte das Dach, es war höchste Zeit, daß etwas gegen den weiteren Zerfall unternommen wurde.
Das Konzept von Adolf Krischanitz sah vor, den Altbau in seiner Struktur weitgehend zu erhalten und im Hofbereich zu bauen. Im Neubauteil sollte auch das Raumklima, an das Konservatoren und Leihgeber heutzutage hohe Ansprüche stellen, besser kontrolliert werden können. Mit dieser grundlegenden Idee ergab sich von Anfang an eine klare Ordnung, die versprach, ökonomisch günstig zu werden.
Die Umsetzung erscheint fast simpel: Eine längliche Box steht im größtmöglichen Abstand zum Vordertrakt im Hof. Sie enthält auf halber Geschoßhöhe den neuen Ausstellungsraum mit einer Lichtdecke, die von hochliegenden längsseitigen Fensterbändern mit Tageslicht versorgt wird. Im Souterrain der Box ist ein gestufter Vortragssaal untergebracht. Beide Ebenen werden vom Straßentrakt her zur Rechten mit einer Rampenanlage erschlossen, deren dritter Lauf das Obergeschoß erreicht.
Zur Linken ist dem rückwärtigen Flügel des Altbaus ein zweigeschoßiger Servicegang vorgelegt. Dem langgestreckten Hauptbau an der Steinerstraße wurde also ein kleiner Neubautrakt zugesellt, der mit der Rampenanlage und dem Servicegang U-förmig einen 18 mal 14 Meter messenden glasgedeckten Innenhof umschließt. Die vierte Seite wird von der Rückfassade des Straßentrakts gebildet.
Mit dieser Konzeption gelingt es, mit den Neubauteilen unter der rückseitigen Trauflinie zu bleiben, nur die Box, weil Abstand haltend, kann mit dem Oberlichtgaden über diese Höhe hinausreichen. Das klar formulierte Konzept läßt folgende Räume und Raumgruppen entstehen: Im Straßentrakt die Pfeilerhalle des Eingangsbereichs mit Kasse, Shop, Café und Nebenräumen; dahinter der Innenhof, flankiert von der Rampenanlage und als Abschluß der Ausstellungsraum in der Box. Im Obergeschoß liegen vorn zwei Ausstellungssäle. Den Anschluß zum rückwärtigen Flügel bildet eine Treppe und daran schließen weitere Ausstellungsräume. Anlieferung und Lager sind darunter im Erdgeschoß angeordnet, ein Transportaufzug dient der Vertikalbeziehung.
Die Pfeilerhalle wird dominiert von den gemauerten, verputzten, pylonartig geböschten Stützen, deren Stärke in der Längsrichtung der halben Gewölbespannweite und in der Querrichtung, wo sie etwas größer ist, einem Viertel entspricht. Im Altbestand hatten diese Pfeiler mit den rundgewetzten Kanten eine enorme Raumverdrängung. Nun sind sie mit scharfen Kanten versehen; die geometrische Abstraktion macht sie leichter, der Zwischenraum erscheint weiter. Die fast bedrängende Situation ist relativiert.
Der Innenhof ist an zwei Seiten, vor Servicegang und Box, von Sichtbetonwänden begrenzt. Zur Rampenanlage filtern Betonstützen und schräg eingesetzte Glastafeln den Raum. Schlanke Betonträger überspannen parallel zum Straßentrakt den Hof, sie sind nur im Neubaubereich auf der Mauer vor dem Dienstgang und auf den Stützen vor den Rampen aufgelagert, der Altbau bleibt unbelastet.
Damit betonen sie die Unterscheidung von neu und alt. Die ehemaligen Fenster der Hoffassade erscheinen als großblockig ausgemauerte, unverputzte Felder, aber gestrichen in der Wandfarbe. Eine sehr subtile Erinnerung an den früheren Zustand. Der Sichtbeton, ausgeführt von einer mittelgroßen niederösterreichischen Baufirma, ist von hoher Qualität. Die fertige Oberfläche vermittelt zurückhaltende Lebendigkeit.
Natürlich dient der Hof auch als Ausstellungsraum; die siebbedruckten Gläser filtern bereits 60 Prozent des Sonnenlichts, um UV-Schäden an Kunstwerken zu vermeiden. Die Rampenanlage bildet ein wichtiges Element: Sie ist explizit „Weg“. Zugleich findet schleifend die Niveauveränderung statt, wobei der Blick zum Hof durch den Stützenrechen von allen drei Läufen aus möglich ist. Man ist getrennt und hat dennoch Anteil am großen Binnenraum. Auch hier wieder Beton mit fast samtiger Oberfläche. Ein feiner Handlauf, metallener Rundstab an gekantetem Blech, die Farbe fast Ton in Ton mit dem Beton.
Die Rampe bildet den Raum für die Passegiata, das Gehen zwischen den Stationen der Kunstbetrachtung. Der Ausstellungsraum in der Box ist unspezifisch weiß, mit matter Lichtdecke. Am Boden kein hölzernes Parkett sondern glatt gestrichener Betonestrich, gespachtelt, von mildem Grau. Der Raum ist hoch und lang. Grundrißproportionen etwa zwei zu fünf, nur geringfügig breiter als hoch.
Dieser Raum stellt Anforderungen, seine Möglichkeiten sind erst im Verlauf der Ausstellungstätigkeit auslotbar. Unbespielt zeigt er nur seinen unspezifischen Charakter, wie dies einer Kunsthalle ziemt. Die Farben im Innern sind – neben dem Weiß der Bilderwände – fein abgestufte Grautöne. Es entsteht eine zurückhaltende Raumstimmung in Erwartung wechselnder Kunstpräsentationen.
Oben, in den beiden großen Ausstellungssälen, entsteht durch die vielen Fensteröffnungen und die auf die Zwischenfensterpfeiler bezogenen Säulenpaare eine helle und zugleich gebundene Stimmung. Der ehemalige Produktionsraum ist weiterhin präsent; das schmalere Mittelfeld der dreischiffigen Halle wirkt deutlich profanierend. Beim Rückweg ergeben sich die Schritte auf der schiefen Ebene der Rampe fast von allein. So also hat der Architekt konkretisiert, was dem Preisgericht damals als abstraktes Versprechen in Planform und in einem maßstäblichem Modell vorlag. Krems und damit auch Niederösterreich besitzt nun eine Kunsthalle, die wegen ihrer Unterteilbarkeit viele Möglichkeiten für Ausstellungen anbietet: Der räumliche Rahmen kann alt oder neu, von stofflich-schwer zu dematerialisiert-leicht oder von mittel bis groß sein. Die Baustruktur weist mehrere architektonisch-räumliche Grundkonfiguration auf, die sehr ruhig und gelassen daherkommen und damit der Kunst einen guten Rückhalt bieten werden. Adolf Krischanitz ist hier eines seiner besten Werke gelungen.
Nach dem Hinaustreten ein Blick zurück. Nichts deutet von außen auf den Zubau im Hof hin, die historistischen Mauern sind gelb, die Fenster außen braun gestrichen. Farbtöne aus der Welt des Tabaks.
Als Standort der neuen Kremser Kunsthalle war die alte Tabakfabrik vor dem Kremser Tor der Steiner Altstadt auserkoren worden. Sie besetzt seit eineinhalb Jahrhunderten an der Steiner Landstraße ein Eckgrundstück, dessen linker Rand von einer Verbindungsstraße definiert wird, die nach Norden führt. Das zweigeschoßige, breitgelagerte Gebäude blickt mit 17 Fensterachsen über eine von Straßenanlagen besetzte Fläche auf die Donau, der den Namen „Franz-Zeller-Platz“ trägt. Im kommenden Jahr soll eine Tankstelle abgesiedelt und ein öffentlicher Raum geschaffen werden, der diesen Namen verdient. Denn Krems ist stolz auf seine neue Kunsthalle.
Der im Grundriß winkelförmige Altbau schloß an der Rückseite einen Hof von zirka 27 mal 32 Meter ein. Um die anderen beiden Hofwände zieht sich die hohe Gefängnismauer, überragt von einem Wachturm. Zu dieser Mauer müssen bauliche Anlagen fünf Meter Abstand einhalten. Damit war der Spielraum für einen Neubau definiert. Im Innern wies der in mehreren Etappen erstellte Bau im Erdgeschoß eine von gedrungenen, geböschten Pfeilern getragene Halle auf. Darüber lag ein Fabrikationssaal, von einer Doppelreihe schlanker Holzsäulen durchzogen, die im neueren Flügel in gleicher Reihung aufgestellt, aber aus Gußeisen gefertigt waren. Der nach hinten anschließende Gebäudeflügel wies kleinere, von starken Mauern umschlossene Räume auf. Der Bauzustand war nicht besonders gut, da und dort leckte das Dach, es war höchste Zeit, daß etwas gegen den weiteren Zerfall unternommen wurde.
Das Konzept von Adolf Krischanitz sah vor, den Altbau in seiner Struktur weitgehend zu erhalten und im Hofbereich zu bauen. Im Neubauteil sollte auch das Raumklima, an das Konservatoren und Leihgeber heutzutage hohe Ansprüche stellen, besser kontrolliert werden können. Mit dieser grundlegenden Idee ergab sich von Anfang an eine klare Ordnung, die versprach, ökonomisch günstig zu werden.
Die Umsetzung erscheint fast simpel: Eine längliche Box steht im größtmöglichen Abstand zum Vordertrakt im Hof. Sie enthält auf halber Geschoßhöhe den neuen Ausstellungsraum mit einer Lichtdecke, die von hochliegenden längsseitigen Fensterbändern mit Tageslicht versorgt wird. Im Souterrain der Box ist ein gestufter Vortragssaal untergebracht. Beide Ebenen werden vom Straßentrakt her zur Rechten mit einer Rampenanlage erschlossen, deren dritter Lauf das Obergeschoß erreicht.
Zur Linken ist dem rückwärtigen Flügel des Altbaus ein zweigeschoßiger Servicegang vorgelegt. Dem langgestreckten Hauptbau an der Steinerstraße wurde also ein kleiner Neubautrakt zugesellt, der mit der Rampenanlage und dem Servicegang U-förmig einen 18 mal 14 Meter messenden glasgedeckten Innenhof umschließt. Die vierte Seite wird von der Rückfassade des Straßentrakts gebildet.
Mit dieser Konzeption gelingt es, mit den Neubauteilen unter der rückseitigen Trauflinie zu bleiben, nur die Box, weil Abstand haltend, kann mit dem Oberlichtgaden über diese Höhe hinausreichen. Das klar formulierte Konzept läßt folgende Räume und Raumgruppen entstehen: Im Straßentrakt die Pfeilerhalle des Eingangsbereichs mit Kasse, Shop, Café und Nebenräumen; dahinter der Innenhof, flankiert von der Rampenanlage und als Abschluß der Ausstellungsraum in der Box. Im Obergeschoß liegen vorn zwei Ausstellungssäle. Den Anschluß zum rückwärtigen Flügel bildet eine Treppe und daran schließen weitere Ausstellungsräume. Anlieferung und Lager sind darunter im Erdgeschoß angeordnet, ein Transportaufzug dient der Vertikalbeziehung.
Die Pfeilerhalle wird dominiert von den gemauerten, verputzten, pylonartig geböschten Stützen, deren Stärke in der Längsrichtung der halben Gewölbespannweite und in der Querrichtung, wo sie etwas größer ist, einem Viertel entspricht. Im Altbestand hatten diese Pfeiler mit den rundgewetzten Kanten eine enorme Raumverdrängung. Nun sind sie mit scharfen Kanten versehen; die geometrische Abstraktion macht sie leichter, der Zwischenraum erscheint weiter. Die fast bedrängende Situation ist relativiert.
Der Innenhof ist an zwei Seiten, vor Servicegang und Box, von Sichtbetonwänden begrenzt. Zur Rampenanlage filtern Betonstützen und schräg eingesetzte Glastafeln den Raum. Schlanke Betonträger überspannen parallel zum Straßentrakt den Hof, sie sind nur im Neubaubereich auf der Mauer vor dem Dienstgang und auf den Stützen vor den Rampen aufgelagert, der Altbau bleibt unbelastet.
Damit betonen sie die Unterscheidung von neu und alt. Die ehemaligen Fenster der Hoffassade erscheinen als großblockig ausgemauerte, unverputzte Felder, aber gestrichen in der Wandfarbe. Eine sehr subtile Erinnerung an den früheren Zustand. Der Sichtbeton, ausgeführt von einer mittelgroßen niederösterreichischen Baufirma, ist von hoher Qualität. Die fertige Oberfläche vermittelt zurückhaltende Lebendigkeit.
Natürlich dient der Hof auch als Ausstellungsraum; die siebbedruckten Gläser filtern bereits 60 Prozent des Sonnenlichts, um UV-Schäden an Kunstwerken zu vermeiden. Die Rampenanlage bildet ein wichtiges Element: Sie ist explizit „Weg“. Zugleich findet schleifend die Niveauveränderung statt, wobei der Blick zum Hof durch den Stützenrechen von allen drei Läufen aus möglich ist. Man ist getrennt und hat dennoch Anteil am großen Binnenraum. Auch hier wieder Beton mit fast samtiger Oberfläche. Ein feiner Handlauf, metallener Rundstab an gekantetem Blech, die Farbe fast Ton in Ton mit dem Beton.
Die Rampe bildet den Raum für die Passegiata, das Gehen zwischen den Stationen der Kunstbetrachtung. Der Ausstellungsraum in der Box ist unspezifisch weiß, mit matter Lichtdecke. Am Boden kein hölzernes Parkett sondern glatt gestrichener Betonestrich, gespachtelt, von mildem Grau. Der Raum ist hoch und lang. Grundrißproportionen etwa zwei zu fünf, nur geringfügig breiter als hoch.
Dieser Raum stellt Anforderungen, seine Möglichkeiten sind erst im Verlauf der Ausstellungstätigkeit auslotbar. Unbespielt zeigt er nur seinen unspezifischen Charakter, wie dies einer Kunsthalle ziemt. Die Farben im Innern sind – neben dem Weiß der Bilderwände – fein abgestufte Grautöne. Es entsteht eine zurückhaltende Raumstimmung in Erwartung wechselnder Kunstpräsentationen.
Oben, in den beiden großen Ausstellungssälen, entsteht durch die vielen Fensteröffnungen und die auf die Zwischenfensterpfeiler bezogenen Säulenpaare eine helle und zugleich gebundene Stimmung. Der ehemalige Produktionsraum ist weiterhin präsent; das schmalere Mittelfeld der dreischiffigen Halle wirkt deutlich profanierend. Beim Rückweg ergeben sich die Schritte auf der schiefen Ebene der Rampe fast von allein. So also hat der Architekt konkretisiert, was dem Preisgericht damals als abstraktes Versprechen in Planform und in einem maßstäblichem Modell vorlag. Krems und damit auch Niederösterreich besitzt nun eine Kunsthalle, die wegen ihrer Unterteilbarkeit viele Möglichkeiten für Ausstellungen anbietet: Der räumliche Rahmen kann alt oder neu, von stofflich-schwer zu dematerialisiert-leicht oder von mittel bis groß sein. Die Baustruktur weist mehrere architektonisch-räumliche Grundkonfiguration auf, die sehr ruhig und gelassen daherkommen und damit der Kunst einen guten Rückhalt bieten werden. Adolf Krischanitz ist hier eines seiner besten Werke gelungen.
Nach dem Hinaustreten ein Blick zurück. Nichts deutet von außen auf den Zubau im Hof hin, die historistischen Mauern sind gelb, die Fenster außen braun gestrichen. Farbtöne aus der Welt des Tabaks.
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